Coburg erlebt das amtliche Kontrastprogramm zum Vorabend, an dem an selber Stelle Sido den Bad Boy mit den dicken Eiern gab. Drollige Vorstellung, dass der rüde Rapper die Regenbogenflagge schwenkend einfühlsam die Verunsicherung und das Coming-out eines schwulen Jungen besingen würde. Good Girl Sarah tut es, mit ihrem Hit „Vincent“ krönt sie (fürs Erste) ihre auch visuell eindrucksvoll inszenierte Show, die fein austariert ist zwischen Balladen zum Schwelgen und Power-Pop zum Grooven.
Die wilden alten Zeiten
Die alten Zeiten sind schließlich nicht vergessen, im (zeitlichen) Zentrum des Abends steht darum ein heißes Soul-Set, das „den ganzen Laden zum Wackeln“ bringen soll. Schloss Ehrenburg und Landestheater überstehen die Attacke, soweit erkennbar, ganz gut. Aber dazwischen erfüllt sich auf dem gut gefüllten Schlossplatz Sarahs Wunsch zu Songs wie „Whatta Man“ oder „From Zero To Hero“, bei denen die Band Gas gibt und die stimmgewaltige Vokalcrew aus dem Background tritt.
Sie machen es dem Publikum im vorderen Bereich nicht gerade leicht, auf ihren Sitzplätzen zu verharren, schon beim ersten Song „Hör auf deinen Bauch“ nahm mancher den Appell „Steh auf, sing laut“ beim Wort. Aber es gibt ja auch die sanften Songs, die zum Innehalten einladen, mal hymnisch – wie die „Kleinstadtsinfonie“, eine Liebeserklärung an die Heimat, mal hauchzart wie „Das Leben ist schön“.
Ständchen für einen kleinen Fan
Sarah Connor zählt nicht zu jenen, die ihr Programm routiniert runterspielen: Im Kontakt zu ihren Fans blüht sie plaudernd auf, Küsschen fliegen hin und her, und beim Blick auf die vielen Kinder wird der vierfachen Mutter warm ums Herz („da schießt mir gleich die Milch ein“). Der kleinen Frieda aus der ersten Reihe verhilft sie auf der Bühne zu einem Herzklopferlebnis: Das Happy-Birthday-Ständchen aus 9000 Kehlen wird sie wohl nie vergessen.
Dass nicht alle Kinder Grund zum unbeschwerten Feiern haben, blendet die Sängerin, die zu Hause Flüchtlinge aus der Ukraine beherbergt, nicht aus. „Wir müssen etwas tun!“, fordert sie – und weist den Weg zu den Peace- und No-War-Shirts am Merchandising-Stand, deren Erlös der Ukraine-Hilfe zugutekommt. Zum Abschied gibt sie ihren Fans einen Tipp mit auf den Weg: „Krieg dein Arsch endlich hoch! Zeit aufzustehen.“
Das könnte sogar Sido verstehen.