Präsentation in Gemünda Wohnen unterm Glasdach

Bettina Knauth
Zwei Entwürfe beschäftigen sich mit den ungenutzten Gewächshäusern in Gemünda. Leonie Haßmann (rechts) und Marie Hofmann könnten sich dort Arbeitsplätze und Wohnungen für junge Leute vorstellen. Foto: Knauth

Studierende aus Coburg entwickelten kreative Lösungen für leer stehende Gewächshäuser in Gemünda. Zu sehen waren diese nun bei einer Krimi-Lesung.

 
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Eine klassische Krimi-Lesung dürfen Stammleser wie Neulinge von Helmut Vorndran nie erwarten. Ist doch der fränkische Buchautor nicht nur für seinen speziellen Humor, sondern als Kabarettist auch für seine Spontaneität bekannt. In einer leer stehenden Gärtnerei, wie jetzt in Gemünda, trat Vorndran allerdings noch nie auf.

Ebenfalls ungewohnt für das Zugpferd des Abends: Zu Beginn stand nicht sein neues Werk „Obsidiangold“ im Mittelpunkt, sondern das Gebäude selbst, besser gesagt seine mögliche Zukunft. Es zählte zu den Leerständen im Seßlacher Stadtgebiet, mit denen sich Architektur-Studierende der Hochschule Coburg – in Kooperation mit der Initiative Rodachtal (IR) – im vergangenen Semester tagelang beschäftigten. Professor Mario Tvrtkovic hatte ihnen aufgetragen, die Region mit ihren baukulturellen Eigenarten kennenzulernen und für ihr Studienprojekt Nutzungsideen zu entwickeln. Inspiriert von der Historie als Ackerbürgerstadt mit vielen ehemaligen Gehöften präsentierten die Teilnehmenden insbesondere kreative Formen des Wohnens und Gärtnerns. Nicht nur auf Papier, sondern auch in Form von aufwendigen Modellen, von denen einige den Weg nach Gemünda gefunden hatten. Der demografische Wandel, die Sorge ums Klima und um die Energieversorgung sowie das Thema Mobilität prägten viele der Entwürfe.

Zwei von ihnen beschäftigten sich mit den brachliegenden Gewächshäusern am Ortseingang von Gemünda, von Dietersdorf her kommend. Leonie Haßmann und Marie Hofmann könnten sich hier Arbeitsplätze und Wohnungen für junge Leute („Tiny Houses“) vorstellen. Juliane Graf und Lara Geh siedelten dort „Gärtnerhäuser und Freilandlabore“ an und planten sogar ein Mobilitätszentrum ein, inklusive E-Bike Verleih und Car-Sharing. Sie habe „das Rad nicht neu erfinden“, sondern mit der Gärtnerstadt, die Mobilität, Wohnen und Arbeiten vereinen, eine Lösung von früher aufgreifen wollen, beschrieb Graf am Montag ihr „Herzensprojekt“. Klar erscheine der Entwurf futuristisch, ergänzte Geh, zumal nur die Hülle stehen bleibe und Module umspannen soll. Dass sich dort hineingestellte „Gartenhäuser“ über die Glashülle aufheizen, verglich sie mit einem Forschungsprojekt. Wichtig ist der Studentin auch der „charakteristische Grünraum“ außen herum. Graf haben es die vielen Grünflächen in Gemünda ebenfalls angetan: „Anders als in Seßlach funktioniert das hier super.“ Haßmann kombiniert in ihrem Entwurf alte mit neuen Wohnformen und schafft Arbeitsplätze. In den Gemeinschaftszonen können alle Bewohner zusammenkommen. „Das ist wie ein Ortszentrum, hier findet Begegnung statt“, erläuterte sie.

Projektpatin Nina Liebermann, Bürgermeisterin der Gemeinde Itzgrund, zeigte sich von den „megaspannenden Ideen“ begeistert und bescheinigte ihnen Entwicklungspotenzial. „Ein innovatives Projekt, das über die reine Restaurierung hinausgeht, weil es Nutzungsmöglichkeiten und eine energetische Nutzung einschließt“, urteilte Christine Bardin vom Arbeitskreis Historische Bausubstanz der IR. Professor Tvrtkovic freute sich über die „Win-win-Situation“ für beide Seiten, griffen die Studierenden mit ihren Arbeiten doch Themen auf, die vor Ort die Leute bewegten: „So haben sie die Möglichkeit, Impulse zu setzen und Potenziale aufzuzeigen.“

Dann hatte endlich der Gast aus Rattelsdorf das Wort. Wie einen klassischen „Tatort“ müssten sich die Gäste seine Krimis nicht vorstellen, schilderte Helmut Vorndran. Auch wähle er für seine Lesungen keine Stellen aus, „an denen das Blut literweise tropft“. Tote gibt es trotzdem, zumindest einen, der sich in „Obsidiangold“ unschön in einem brennenden Mähdrescher versteckt. Und natürlich sind die bekannten Protagonisten mit von der Partie, allen voran die Ermittler Franz Haderlein und Bernd „Lagerfeld“ Schmitt samt Azubi-Ferkel Pressack. Genüsslich trägt Vorndran in breitem Fränkisch vor, wie der „uniformierte Rückenrutscher“ namens „Profil-Webhan“ mittels einer Zündholzschachtel unterm Auto die Profiltiefe der Reifen misst oder die Hassfurter Inkarnation des „Asphalttaliban“ alias Robert Zillich dank seiner „Perforationsberechtigung für die Nerven anderer Autofahrer“ – sprich Führerschein – den Autobahnverkehr lahmlegt, weil seinem E-Auto der Saft ausgeht.

Dem Publikum in Gemünda gefällt’s, die skurrilen Szenen sorgen für herzhafte Lacher. „Eine gelungene Veranstaltung“, resümierten Seßlachs Bürgermeister Maximilian Neeb und Nina Liebermann. Beider Dank galt auch der Dorfgemeinschaft Gemünda, die den vakanten Verkaufsraum in einen heimeligen Veranstaltungsort verwandelt und für die Verpflegung gesorgt hatte. Ähnliche Events sollen folgen. Damit wolle man Bürger und Hauseigentümer inspirieren und ihnen Mut machen für die Sanierung ihrer Objekte, erläuterte Liebermann. Schließlich verfüge die Region über einen „wunderschönen Schatz an Baukultur“, den es gelte „lebendig zu erhalten und erlebbar zu machen“.

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