8500 Menschen warten auf eine Spende
Zwar waren 2020 zumindest die regelmäßige Aufklärung und Erinnerung beschlossen worden, doch offenbar ohne den erhofften Effekt. Nachdem die Zahlen erst stagnierten, gingen sie nun sogar noch um 6,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück. 869 Menschen, die nach ihrem Tod Organe spendeten, bedeuten anders gesagt: Auf eine Million Einwohner kommen gerade einmal zehn Spender. Eine auch im europäischen Vergleich viel zu niedrige Zahl, wie Sabine Dittmar bedauert. Auch die Zahl der entnommenen Organe, die für eine Transplantation an die internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant gemeldet werden konnten, ist weiter gesunken und ging um 8,4 Prozent auf etwa 2660 zurück. „Tagtäglich sterben Menschen, weil es für sie kein passendes Spenderorgan gibt“, sagt Sabine Dittmar. Aktuell warten in Deutschland gut 8500 Kranke auf lebensrettende Organe – oftmals schon seit Jahren.
Flaute in den Pandemie-Jahren
Das weiß auch Hannelore Seitz von der Interessengemeinschaft (IG) Niere Schweinfurt/Haßberge e. V. Die Bergrheinfelderin ist seit 2002 Vorsitzende der IG und will in dieser Funktion vor allem Aufklärungsarbeit leisten, um noch mehr Menschen für die lebensrettende Organspende gewinnen zu können. Genau diese Informationsmöglichkeiten „direkt vor Ort“ hätten in den vergangenen zwei Pandemiejahren natürlich stark gelitten, sagt Hannelore Seitz gegenüber unserer Zeitung. Eine weitere Erklärung für die weiter gesunkenen Transplantationszahlen sieht sie in der Auslastung der Kliniken in dieser Zeit, durch die das Thema Organspenden womöglich auf der Prioritätenliste weiter nach hinten gerutscht sei. Auch die DSO sieht Gründe in der Covid-19-Pandemie und den daraus resultierenden Krankenständen beim Personal in den Kliniken; zudem waren zunächst Corona-positive Spender von einer möglichen Spende ausgeschlossen worden, bis das Risiko durch mehrere Studien widerlegt worden war.
Junge Menschen sind offen für das Thema
Die Widerspruchslösung allein bringe daher nichts, sagt Hannelore Seitz, „wenn sich nichts in den Strukturen ändert“. Dringend nötig sei daher vor allem ein Register, denn ohne einen festen Eintrag gehe es doch nur wieder mit Vermutung und letztlich der Nachfrage bei den Angehörigen . Am wichtigsten jedoch sei, die Menschen zu informieren und für Aufklärung zu sorgen. „Wenn wir direkt vor Ort sind mit unserem Info-Stand und Menschen direkt ansprechen, ist die Resonanz immer sehr groß“, sagt Hannelore Seitz. Besonders junge Menschen seien sehr offen für das Thema und könnten darüber auch aufgeschlossen diskutieren. Seit 1995 informiert die Bergrheinfelderin auch an Schulen in der Region mit ihren Vorträgen und hat auch hier nur positive Erfahrungen sammeln können. Bereits ab dem 14. Lebensjahr kann man einer Organ- und Gewebespende aktiv widersprechen, ab dem 16. Lebensjahr dann auch ohne Einverständnis der Eltern einer Spende zustimmen oder widersprechen. Schon lange setzt sich Hannelore Seitz daher auch dafür ein, das Thema Organspende fest im Regelunterricht zu etablieren, beispielsweise im Ethik- oder Religionsunterricht.
„Sollte eine Selbstverständlichkeit sein“
Im vergangenen Jahr hatte die Interessengemeinschaft Niere Schweinfurt/Haßberge an der zentralen Veranstaltung zum Tag der Organspende in Mainz teilgenommen. Dort hatten Hannelore Seitz und die weiteren Ehrenamtlichen der IG auch Sabine Dittmar an ihrem Stand begrüßen können. Die parlamentarische Staatssekretärin ist übrigens seit vielen Jahren selbst überzeugte Organspenderin und versucht auch immer wieder, andere zu überzeugen. „Ich habe stets ein paar Blanko-Ausweise in meiner Handtasche, die ich gerne an Interessierte verteile“, sagt Sabine Dittmar. „Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, die Entscheidung, ob man mit einer Organspende auch nach seinem Tod Leben schenken will, zu treffen und auch zu dokumentieren“, findet sie. Dadurch könne man seinen Angehörigen in einer sowieso schon schweren Situation auch eine große Last nehmen.
Aus ihrer beruflichen Praxis wisse sie, dass mit einer höheren Spendenbereitschaft deutlich mehr Menschen geholfen werden könnte. Organspende betreffe uns alle, so Dittmar: „Jeder kann schon morgen auf ein Spenderorgan angewiesen sein.“
Die Selbsthilfegruppe Interessengemeinschaft Niere Schweinfurt/Haßberge e. V. will Betroffenen Hilfestellung leisten in medizinischen, sozialen oder rechtlichen Belangen sowie mit Aufklärungsarbeit die Organspendebereitschaft fördern. Informationen und Kontakt über www.ig-niere.info.
Mehr Informationen zur Organspende unter www.organspende-info.de