Passau/Hildburghausen Von Lockerung ist nichts in Sicht

Ute Wessels, Marek Majewsky
Gespenstische Stimmung am Adventssamstag, nur wenige Menschen sind in der Fußgängerzone von Passau unterwegs. Angesichts der stark gestiegenen Zahl von Corona-Infektionen gelten in Passau seit Samstag strenge Ausgangsbeschränkungen. Foto: Lino Mirgeler/dpa Quelle: Unbekannt

Die Passauer müssen weitgehend daheim bleiben und halten sich laut Polizei an die Regeln. Seit Samstag gilt in der Stadt eine strenge Ausgangsbeschränkung. Und in Hildburghausen reagiert die Kirche mit Befremden aufs Versammlungsverbot.

 
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Passau/Hildburghausen - Die Geschäfte im niederbayerischen Passau waren am Samstag zwar geöffnet, dennoch blieb es am ersten Adventswochenende in der Innenstadt vergleichsweise ruhig. Seit Samstag gelten in der 52 000-Einwohner-Stadt strenge Ausgangsbeschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Weihnachtstrubel fiel somit aus. Die Maßnahmen sollen vorerst eine Woche dauern, wie Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD) schon am Freitag mitgeteilt hatte.

Grüne wollen Gesundheitsämtern auf die Sprünge helfen

Die Grünen im bayerischen Landtag fordern eine bessere technische und personelle Ausstattung der Gesundheitsämter im Freistaat. Nur so könnten diese ihren Aufgaben umfassend und schnell nachkommen, hieß es in einer Mitteilung am Sonntag. Benjamin Adjei, Sprecher für Digitalisierung, kritisiert, dass in vielen Ämtern wie auch in medizinischen Laboren noch mit Fax gearbeitet werde.

Das Resultat einer Grünen-Anfrage im Landtag zur Nutzung der Softwaresysteme DEMIS (Deutsches Elektronisches Melde- und Informationssystem) und SORMAS (Surveillance Outbreak Response Management and Analysis System) in Bayerns Gesundheitsämtern falle "erschütternd" aus, teilte Adjei mit.

Das System DEMIS sei bei den Gesundheitsämtern zwar installiert, jedoch könnten es viele nicht nutzen, weil ein Teil der Labore nicht angeschlossen sei. Diese Labore arbeiteten noch mit Faxgeräten. "So kann eine Staatsregierung doch keine Pandemie bekämpfen lassen", empört sich Adjei.

Bei der Software SORMAS zur Nachverfolgung von Kontakten sei die Lage "fast schon desaströs". Nur ein bayerisches Gesundheitsamt verwendet demnach SORMAS aktiv, fünf haben die Software eingerichtet, bei 69 ist es nicht möglich. "Kein Wunder, dass die Gesundheitsämter in puncto Kontaktnachverfolgung kaum nachkommen."


Bis Sonntag war die Zahl der Corona-Neuinfektionen nochmals deutlich gestiegen - nach Angaben des Landesamtes für Gesundheit (LGL) auf einen Inzidenzwert von knapp 538 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen. Die Ausgangsbeschränkungen hatte Dupper am Freitag verkündet, nachdem der Inzidenzwert auf fast 440 Neuinfektionen gestiegen war.

Frühestens bei einem Rückgang der Infektionszahlen auf eine Inzidenz von 300 könnten laut OB die Maßnahmen gelockert werden. Die Polizei ist nach eigenen Angaben mit mehreren Streifenbesatzungen im Einsatz, um die Einhaltung der Regeln zu kontrollieren.

Die Bilanz fiel am Sonntag positiv aus. Die Menschen hielten sich an die Vorgaben, sagte ein Sprecher. Lediglich in der Nacht auf Samstag hatten Beamte in einer Wohnung einen Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz festgestellt: Dort hatten drei Menschen aus unterschiedlichen Haushalten miteinander gefeiert. Die Polizei war von Nachbarn wegen Ruhestörung auf das Trio aufmerksam gemacht worden. Die drei Feiernden erhielten eine Anzeige.

Passanten, die am Samstag beim Einkaufen in der Innenstadt unterwegs waren, reagierten - auf die Maßnahmen angesprochen - zumeist gelassen und mit Verständnis. Die Menschen in Passau dürfen ihre Wohnung nur noch aus triftigem Grund verlassen, beispielsweise um zur Arbeit, zum Arzt oder zum Einkaufen zu gehen.

Außerdem gilt ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen. Die Stadt verordnete Wechselunterricht für die Jahrgangsstufen 7 bis 11 - mit Ausnahme von Abschlussklassen an Mittel- und Realschulen. Wer einen Angehörigen in einem Altenheim besuchen will, muss vorher einen Schnelltest machen und damit nachweisen, dass er nicht infiziert ist.

Im thüringischen Hotspot Hildburghausen appellierte Bürgermeister Tilo Kummer (Linke), das Versammlungsverbot ernst zu nehmen. "Sonst ist alles für die Katz", sagte der Rathauschef am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Er äußerte sich besorgt über Aufrufe in den sozialen Medien zu weiteren Corona-Protesten in der kommenden Woche. Es sei nicht hinnehmbar, wenn Menschen es offenbar als Spiel ansehen, die Regeln zu brechen.

Nach den neuen Corona-Regeln können nun nur noch im Einzelfall und auf Antrag Versammlungen genehmigt werden, wenn sie infektionsschutzrechtlich vertretbar sind und vier Tage vorher angemeldet wurden. Unangemeldete Zusammenkünfte sind demnach verboten.

Die neue Verordnung untersagt auch Sitzungen der Kommunen, Parteitage, Gottesdienste und Märkte - mit Ausnahme von Wochenmärkten und Beerdigungen. Die Thüringer Bischöfe reagierten mit Befremden auf das kurzfristige Gottesdienstverbot am Vorabend des ersten Advent. Das Verbot sei unverhältnismäßig, erklärte der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Friedrich Kramer.

Für die rund 63 000 Einwohner der Region gilt bereits seit Mittwoch ein harter Lockdown mit strengen Ausgangsbeschränkungen; Kitas und Schulen wurden geschlossen.

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