Pilotprojekt Mit Trauerwandern neue Wege gehen

Günther Geiling

Gemeinsam Kraft schöpfen durch Bewegung: Elfriede und Klaus Nußbaum wollen in einem Pilotprojekt mit den Maltesern andere „Sternenkinder“-Eltern bei der Bewältigung ihres Verlusts unterstützen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Unterwegs in der Natur werden Schritte oft leichter. Mit dem „Trauerwandern“ wollen Elfriede und Klaus Nußbaum über ihre Erfahrungen mit Betroffenen ins Gespräch kommen oder auch nur zuhören. Foto: /Günther Geiling

Kreis Haßberge - Stirbt ein nahestehender Mensch, löst das große Trauer aus. Ein Kind zu verlieren, ist dabei der schwerste Schicksalsschlag, bei dem für die Eltern oft eine Welt zusammenbricht und die Zeit stehen bleibt. Sie finden sich in der neuen Lebenssituation nicht zurecht oder es wirft ihr Leben völlig aus der Bahn. Der Austausch mit Betroffenen erweist sich dabei immer wieder als besonders hilfreich – und aus diesem Grund starten nun Elfriede und Klaus Nußbaum in Zusammenarbeit mit den Maltesern das „Pilotprojekt Trauerwandern“, bei dem man sich mit anderen Menschen austauschen, aus der Bewegung Kraft schöpfen und sich auf neue Wege machen kann.

Nach der Werbung weiterlesen

Elfriede und Klaus Nußbaum aus Trossenfurt haben selbst dieses Schicksal erlitten: Ihr Sohn Andreas ist kurz nach der Geburt verstorben. Auch sie haben sich zurückgezogen und fürchteten in ihrer Trauer sogar Gespräche, wie sie im Gespräch mit der Neuen Presse berichten.

Elfriede Nußbaum: Der Schmerz ist immer da, besonders in den ersten Jahren. Aber die Form des Schmerzes verändert sich. Es ist vergleichbar mit einer Wunde, die eine Narbe hinterlässt, manchmal schmerzt die Narbe, manchmal auch nicht.

Klaus Nußbaum: Der Schmerz wird nie nachnachlassen. Dies ist alleine durch die Umstände bedingt, dass es sehr viele Erinnerungen an dieses Schicksal gibt. Wir haben gelernt, dass die Verarbeitung Zeit benötigt und man muss lernen, sich die Zeit zum Trauern zu nehmen. Mit Gedanken wie „das Ganze jetzt schnell verarbeiten, abhaken und dann weiter“` darf man sich nicht unter Druck setzen lassen. Zeit nehmen und diese Zeit auch nutzen!

Es heißt doch auch Zeit lindert den Schmerz. Kann man hier eine Zeitspanne ansetzen, wie lange solch eine Trauer andauert oder wie haben Sie es erlebt?

Elfriede Nußbaum: Es gibt keine allgemeinen Regeln über die Trauer, aber die dauert länger als die meisten denken, auch die Trauernden selbst. Die Trauer holt einen manchmal Jahre später wieder ein, oft durch ein Erlebnis oder ein Detail, das Erinnerungen weckt.

Klaus Nußbaum: Genauso ist es. Es kommt der Sterbetag des Kindes, der Geburtstag. Wenn noch weitere Geschwister da sind, fehlt z.B. an Weihnachten ein Kind. Auch durch Nachrichten oder die Informationen durch Bekannte, dass ein Kind im Mutterleib verstorben ist oder eine Totgeburt erfolgte, ruft die Erinnerung an das eigene Schicksal wieder zurück.

Was hat ihnen am meisten in ihrer Trauer geholfen oder welche Personen waren ihnen hier eine große Unterstützung?

Elfriede Nußbaum: Um es kurz zu beschreiben: Unser soziales Netzwerk hat uns geholfen – Familie, Freunde, geistliche Begleiter, Ärzte und Hebamme, gute Nachbarn und nicht zuletzt wir selbst.

