Die Misere, dass die Ehe finanzielle Ungerechtigkeiten zementiert und oftmals die Frau abhängig vom Mann macht, ist nicht zu leugnen. In meiner Ehe gäbe es deshalb Steuerklasse 4 für beide, damit auch bei dem schlechter verdienenden Partner mehr Netto vom Brutto bleibt. Statt die Konten zu fusionieren, gäbe es lediglich ein gemeinsames Haushaltskonto. Ausgaben werden anteilig an der Höhe des jeweiligen Gehaltes gezahlt. Und der Ehevertrag wird – so unromantisch das auch klingen mag – zu Beginn der Ehe geschlossen.
Auf einer Hochzeit im letzten Herbst sagte der Vater des Bräutigams mit Nachdruck zwei simple Worte zum Brautpaar „Liebt euch“. In einer funktionierenden Ehe kann das auch gelingen, wenn die Zeiten schwierig sind und Partner Fehler machen. In einer Beziehung ohne Ehegelübde möglicherweise auch. Das Handtuch unüberlegt zu schmeißen, den anderen stehen zu lassen und sich wieder allein durch das Leben zu boxen, ist jedoch einfacher.
Susan Jörges ist 25 Jahre alt und findet die Vorstellung zu heiraten gar nicht so abwegig.
Contra Ehe: Was ist mit anderen Lebensgemeinschaften?
Die allermeisten Hochzeiten, auf denen ich zuletzt war, waren elegant, durchinszeniert – und teuer. Gerne wurden dafür mehr als 20 000 Euro ausgegeben, im deutschen Durchschnitt sind es laut einer Erhebung von Weddyplace 15 000 Euro. Das Ehegattensplitting bringt den 17,5 Millionen deutschen Ehepaaren dagegen durchschnittlich 1250 Euro im Jahr. Wer also ein bisschen durchhält, hat das Hochzeitsinvestment wieder herinnen. Das kann man als nüchtern-deutsche Romantik betrachten, ist schön, und kost’ am Ende ja nix. Oder als jährlich 22 Milliarden Euro schwere Förderung eines Lebensmodells, das längst nicht mehr die ganze Realität abbildet – und allen Gleichberechtigungsbemühungen entgegen laufen.
Es gibt viele Formen des Zusammenlebens. Aber die Ehe bildet die meisten davon nicht ab: Was ist mit Wohngemeinschaften, in denen sich alle um Kinder kümmern? Was mit polyamoren Beziehungen, wo mehrere Partnerinnen und Partner zusammenleben? Was macht diese Lebensformen weniger wert als die klassische, monogame Ehe? Hinzu kommt: Wenn ein Partner in solchen alternativen Modellen stirbt, sind die Sorgerechts- und Erbschaftsfragen kaum zu klären. Warum gibt es ein Konstrukt für Ehen, aber nicht für solche Fürsorgegemeinschaften?
Das hier soll kein Plädoyer gegen die Ehe an sich sein. Wer heiraten will, soll das weiterhin machen können. Für wen das romantischen, emotionalen Wert hat – schön! Aber so wie die kirchliche Trauung rechtlich keine Bedeutung hat, sollte das für alle Trauzeremonien gelten. Die Ehe bildet die vielfältigen Beziehungsformen im 21. Jahrhundert nicht mehr ab, und sie liefert ihnen keine rechtliche Absicherung. Das muss sich ändern – in einem Modell, welches alle Partnerschaftsformen gleichberechtigt nebeneinanderstellt.
Außerdem: Man kann eine Partnerschaft auch anders zelebrieren, als mit Traditionen, die Männer und Frauen doch wieder in Klischeerollen pressen. Das beginnt schon bei der Trauung: Sie im weißen Prinzessinnenkleid, er im dunklen Anzug. Und wäre es so nicht viel romantischer: Man schwört seiner Partnerin oder seinem Partner die Treue, einfach nur, weil man es will – und nicht, weil man eine große Party feiern will, und auch nicht, weil das Ehegatten-Splitting gut in den langfristigen Anlageplan passt.
Florian Gann ist 39 Jahre alt und hält die Ehe für überholt – nicht aber langfristige Beziehungen.