Die Behandlung von Long Covid bleibt wegen der von Patient zu Patient sehr unterschiedlichen Symptome eine Herausforderung. Eine standardisierte Therapie oder spezifische Medikamente gibt es nicht, sehr wohl aber spezialisierte Long-Covid-Ambulanzen und Reha-Einrichtungen.
Sind Menschen nun häufiger erkältet als vor der Pandemie?
Tatsächlich scheint es so, als würde Covid-19 sich nicht eingliedern, sondern die Zahl der Atemwegsinfekte insgesamt steigen lassen. Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) zeigen eine vergleichsweise hohe Zahl akuter Atemwegserkrankungen. In der Zeit vor Covid-19 seien die Werte kleiner gewesen, sagt Watzl. Es sei davon auszugehen, dass man sich auch in Zukunft auf höhere Erkältungszahlen im Herbst und Winter als vor der Pandemie einstellen muss.
Wie oft jemand von Sars-CoV-2 erwischt wird, ist individuell sehr unterschiedlich. "Manche hatten es erst einmal, manche schon fünfmal", sagt Watzl. Daten zu anderen unter Menschen kursierenden Coronaviren zeigen demnach einen mittleren Abstand von etwa zweieinhalb bis vier Jahren bis zur nächsten Erkrankung.
Gibt es weitere Folgen, die nachwirken?
Besonders große Auswirkungen hatte die Pandemie in Deutschland auf Heranwachsende. Während der Lockdowns und Schulschließungen tauchten viele Jungen und Mädchen stärker in digitale Welten weg.
Auch nach der Corona-Krise haben viele weiter eine problematisch hohe Nutzung, wie eine im vorigen Februar vorgestellte Untersuchung ergab. Knapp ein Viertel der 10- bis 17-Jährigen (24,5 Prozent) nutzt demnach Social-Media-Dienste wie Tiktok, Instagram oder WhatsApp riskant viel. Hochgerechnet seien es aktuell 1,3 Millionen Jungen und Mädchen - dreimal so viele wie im Vor-Corona-Jahr 2019, hieß es.
Eine im März im Fachblatt "Journal of Health Monitoring" vorgestellte Umfrage ergab bei Schulkindern zudem ein deutliches Plus an psychosomatischen Beschwerden wie Kopf-, Bauch- und Rückenschmerzen.
Eine starke Abnahme gab es hingegen bei der körperlichen Aktivität - die bisher nicht wieder das vorpandemische Niveau erreichte, wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) mitgeteilt hat. "Die Gefahr besteht, dass die Verhaltensweisen aus der Pandemie zum Teil dauerhaft beibehalten werden", sagte BiB-Forschungsdirektor Martin Bujard.
Weil viele Kinder zudem anfingen, mehr Süßigkeiten und Knabbereien zu naschen, legten gerade Mädchen und Jungen mit schon bestehendem Übergewicht noch einmal Kilos zu, vor allem solche aus sozioökonomisch benachteiligten Familien. Fachleute warnen vor langfristigen Folgen wie Bluthochdruck, Fettleber und Diabetes.
Ist die Welt durch Covid-19 eine andere geworden?
Seuchen seien in europäischen Staaten auch in früheren Jahrhunderten stets eine Herausforderung für die Politik gewesen, erklärt Karl-Heinz Leven von der Universität Erlangen-Nürnberg. Unter anderem, weil Maßnahmen wie Kontaktsperren und die Isolation von Kranken stets nur behördlich unter anderem mit Strafen bei Übertretung durchgesetzt werden konnten.
Es liege der menschlichen Natur zugrunde, dass eine Krise ungünstige Entwicklungen hervorrufe, schrieb Leven im Fachblatt "Geschichte in Wissenschaft und Unterricht". Dazu zähle das Streuen von Gerüchten, die bei Ausbrüchen der Pest zu Lynchmorden führten. "Im 19. Jahrhundert wurden im Zuge der Cholera-Epidemien in einigen europäischen Städten Ärzte und Apotheker gelyncht, da es gerüchteweise hieß, sie vergifteten die Armen."
Auch während der Corona-Pandemie hätten sich Gerüchte massiv verbreitet. Das Stichwort "Corona-Verschwörung" bringe bei einer Google-Suche zig Millionen Treffer, so Medizinhistoriker Leven. Zugleich habe sich im Gegenzug eine Art allergische Reaktion entwickelt, kritische Positionen Andersdenkender automatisch mit Verschwörungserzählungen gleichzusetzen.
Haben wir gelernt aus der Pandemie?
Das darf bezweifelt werden. Zwar wurden in etlichen Ländern Pandemie-Pläne entstaubt oder erst geschaffen. Doch ein aktuelles Beispiel zeigt, dass im Zweifelsfall weiterhin zu wenig geschieht, um die Ausbreitung gefährlicher Erreger früh zu stoppen: die Vogelgrippe H5N1 in US-Milchviehbetrieben. Seit den ersten Nachweisen im März wurden dem US-Landwirtschaftsministerium zufolge H5N1-Fälle in hunderten Betrieben vieler Bundesstaaten erfasst.
Es sei leider nicht zu erkennen, dass Maßnahmen ergriffen werden, die das Geschehen schnell stoppen würden, sagt Martin Beer, Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) auf der Insel Riems bei Greifswald. Den Eindruck, dass in den USA mehr Wert darauf gelegt wird, kurzfristig wirtschaftlichen Schaden zu vermeiden als eine mögliche weitere Zoonose zu unterbinden, bestätigt auch Drosten: "Es ist schon frappierend, wie wenig Dateneinsicht und gezielte Infektionsüberwachung stattfindet, sowohl bei Tieren als auch beim Menschen."