Protest in Coburg Sozialunternehmen in schwerer See

Die wirtschaftlichen Probleme der Coburg Inklusiv gGmbH halten an. Doch die Aussichten bessern sich. Ein einheitlicher Tarifvertrag, den Beschäftigte fordern, lässt aber weiter auf sich warten.

 
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Coburg/Ahorn - Bei der Coburg Inklusiv gGmbH gärt es. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben am Donnerstagmorgen in Ahorn eine Petition an Geschäftsführer Bernd Baucks übergeben, in der sie Transparenz über die wirtschaftliche Situation des Sozialunternehmens, sichere Arbeitsplätze und einen einheitlichen Tarifvertrag fordern.

Coburg Inklusiv betreibt unter anderem die Mauritiusschule in Ahorn für Schüler mit einem Förderbedarf im Bereich der geistigen Entwicklung, die Heilpädagogische Tagesstätte mit dem Internat auf der Bertelsdorfer Höhe in Coburg für körperlich behinderte Kinder – die frühere „Schule am Hofgarten“ –, das Sozial-Pädiatrische Zentrum in der Bahnhofstraße, die kindliche Frühförderung im Ernst-Faber-Haus, den integrativen Kindergarten „Regenbogen“ und die schulvorbereitende Einrichtung in Eicha. Dieses umfassende Angebot zur Förderung behinderter Kinder ist ein Alleinstellungsmerkmal von Coburg Inklusiv, dessen soziale Bedeutung für die Region hoch. In dem Unternehmen, an dem das Diakonische Werk Coburg 51 Prozent der Gesellschaftsanteile und der Verein Hilfe für das behinderte Kind 49 Prozent halten, sind nach Angaben von Susanne Schmehle, Vorsitzende der Mitarbeitervertretung, rund 350 Beschäftigte tätig.

Für sie gelten ganz unterschiedliche Entgeltmodelle auf der Grundlage verschiedener Vertragswerke. „Das macht die Zusammenarbeit sehr schwierig“, so Susanne Schmehle. Zudem fehle es an Wertschätzung für „unsere tolle Arbeit“, sagte Sportfachlehrerin Gisela Friedrich. Daraus resultierten Probleme, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen, „die Wertschätzung für uns alle kommt nicht `rüber“.

Moritz Faude von der Gewerkschaft Verdi betonte, dass man die Geschäftsführung mehrfach zu Verhandlungen über einen Tarifvertrag aufgefordert habe, um das Lohnniveau auf eine einheitliche Grundlage zu stellen. Bislang werde das abgelehnt mit der Begründung, die Coburg Inklusiv gGmbH sei kirchlich und wende eigene Regeln an. „Deshalb verhandelt man nicht mit Gewerkschaften“, ergänzte Mario Schwandt, von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Das wolle und könne man nicht akzeptieren.

Mario Schwandt ging zudem auf die wirtschaftlichen Probleme des Unternehmens ein, an denen der jetzige Geschäftsführer Bernd Baucks allerdings schuldlos sei, wie der Gewerkschaftssekretär und Susanne Schmehle von der Mitarbeitervertretung betonten. Vielmehr habe es in der Vergangenheit gravierende Versäumnisse bei Verhandlungen mit dem Bezirk Oberfranken, den Krankenkassen und anderen Leistungsträgern im sozialen Bereich gegeben, was letztlich zu geringeren Einnahmen und der wirtschaftlichen Schieflage geführt habe. Moritz Faud bot der Geschäftsführung an, bei der Bewältigung der Probleme konstruktiv mitzuarbeiten. „Wir wollen einen guten Plan für Coburg Inklusiv, wo jeden Tag ein toller Job gemacht wird“, so der Vertreter von Verdi.

Geschäftsführer Bernd Baucks unterstrich, die Hinweise, mit denen er am Donnerstag gebündelt konfrontiert wurde, perlten an ihm nicht ab. Er begrüße das Gesprächsangebot und nehme es gerne an. Dass Beschäftigte keine Wertschätzung für ihre Arbeit erhalten, liege nicht in seinem Interesse, das Gegenteil sei der Fall. Dass es unterschiedliche Entgeltmodelle innerhalb der Coburg Inklusiv gGmbH gibt, halte er für unglücklich, die Ausgangslage sei allerdings „wirklich kompliziert, die Fragen sind komplex“. Er habe zum Jahreswechsel eine mögliche Lösung über die Arbeitsvertragsrichtlinien der beiden größten privaten Arbeitgeber im sozialen Bereich - Diakonie und Caritasverband – angeboten. Die Bezahlung der Beschäftigten beider Wohlfahrtsverbände ist an das Tarifwerk des Öffentlichen Dienstes (TVÖD) angelehnt. Hier setze Baucks auf weitere Gespräche.

Die wirtschaftliche Lage von Coburg Inklusiv sei „ausgesprochen schwierig“. Dies liege an Versäumnissen in der Vergangenheit, als Vergütungssätze nicht im erforderlichen Maße angepasst worden seien. Deshalb überstiegen die Ausgaben noch immer die Einnahmen. Das Defizit werde über den Unternehmensverbund des Diakonischen Werkes Coburg ausgeglichen, wobei sich auch hier Schwierigkeiten abzeichnen würden. So stünden beispielsweise die Fertigungen in den Unternehmen Wefa und Nova unter wirtschaftlichem Druck.

Für Coburg Inklusiv prognostizierte Baucks ein „ganz schwieriges Jahr“, sprach aber von einem „hohen Interesse, dass es weitergeht“. Der Sanierungsplan konkretisiere sich. Beispielsweise verliefen Verhandlungen mit dem Bezirk Oberfranken erfolgversprechend, die Vergütungssätze zu erhöhen. Dies werde jedoch erst 2023 spürbar greifen. Wirtschaftliche Probleme bereite auch die Corona-Pandemie, weil mit den Krankenkassen nur tatsächlich erbrachte therapeutische Leistungen abgerechnet werden können. Muss ein Kind wegen Corona zu Hause bleiben, hat Coburg Inklusiv Personalkosten, aber keine Einnahmen in diesem Bereich.

Ein Lichtblick sei, dass Vereinbarungen mit dem Verein Hilfe für das behinderte Kind zur Überlassung – Mieten – und Übernahme von Immobilien getroffen werden konnten. Dies stärke die Liquidität und die Kreditwürdigkeit von Coburg Inklusiv. Bernd Baucks: „Eine Insolvenz steht nicht als Option zur Debatte, der Schaden wäre nicht absehbar.“

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