Zeitweise sei Corona bei den Hass-Postings das Hauptthema gewesen, sagt Sprecher Ramazan Yildiz über die tiefe gesellschaftliche Kluft angesichts der Pandemie. Zumindest punktuell stellten die "Zara"-Mitarbeiter einen Unterschied beim Ermittlungseifer der Behörden fest. "Natürlich ist es immer mal wieder so, dass man bei Online-Delikten andere Reaktionen bekommt als bei Offline-Delikten", sagt Yildiz.
Reagierte die Polizei zu lax auf die Bedrohungen?
Die Polizei wehrt sich gegen Vorwürfe, sie habe zu lax auf die Drohbriefe reagiert, die extreme Gewaltandrohungen enthielten. Seit November 2021 sei die Ärztin polizeilich beraten worden, heißt es in einer Stellungnahme. "Es kam in den darauffolgenden Wochen zu zahlreichen weiteren Kontaktaufnahmen und Gesprächen. Die polizeilichen Schutzmaßnahmen rund um die Ordination wurden drastisch erhöht. Dabei wurden alle gesetzlich möglichen Maßnahmen ausgeschöpft." Bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Wien ist jetzt eine Anzeige eingegangen, in der den Behörden Untätigkeit vorgeworfen wird.
Die Ärztekammer Oberösterreich erklärte, der Ärztin sei jede Hilfe angeboten worden, zu der man in der Lage gewesen sei. Erst jüngst sei ein Plan besprochen worden, wie das Fortbestehen der Praxis - die Kellermayr vor wenigen Wochen geschlossen hatte - gesichert werden könne.
Kellermayr hatte sich nach eigenen Angaben selbst über Monate aus eigener Tasche Sicherheit erkauft. Für entsprechende Vorkehrungen, etwa einen sicheren Rückzugsraum, habe sie rund 100.000 Euro bezahlt, schrieb sie auf ihrer Internetseite.
"Ich glaube, dass gemeinsam Trauern einer Gesellschaft gut tut", sagte der Initiator der Mahnwache vor dem Dom, Daniel Landau, der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Er kannte Kellermayr persönlich, hatte sie erst Mitte Juli in ihrer Praxis getroffen. Dabei hätten sie auch über den Glauben gesprochen, das sei der Medizinerin wichtig gewesen, schilderte Landau. Am Montagabend läuteten die Glocken des Stephansdoms für sie.
(Um Nachahmer-Effekte zu verhindern, berichtet dpa im Einklang mit dem Pressekodex nur mit großer Zurückhaltung über Selbsttötungen und wird daher auch in diesem Fall auf die Nennung weiterer Details verzichten.)