Was im Landtag passierte
Über mehrere Stunden redete der Alterspräsident der AfD, Jürgen Treutler. Er reagierte auf Anträge der anderen Fraktionen, zumindest die Beschlussfähigkeit festzustellen, mit immer neuen, langen Unterbrechungen. Treutler weigerte sich, Abgeordneten das Wort zu erteilen. "Ich entziehe Ihnen das Wort", ging er etwa Bühl an. Die erste Sitzung des Thüringer Landtags knapp vier Wochen nach der Wahl wurde damit zum erwarteten Politikspektakel und einem Tauziehen zwischen einer AfD, die erstmals in Deutschland die stärkste Fraktion stellt, sowie CDU, BSW, Linke und SPD auf der anderen Seite.
Janine Merz, parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, warf Treutler vor, Abgeordnetenrechte nicht nur einzuschränken, sondern wegzunehmen. "Sie haben dem Landtag großen Schaden zugefügt", sagte der CDU-Abgeordnete Bühl in Richtung Treutler. "Sie haben ihre Rolle als Alterspräsident überhöht." Der parlamentarische Geschäftsführer des BSW, Tilo Kummer, wurde noch deutlicher: "Sie erklären dieses Parlament für unmündig." Treutler verstoße mit seinem Verhalten "gegen die freie Ausübung des Mandats aller 88 Abgeordneten hier im Haus".
Vorwurf des Verfassungsbruchs
CDU-Mann Bühl betonte, dass Treutler nicht nur die Abgeordnetenrechte, sondern auch das Demokratie-Prinzip eingeschränkt sieht, das Abstimmungen verhindert worden seien. Der Alterspräsidenten habe an mehreren Stellen die Verfassung gebrochen. Es gehen auch um den Schutz des demokratischen Handelns und das Ansehen der Institutionen.
Bühl sagte, man wolle beim Verfassungsgerichtshof einen einstweiligen Erlass beantragen, mit dem Ziel, dass Treutler nach der von der bisherigen Landtagspräsidentin erstellten Tagesordnung verfährt und eine Abstimmung über die Änderung der Geschäftsordnung durchführt.
Der AfD-Abgeordnete und Co-Landesparteichef Stefan Möller warf den Abgeordneten von CDU, BSW, Linke und SPD vor, "sämtliche Anstandsregeln" über Bord geworfen zu haben. Die Sitzung sei eine Katastrophe, sagte Möller. Vorwürfe gegen das Agieren des Alterspräsidenten wies er zurück. Es gebe unterschiedliche Rechtsauffassungen zum Ablauf der Sitzung. "Notfalls müssen wir das eben vor Gericht klären."
Die Landtagssitzung stand auch irgendwie unter dem Endruck eines Ereignisses vor gut vier Jahren: In Thüringen erinnern sich viele noch an die Ministerpräsidentenwahl 2020, als die AfD einen Scheinkandidaten aufstellte, den sie nicht wählte, sondern stattdessen dabei half, den FDP-Politiker Thomas Kemmerich in das Amt zu hieven.