Oberhof und der Olympiasieg „Verrückt, der Lüdi hat das durchgezogen“

Am Ende ist nur noch Freudentaumel, in den sich Tränen mischen und Lobeshymnen über einen großartigen Sportler. Familie, Weggefährten, Sportfreunde, Politikprominenz und Fans sehen Johannes Ludwig im Ziel. Und als Olympiasieger.

 
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Oberhof - Das Helaba-Haus an der Rennrodelbahn gleicht einem Hexenkessel. Johannes Ludwig hat die Rennrodel-Welt geschockt – mit seinem Bahnrekord. Nun noch der vierte und entscheidende Lauf. Seine Familie, Freunde, Fans, Weggefährten und etwas Politik-Prominenz fiebern dem Start entgegen. „Eine Mutter leidet wie ein Hund bei solchen Wettkämpfen. Ich weiß, wie hart er gearbeitet hat“, sagt Petra Ludwig. Neben ihr sitzt Schwiegertochter Katharina Ludwig mit den Kindern Winni und Carlson. Sie wirkt ruhig. Äußerlich. In ihr sieht es anders aus. Ganz anders. So wie immer, wenn ihr Mann wichtige Rennen fährt und sie sich das vorm Fernseher oder im Livestream anschaut. So wie immer? „Fast. Das heute ist schon was ganz besonderes. Wir fiebern alle mit und hoffen so sehr, dass die Arbeit von Johannes belohnt wird. Und dass sich die vielen Entbehrungen auszahlen.“ Johannes Ludwig hat seine Familie, mit der er in Walsrode lebt, fünf Monate lang nicht gesehen – außer an den Weihnachtsfeiertagen. Die Abschottung musste in Zeiten wie diesen sein. Vor allem, um sich vor Ansteckungen mit dem Corona-Virus zu schützen, die alles zunichte hätten machen können. Blieb der Familie also nur, per Video und Telefon beieinander zu sein.

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Der vierte Lauf startet. Katharina Ludwig spürt, dass er ganz bei sich ist. Und sie ist sich sicher, dass ihr Mann die mentale Stärke hat, die er braucht. Für die haben auch Rainer Partschefeld und Marion Kummer mit Ludwig gearbeitet. Fünf Jahre lang.

Max Langenhan (Friedrichroda) ist am Start. Er fährt vom siebten auf den sechsten Platz und wird in Oberhof gefeiert wie ein Sieger. Auch beim Rennen von Felix Loch geht die Post ab. Es hält niemanden mehr auf seinem Platz. Auch Dennis Sternkopf nicht. Er war auch Rennrodler und ist in seinen frühen Jugendjahren gemeinsam mit Johannes Ludwig Doppelsitzer gefahren. „Wir hatten sogar mal das Doppel Wendel/Arlt geschlagen“, sagt er stolz. Später hatte es jeder für sich im Einzel probiert. Johannes Ludwig ist dabei geblieben. Freunde sind die beiden immer noch. Ehrensache, dass Freunde mitfiebern, mitleiden und natürlich auch mitfeiern.

Johannes Ludwig geht an den Start. Daumendrücken. Jede seiner Bewegungen und Gesten provoziert einen Kommentar. „Lüdi fährt das nach Hause, ganz klar.“ Etwas anderes will hier niemand gar nicht erst denken. Der Start. Die Zeit bleibt im grünen Bereich. Da sind nur noch Anfeuerungsrufe. Tröten. Die Lautstärke erreicht einen Pegel, vor dem man eigentlich ausreißen möchte. Dann würde man aber was verpassen. Den Zieleinlauf. Den Jubel im Helaba-Haus. Und den hinter der Ziellinie im fernen Peking.

Johannes Ludwig ist Olympiasieger. „Verrückt.“ Andreas Minschke, der Präsident des Thüringer Schlitten- und Bobsportverbandes (TSBV) verdrückt sich eine Träne und spendiert eine Runde Schnaps. „Er ist aus Pyeongchang als Olympiasieger zurückgekommen, jetzt hat er es wieder geschafft. Johannes ist ein großartiger Sportler. Das ganze Team ist großartig, die Trainer sind es auch. Ebenso Robert Eschrich, der Techniker mit den Goldhänden.“ Minschke ist glücklich. Wieder ein Olympiasieger. Und im Jugendbereich läuft es auch gerade sehr gut. „Wir sind eine tolle Familie, die auf moderne Art Traditionen lebt. Deswegen bekommen wir auch Zuwachs im Nachwuchsbereich. Nee, der Lüdi. Der hat das durchgezogen ...“ Auch Uwe Theisinger, Sportdirektor des TSBV, weiß kaum wohin mit seiner Freude. „Wir wussten ja, was Johannes kann. Nun aber das Ergebnis zu haben, für das viele gearbeitet haben, macht richtig stolz.“

Derweil wird es ein bisschen ruhiger. Katharina Ludwig wischt sich Tränen aus den Augen. „Ich bin einfach nur glücklich.“ Und sie freut sich drauf, ihren Mann bald am Flughafen begrüßen zu können. Dann ist sie erst einmal vorbei die Zeit, in der Johannes Ludwig von seiner Familie lediglich per Telefon, Video und dem kleinen Reise-Fotoalbum begleitet wurde.