Quo vadis Afghanistan? Über den teuersten Krieg der Geschichte

Maria Löffler

Reinhard Erös ist kein Freund der leisen Worte. Der ehemalige Oberstarzt der Bundeswehr und Gründer der Kinderhilfe Afghanistan übt in Friesen harsche Kritik am Westen.

 
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Foto: /Maria Löffler

Friesen - Reinhard Erös, Oberstarzt der Bundeswehr a.D., gilt als ein erfahrener Afghanistan-Experte. Auf Einladung der Krieger- und Soldatenkameradschaft kam er nun in die Friesener Dorfscheune, um den Zuhörern Einblicke in das gebeutelte Land am Hindukusch zu geben. Unterstützt wurde die Veranstaltung vom Bayerischen Soldatenbund sowie dem Bündnis „Demokratie leben“.

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Seit mehr als 30 Jahren kennt Erös Afghanistan wie seine Westentasche, er spricht die offizielle Landessprache und gründete in Afghanistan mehrere Schulen, eine Klinik, eine Universität. Zudem initiierte er mit seiner Familie unzählige andere Projekte. „In Afghanistan ist die Hälfte der Kinder unterernährt, die Bildungstendenz geht sehr stark nach unten, sie haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser oder Strom – und das, nachdem wir 20 Jahre lang da waren“, so Erlös.

Erlös wurde für seine Verdienste bereits mehrfach ausgezeichnet. Dabei ist er alles andere als ein Mann der leisen Worte. Vielmehr donnerte er nach seinem „Warm up“ los wie ein kräftiges Gewitter. Darüber, dass die Bundeswehr in Afghanistan den Krieg verloren habe, aber ein deutscher General dafür noch ein Bundesverdienstkreuz erhielt. Er wettert über die Korruption in dem Land und vor allem darüber, dass es allen Verantwortlichen vorne und hinten an „interkultureller Kompetenz“ fehle. Auch aus diesen Gründen habe er sich vorzeitig pensionieren lassen.

Schuld an der Korruptions-Misere, so betont Erös, sei vor allem der Westen. „Einmischung ist unter Umständen nicht zielführend“, zog er Bilanz. „Man hat hier in den letzten 30 Jahren eine räuberische Elite gezüchtet.“

Erös sprach auch vom „teuersten Krieg in der Geschichte der Menschheit“. Und das nicht aufgrund der Waffen. „Afghanistan hat keine Infrastruktur, es hat keinen Zugang zum Meer. Alles muss also auf dem Luftweg transportiert werden. Das bedeutete Brauchwasser für Soldaten und Zivilisten, Treibstoff, um die Klimaanlagen für die Wohncontainer zu betreiben.“ Hier seien unvorstellbare Summen in diesen Krieg geflossen. „In Afghanistan werden außerdem mehr Sprachen gesprochen als in Europa. Da kann aber kein Mensch Englisch.“ Also habe man Dolmetscher gebraucht. Und die hätten genau das übersetzt, was die Deutschen hätten hören wollen, nicht das, was wirklich gesagt worden sei. Dies kreidete er ebenfalls der Bundesregierung an, denn schon am Anfang des Afghanistan-Einsatzes hätte man auch an die Ausbildung zuverlässiger Dolmetscher denken sollen. Statt dessen habe man das einfach vergessen. „ Und dann wundern wir uns, wenn das Ganze in die Hose geht.“

Im Anschluss gestattete er allen einen Blick zurück in das Land vor der Sowjetischen Invasion, „als es hier noch alles gab, einschließlich Friseursalons für Pudel. Als man sich frei bewegen konnte.“ Nach den Russen seien dann die Amerikaner gekommen, die sich „als noch schlimmer“ herausgestellt hätten. Dabei, so Erös, sei an 9/11 kein einziger Afghane beteiligt gewesen sei. „Es waren 15 Saudis, zwei kamen aus den Emiraten, einer aus Ägypten und einer aus dem Libanon.“ Dennoch sei es „zum Krieg gegen den Terror“ gekommen.

Und dann erzählte Erös, dass man ihm einst angeboten habe, Bin Laden an ihn auszuliefern, damit die Deutschen Behörden ihn in Empfang nehmen könnten. Dies habe aber, so Erös, die deutsche Regierung abgelehnt. „Aus Angst vor der Reaktion der Amerikaner.“ So sei Bin Laden geblieben, wo er war und der Krieg habe seinen Anfang genommen.

Ein Krieg, bei dem man gar nicht wisse, wie viele Zivilisten ums Leben gekommen seien, wie viele Kollateralschäden es gab, betonte er. Erös relativierte dabei den westlichen Blick auf die Taliban. „Man muss aufpassen mit der kompletten Dämonisierung der Taliban und der damit einhergehenden Glorifizierung ihrer Feinde.“ Seine Schulen seien etwa auch nach der Machtübernahme der Taliban nicht geschlossen worden und seine Ärzte dürften weiterarbeiten.