Klaus Nußbaum: Was auch geholfen hat, war der spontane Besuch von Freunden und Bekannten, die einfach nur da waren und zugehört haben oder einen Kaffee mit uns tranken. Vor allem waren uns aber auch die eigene Familie und unsere anderen Kinder eine sehr große Stütze.

Sie wollen nun auch anderen Menschen helfen, denen so etwas widerfahren ist. Was hat sie dazu motiviert?

Elfriede Nußbaum: Wir möchten Betroffenen das Gefühl geben, dass sie mit ihrer Trauer nicht allein sind und dass Trauer gelebt werden darf und muss, um wieder ins Lot zu kommen. Tatsächlich ist das Thema „Sternenkinder“ immer noch ein Tabuthema in unserer Gesellschaft, auch wenn sich viel schon geändert hat. Wir wollen offen sein für die Betroffenen und wollen auch aus unseren Erlebnissen und Erfahrungen heraus zukünftige Angebote ausrichten und da schweben uns solche Jahreszeiten-Wanderungen vor.

Klaus Nußbaum: Entstanden ist die Idee schon 2019 mit der Gedenkandacht für Sternenkinder in Limbach, aber dann waren aufgrund von Corona keine weiteren Veranstaltungen möglich. Die geplante Trauerwanderung soll der Auftakt zu einer Gruppengründung von Sternenkinder-Eltern sein, aber die jährliche Gedenkandacht wird weitergeführt und ist schon für den 12. Dezember („Worldwide Candle Lighting“) geplant.

Es gibt ja viele Angebote für den Halt in schweren Stunden, um dem Leben und dem Verlust einen neuen Mut zu geben. Was finden sie an dem Trauerwandern so positiv?

Klaus Nußbaum: Die Abgeschiedenheit, die Ruhe und einfach mal in Gedanken versunken sein und zu sich zu finden; sich einfach mal eine Auszeit gönnen. Man kann Wege gehen, wo man fast alleine unterwegs ist und die Ruhe genießen, aber auch den Weg der Trauer gemeinsam gehen. Niemand muss auch etwas sagen! Wichtig ist, einfach nur zuhören oder einfach nur da sein und wissen, da ist jemand, der mich stützt. Keine Ratschläge geben! Es muss so oder so getrauert werden. Jeder Mensch ist anders und trauert anders. Auf diese Feinheiten muss man eingehen.

Der Weg ist das Ziel ist ein bekannter Ausspruch. Soll diese Trauerwanderung auch zu dem Ziel führen, dass das Leben weitergeht, wenn auch in einer anderen Weise?

Elfriede Nußbaum: Es geht natürlich auch um das Annehmen von Leid in seiner Lebensgeschichte, den Blick nach vorne zu richten und nicht unterzugehen. Aber im Rückblick auch Dankbarkeit zeigen, auch wenn das in der aktuellen Phase der Trauer nicht möglich ist. Wir wollen helfen, mit dieser Situation umzugehen und sie auch anzunehmen.

Das Gespräch führte Günther Geiling

Das Trauerwandern

Die Trauer gleicht oft einer Wanderung mit allen Höhen und Tiefen. Beim Wandern kommt auch nicht nur der Körper in Bewegung, sondern der Geist. Die Natur kann dabei eine heilsame Begleiterin sein, denn gerade hier erfährt man die Verbundenheit mit dem Werden und Vergehen und erkennt die Parallelität zu Leben und Tod.

Elfriede und Klaus Nußbaum sehen diese Trauerwanderung als ein niederschwelliges Angebot, um betroffenen Eltern die Möglichkeit des Austausches zu geben oder nur zu wandern und zu hören. Dabei ist es ihnen wichtig, als Paar aufzutreten, „da wir beide Partner, die Eltern, ansprechen und für beide da sein wollen. Das Thema betrifft ja beide Elternteile.“

Treffpunkt ist am Samstag, 4. September, um 14 Uhr am Parkplatz der Wallfahrtskirche Maria Limbach. Die Dauer der Wanderung ist mit ca. 1,5 Stunden geplant. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Festes Schuhwerk wäre erwünscht und die Wanderung findet bei jedem Wetter statt.