Verein aus Neustadt Kinderhilfe plant Transporte in die Ukraine

Peter Tischer

350 Tonnen an Hilfsgütern haben die Ehrenamtlichen in den vergangenen 30 Jahren nach Osteuropa geschickt. Und sie machen unverdrossen weiter – trotz niederschmetternder Nachrichten. Dabei hoffen sie auf Spenden.

 
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Diese ukrainische Schülerin kann trotz des Elends um sie herum noch lächeln – immerhin durfte sie ihren Hund mit in den Schutzraum nehmen. Foto: privat

Die Bilanz der Tschernobyl-Kinderhilfe Neustadt beeindruckt: 74 Hilfstransporte in die Ukraine hat der Verein in den vergangenen knapp drei Jahrzehnten durchgeführt; demnächst steht der 75. an. Diesmal mit relativ kleinem Umfang, wie Vorsitzender Dieter Wolf sagt – bestehend aus 124 Verpackungseinheiten mit einem Gesamtgewicht von 1,3 Tonnen, bestimmt für Menschen in vier Ortschaften in dem von Krieg gebeutelten Land.

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Etwa 30 000 Pakete mit einem Gesamtgewicht von 350 Tonnen habe der Verein schon in die Ukraine geschickt, sagt Wolf, die meisten davon per Spedition. In jüngster Zeit setze man jedoch vermehrt auf den Postweg. „Das ist zwar teurer, geht aber schneller“, erklärt der Vorsitzende.

Seine Schilderungen sind erfüllt von Trauer über die unmenschlichen Zustände in dem osteuropäischen Land. Bei seinen 46 Reisen dorthin habe er das karge Dasein der Menschen hautnah kennengelernt, sagt er: „Das Leben in den ländlichen Gegenden der Ukraine war auch schon vor dem Krieg entbehrungsreich.“ Seit dem russischen Überfall vor gut drei Jahren versucht die Tschernobyl-Kinderhilfe den Menschen vor Ort, vor allem den Kindern, zu helfen, damit sie nicht die Hoffnung und den Lebensmut verlieren. Mehrmals täglich habe er mit Familien in drei verschiedenen Ortschaften Kontakt, berichtet Dieter Wolf: „Und was ich da erfahre, ist einfach unfassbar, unbegreiflich und niederschmetternd.“

Ein Generator für Fedoriwka

Dann schildert er Beispiele: „Die Kinder erschrecken, wenn sie einen Vogel am Himmel sehen, weil sie den Vogel für eine russische Drohne halten. Viele Väter und zum Teil auch die Mütter der Kinder sind an der Front, die Kinder werden von den Großeltern versorgt.“ Etliche Eltern seien bereits im Krieg gefallen. Manche Kinder wüssten das noch gar nicht oder müssten mit diesen traurigen Wahrheiten weiterleben. „Gerade diesen Kindern müssen wir jetzt helfen, damit sie nicht noch weiter traumatisiert werden“, betont der Vorsitzende. „Wir müssen die Kleinen ablenken vor der wirklichen schlimmen Realität.“ Endlose Stunden müssten die Menschen in den kalten, feuchten und oft dunklen Schutzräumen verbringen. Um diese Zeit etwas erträglicher zu machen, schickt die Tschernobyl-Kinderhilfe warme, fabrikneue Bekleidung, Gesellschaftsspiele, Bastelsachen, Puzzles, Lego-Steine, Naschereien und vieles mehr in die Dörfer. Und, ergänzt Wolf: „Wir organisieren von hier aus kleine Kinderfeste mit Speiseeis und anderen leckeren Sachen.“

Von einem in Neustadt neu gegründeten Industriefilter-Hersteller hat der Verein unlängst eine große Sachspende in Form eines Notstrom-Aggregates erhalten. Die anfängliche Freude darüber sei allerdings kurz gebremst worden, als man das Gerät gesehen habe, erinnert sich der Vorsitzende: 20 Zentner bringt das Gerät auf die Waage, das so groß wie ein Kleinwagen ist.

Doch dank ihrer langjährigen Verbindungen habe es die Tschernobyl-Kinderhilfe in relativ kurzer Zeit geschafft, das Gerät in das etwa 2000 Kilometer entfernte Örtchen Fedoriwka zu bringen. „Der Generator ist zwischenzeitlich dort installiert und kann bei den häufigen Stromausfällen das gesamte Dorf mit Strom versorgen“, freut sich Dieter Wolf. So könnten die Kinder in den Schutzräumen bei Licht ihre Schularbeiten machen und sich gegenseitig Hoffnung geben, dass ihre Eltern bald unversehrt aus dem Krieg zurückkommen.

Reich bestückte Lebensmittelpakete

Aber auch alten und kranken Menschen habe sich der Verein inzwischen zugewandt. Denn die spärlichen Renten würden verspätet oder gar nicht ausgezahlt, die finanzielle Unterstützung der kinderreichen Familien oder alleinstehenden Mütter bleibe aus. „Viele Männer werden vom Arbeitgeber aufgefordert, sich freiwillig an die Front zu melden“, sagt Dieter Wolf. „Wenn die Männer sich weigern, dürfen sie zwar weiterarbeiten, aber bekommen keine Entlohnung mehr.“ Auch aus diesem Grund habe sich die Neustadter Tschernobyl-Kinderhilfe dazu entschlossen, allen Einwohnern in Fedoriwka im Shitomer Gebiet eine Winterhilfe in Form von reich bestückten Lebensmittelpaketen zur Verfügung zu stellen.

Dennoch zieht der Vorsitzende ein deprimierendes Resümee: „Die Stimmung in der Ukraine ist am Boden. Durch die neuesten Nachrichten aus den USA noch mehr. Die Kinder realisieren diesen Krieg gottseidank nicht so richtig, sie sind halt noch Kinder. Aber bei den Erwachsenen spüre ich zunehmend Resignation und Verzweiflung, aber ihr ausgeprägter Nationalstolz lässt sie immer wieder aufstehen und weiterhin auf einen Sieg hoffen. Aber wie lange noch?“

Dennoch blick Dieter Wolf auch mit einer Portion Zuversicht nach vorne: „Im Laufe des Jahres möchte unser Verein noch mindestens drei Transporte mit dringend benötigten nützlichen Sachen in die Ukraine schicken.“ Um das zu verwirklichen, bitte man um Unterstützung. Spenden sind über die Sparkasse Coburg-Lichtenfels, IBAN DE68 7835 0000 0000 3735 55 möglich.