Pilotprojekt im Landkreis Kronach Damit der Alltag auch im Alter klappt

Heike Schülein
Die beiden Gemeindeschwestern Kerstin Hinz (links) und Dagmar Heinlein freuen sich zusammen mit dem Leiter der Servicedienste, Wolfgang Stumpf, über den guten Zuspruch des neuen BRK-Pilotprojekts. Foto: Archiv Heike Schülein/Archiv Heike Schülein

Viele Senioren möchten so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben. Die BRK-Gemeindeschwestern helfen dabei. Das Projekt ist bereits jetzt ein Erfolg.

 
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Kronach - „Ich war nach einem Krankenhausaufenthalt mit meinen Kräften am Ende. Dinge, die mir früher leicht von der Hand gingen, fallen mir jetzt zunehmend schwerer. Ich brauche Hilfe“, räumt Friedrich Hadrawa ein. Unterstützung bei der Bewältigung seines Alltags in den eigenen vier Wänden erhält der 87-Jährige nun von Gemeindeschwestern des BRK Kronach.

Die Anlaufstelle für Senioren und ihre Angehörigen möchte es pflegebedürftigen Menschen ermöglichen, so lange wie möglich mit hoher Lebensqualität in der gewohnten Umgebung zu bleiben. Drei Gemeindeschwestern agieren als Ansprechpartner, beraten und organisieren individuell zugeschnittene Unterstützungsmöglichkeiten. Der Startschuss hätte im Herbst 2020 fallen sollen, verzögerte sich jedoch coronabedingt bis zum 1. Juli 2021.

Passgenaue Leistungen

„Kurz vor dem Jahreswechsel wollten wir einen Blick darauf werfen, wie das Konzept angenommen wird“, erklärte BRK-Kreisgeschäftsführer Roland Beierwaltes beim virtuellen Pressegespräch. Das gemeindenahe Hilfs- und Beratungsangebot richtet sich insbesondere an Senioren, ältere, alleinstehende, kranke und pflegebedürftige Bürger, Pflegepersonen und Angehörige sowie belastete Familien und Alleinerziehende. Aus Vermittlungsleistungen wie Pflege, medizinische Versorgung, Alltagshilfen, Beratung, hauswirtschaftliche Dienste, Schulungen und soziale Teilhabe wird eine passgenaue Leistungspalette zusammengestellt.

„Sich einzugestehen, Hilfe zu brauchen, ist nicht einfach. Auch mich hat es Überwindung gekostet, zum Telefon zu greifen. Aber ich bin sehr froh, dass ich die Gemeindeschwester habe“, bekundet Friedrich Hadrawa. Um über alle, oft sehr persönlichen Probleme offen sprechen zu können, brauche es eine Vertrauensperson. Diese hat er mit Gemeindeschwester Dagmar Heinlein gefunden, die über eine 30-jährige Berufserfahrung in der ambulanten Pflege verfügt. Ohne lange Wartezeit habe sie bei einem kostenlosen Erstgespräch mit ihm den Beratungsbedarf und mögliche Hilfen abgestimmt – so im Haushalt, bei der Gartenpflege und beim Schneeschippen. Herzbeschwerden hätten ihm hierfür die Kräfte genommen, erzählt der Witwer.

Große Nachfrage

Die große Nachfrage bestätigte Dagmar Heinlein. Unter anderem hätten auch Kinder pflegebedürftiger Eltern das Gespräch mit ihr gesucht, wobei es oftmals um Alltagshilfen gegangen sei. Hier kommt der Leiter der BRK-Servicedienste, Wolfgang Stumpf, mit einem umfassenden Angebot ins Spiel. Sehr angefragt wurden auch Wohnraumberatungen, wobei man sich mit Schreinermeister Markus Stöckert bewusst für einen kompetenten Kooperationspartner entschieden habe, der zudem über Kontakte zur Handwerkerschaft verfüge.

Neben der Familienmanagement-Leiterin Antje Angles sind auch die beiden Gemeindeschwestern Petra Rauh und Kerstin Hinz direkte Ansprechpartnerinnen in der Beratung und Betreuung. Die Teamleitung „Sozialstation Bereich Süd“ mit Petra Rauh ist vorwiegend im südlichen Landkreis unterwegs, während Kerstin Hinz für das Betreuungsmanagement verantwortlich zeichnet. Sie berichtete von bislang 43 dokumentierten Hilfeanfragen. Dabei ging es in den meisten Fällen um die Stellung eines Pflegeantrags. Beratungsbedarf bestand auch von bereits Pflegenden, die sich nicht mehr sicher waren, es weiterhin zu schaffen, nachdem bei ihren Angehörigen zusätzlich eine Krankheit oder ein Unfall dazugekommen war.

Lernen aus Erfahrung

Wissenschaftlicher Kooperationspartner ist die Wilhelm-Löhe-Schule Fürth. Um möglichst viele Erkenntnisse über Notwendigkeit, Bedürfnisse und Nutzung der Vermittlungsleistungen zu erhalten, erfolgte eine Befragung der Bürger über 65 Jahren in der Gemeinde Steinbach am Wald. „Wir lernen aus Erfahrung“, sprach Prof. Jürgen Zerth von einem extrem spannenden Prozess. Mehr als zwei Drittel der Teilnehmer konnten sich demnach vorstellen, das Konzept in Anspruch zu nehmen. Dabei liegt der Unterstützungsbedarf bei der Gartenarbeit, im Haushalt, beim Wäschewaschen sowie Schneeschippen mit 43,9 Prozent weit vorne.

Sehr dankbar für das neue wertvolle Hilfsangebot zeigten sich Steinbachs Bürgermeister Thomas Löffler sowie die persönliche Referentin Ina Schnetzer in Vertretung von Landtagsabgeordnetem Jürgen Baumgärtner. Das Projekt sei – so der Bürgermeister – ein weiterer wichtiger Baustein zur Ergänzung des umfangreichen Leistungsportfolios des BRK. Selbst die modernste Technik könne eine persönliche Anlaufstelle niemals ersetzen. Von einem tollen Konzept, das zum Modellprojekt für den Freistaat werden könne, sprach Ina Schnetzer. Der Landkreis könne sehr stolz auf seine innovativen Wohlfahrtsverbände sein.

Gefördert wird das Modellprojekt vom bayerischen Gesundheitsministerium sowie dem Bayerischen Landesamt für Pflege mit 274 000 Euro, wobei der Förderzeitraum coronabedingt bis Ende 2022 verlängert wurde. Danach soll es von den Akteuren weitergetragen werden, die einen Benefit davon haben – so die Kommunen, das BRK, die Dienstleister, Sozialversicherungen sowie die Bürger selbst mit einem Eigenanteil. „Es ist wichtig, dass das Projekt dann nicht zu Ende geht“, appellierte Roland Beierwaltes.

Kontakt

Der Sitz der Anlaufstelle ist im Mehrgenerationenhaus Buchbach. Termine sind nach Absprache jederzeit möglich. Die Beratung erfolgt telefonisch, online oder persönlich in den Räumlichkeiten des BRK oder bei den Hilfesuchenden zu Hause. Interessierte wenden sich an den BRK-Kreisverband Kronach unter der Rufnummer 09261/6072 777.

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