Pilotprojekt Oberfränkische Cybercops als Vorreiter

Manfred Scherer
Thorsten Hofmann, technischer Inspektor und gelernter Kommunikationselektroniker, ist seit 15 Jahren IT-Forensiker bei der Polizei. Hier führt er im neuen fahrbaren IT-Labor das Auslesen eines Smartphones vor. Foto: Manfred Scherer

Oberfrankens Cybercops sind Vorreiter. Als erste Polizeidienststelle bundesweit haben die Spezialisten ein mobiles IT-Labor. Es soll auch dazu dienen, die rasant steigenden Computerkriminalität schneller zu bekämpfen. Der „Paladin“, ein 3,5-Tonner Kastenwagen, ist ein bayerisches Pilotprojekt für ein Jahr, danach soll entschieden werden, ob alle Polizeipräsidien im Freistaat damit ausgestattet werden.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Bayreuth - Einen Anstieg von 40 Prozent weist die oberfränkische Kriminalstatistik des Jahres 2020 für den Deliktbereich Computerkriminalität aus: 1907 Fälle wurden für das vergangene Jahr erfasst – Tendenz steigend. Kein Wunder, nahezu jeder verfügt heute über ein Smartphone. Täter hinterlassen in den meisten Fällen digitale Spuren. Man muss diese Spuren nur finden, erklärte Kriminalrat Kevin Klier am Freitag bei der Präsentation des „Paladin“ für die Medien.

Schon seit Jahren trägt die Polizei dem Trend der steigenden Computerkriminalität Rechnung. Sogenannte Cybercops gibt es schon seit rund 20 Jahren. Seit 2017 haben die bayerischen Polizeipräsidien eigene Spezialeinheiten aufgestellt, jeweils bei dem Kriminalpolizeien mit Zentralaufgaben sind diese Kommissariate angesiedelt.

Aus dem 18-köpfigen Kommissariat Cybercrime der KPI/Z Oberfranken, kurz KCC genannt, kam auch der Anstoß für das mobile Forensik-Labor, erklärte Kommissariatsleiter Marko Schröder am Freitag bei der Präsentation des „Paladin“: Man habe Kontakt mit einem Anbieter gehabt und eine erste Version verworfen, wo das IT-Labor in einem größeren Lastwagen eingebaut war.

In der aktuellen Variante ist das Labor in einen 3,5-Tonner Sprinter eingebaut, ein Normalführerschein genügt.

Die KCC-Experten wandten sich an ihr Präsidium, das legte den Vorschlag im Innenministerium vor. Das Resultat: Seit kurzem fährt und testet das oberfränkische KCC den „Paladin“ für zunächst ein Jahr. Marko Schröder ist sich sicher, dass das Pilotprojekt Erfolg hat.

Der „Paladin“ hat rund 300.000 Euro gekostet. An Bord sind drei Computerarbeitsplätze.

Das digitale Herz des mobilen IT-Labor schlägt im Heck: Die Server und Arbeitsspeicher sind in einer weltweit bislang einzigartigen Luftfederung aufgehängt, sodass die Cybercops an Bord auch während der Fahrt arbeiten können. Dazu kommt ein Energie- und Klimakonzept, das sicherstellt, dass der „Paladin“ innerhalb kurzer Zeit einsatzbereit ist und bei Bedarf mehrere Tage unterwegs sein kann.

Die Spezialisten an Bord können mit dem mobilen Labor vor Ort und wesentlich schneller arbeiten als bisher. Bisher rückten die Cybercops mit Laptops aus, endliche Akkuladungen beschränkten die Einsätze. Mit dem rollenden Supercomputer an Bord des Paladin können im Extremfall die Dateien eines ganzen Unternehmens gespiegelt werden, beispielsweise im Fall eines kriminellen Angriffs mit Schadsoftware.

Aber auch an klassischen Tatorten wird der Paladin eingesetzt werden. KCC-Chef Schröder erinnert an den rechtsextremen Terroranschlag am Olympia-Einkaufszentrum in München im Jahr 2016. Damals filmten viele Augenzeugen mit ihren Smartphones an den Tatorten. Die Münchner Cybercrime Spezialisten rückten aus, um die Beweise der Zeugen zu sichern. Sie suchten sich eine Filiale eines Schnellrestaurants als Behelfsbüro aus, steckten ihre Laptops an und begannen Handys auszulesen – und plötzlich machten die Laptops schlapp. Des Rätsels Lösung: Die Steckdosen in dem Schnellrestaurant waren lediglich Dekoration.

Ein Terroranschlag wäre aber der Extremfall. Dem steht der kleinste denkbare Fall gegenüber: Computerbetrug beim Privatgeschäft im Internet, ein Delikt, das üblicherweise bei den Polizeiinspektionen bearbeitet wird. Auch hier sei es für einen Ermittler sehr hilfreich, schnell ein Handy ausgelesen zu bekommen und mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen vertieftere Fragen stellen zu können.

Wie wichtig die digitale Spurensicherung ist, zeigt sich seit längerem bei den Strafgerichten: Neben den klassischen Spurenakten, in denen die Beweisfotos vom Tatort nach wie vor mit dem Uraltbegriff „Lichtbildtafel“ bezeichnet werden, gibt es mittlerweile Chatprotokolle als Anlagen zu den Ermittlungsakten.

Bilder