Regiomed Entspannung in Kliniken

Wolfgang Braunschmidt

Die Zahl der Patienten, die an Covid-19 erkrankt sind, geht in Lichtenfels und Coburg zurück. Dagegen steigen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie.

 
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Die Zahl der Covid-19-Patienten geht auch in den Krankenhäusern des kommunalen Klinikverbunds Regiomed zurück, der Kliniken in Coburg, Lichtenfels, Hildburghausen und Sonneberg betreibt. Foto: picture alliance/dpa/Claudio Furlan

Coburg - Alexander Schmidtke, Hauptgeschäftsführer des bayerisch-thüringischen Klinikverbunds Regiomed, spricht von einer „weiteren Entspannung“ der Lage: In den Krankenhäusern in Coburg und Lichtenfels müssen gegenwärtig im Vergleich zum Jahreswechsel viel weniger Patientinnen und Patienten behandelt werden, die an Covid-19 leiden. Die schwere Erkrankung wird vom Corona-Virus ausgelöst.

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Stand 1. Juni, lagen auf der Covid-Normalstation des Krankenhauses Coburg neun Frauen und Männer, auf der Intensivstation fünf. In Lichtenfels waren es vier Patienten auf der Normal- und zwei auf der Intensivstation. Das Klinikum Neustadt ist aus der Covid-19-Versorgung herausgenommen worden; das bedeutet, dort gibt es niemanden, der wegen dieser Erkrankung behandelt wird.

Entspannung in Altenheimen

Gleiches gilt für die Klinik in Neuhaus am Rennweg. Auch in Sonneberg ist die Tendenz rückläufig: neun Patienten auf der Normal- und einer auf der Intensivstation, in Hildburghausen sind es acht beziehungsweise zwei. In den Seniorenheimen, die der Regiomed-Verbund betreibt, gebe es derzeit keinen Bewohner, der positiv auf Corona getestet worden ist.

Im November und Dezember vergangenen Jahres sowie im Januar war die Situation eine andere. „Da hatten wir extrem hohe Fallzahlen, was zu einer enormen Belastung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geführt hat“, erläuterte Schmidtke in einer Online-Pressekonferenz am Mittwoch.

In den vergangenen zwölf Monaten – Stichtag: 30. April 2021 – hat der Regiomed-Verbund insgesamt 1952 Covid-19-Patienten behandelt. 347 mussten intensivmedizinisch betreut werden.

Wirtschaftliche Folgen

Die Pandemie hat für den kommunalen Klinikkonzern, der Häuser in Coburg, Lichtenfels, Hildburghausen und Sonneberg betreibt, massive wirtschaftliche Auswirkungen. Der Grund: es mussten Klinikbetten freigehalten, planbare Operationen verschoben und zusätzliche Intensivkapazitäten vorgehalten werden. Dafür gab es staatliche Ausgleichszahlungen, die laut Schmidtke aber den finanziellen Verlust nicht vollständig hätten ausgleichen können.

Die Regiomed-Kliniken hätten bis zum 30. Mai gut 14,5 Millionen Euro an Ausgleichszahlungen erhalten, bis 15. Juni würden noch etwa eine Million Euro erwartet. Pro Tag erhielten die Klinikstandorte – Neustadt ausgenommen – etwa 92 000 Euro, pro Monat rund 2,8 Millionen Euro. Auf das Jahr hochgerechnet seien dies etwa 34 Millionen Euro. „Somit fehlen unserem Klinikverbund bis Ende 2021 circa 18 Millionen Euro an Liquidität“, rechnete Schmidtke vor.

Illusion

Gleichzeitig habe der Klinikverbund in der Pandemie weniger „normale“ Patienten versorgt. Seien 2019 noch 65 785 stationäre und 153 776 ambulante Behandlungen erfolgt, seien es 2020 aufgrund der Corona-Pandemie nur noch 52 996 beziehungsweise 43 127 gewesen. Von Januar bis Mai 2020 wurden in den Regiomed-Kliniken insgesamt 27 609 Patienten stationär betreut, während es im gleichen Zeitraum dieses Jahren 20 772 waren. Dies entspreche einem Rückgang von 25 Prozent. Es sei, so der Hauptgeschäftsführer, eine Illusion zu glauben, dass die stationären Patientenzahlen heuer und im nächsten Jahr wieder auf das Niveau von 2019 ansteigen werden. Sein Fazit: Es entstehe eine erhebliche finanzielle Deckungslücke, denen der Rediomed-Konzern selbst nur mit massiven Strukturveränderungen und Kostenreduzierungen entgegentreten könne. Die wirtschaftlichen Folgen und Konsequenzen träfen in der Regel besonders die kleinen Krankenhäuser.

Überflüssige Bürokratie

In dieser ohnehin schwierigen Lage belaste zusätzliche Kontrollbürokratie die Mitarbeiter der Kliniken und gefährde die medizinische Versorgung. Statt die Krankenhäuser etwas zur Ruhe kommen zu lassen, um den Übergang in den Normalbetrieb zu unterstützen, schalte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) „die sogenannten Strukturprüfungen des Medizinischen Dienstes für erlösrelevante Leistungen scharf“. Diese mehrere hundert Seiten starken Prüfungs- und Begutachtungsrichtlinien überforderten Kliniken und den Medizinischen Dienst selbst. Das ursprünglich verfolgte Ziel des Bürokratieabbaus verkehre sich ins Gegenteil: Schmidtke: „Das Bundesgesundheitsministerium gewinnt erneut den Bürokratie-Oscar.“ Die Kliniken – auch im Regiomed-Konzern – müssten nun innerhalb von vier Wochen Aktenordner voller Belege und Nachweise zusammenstellen. „Die dringende Bitte um Aufschub wurde ebenso ignoriert wie zahlreiche inhaltliche Änderungsvorschläge“, kritisierte Schmidtke.

„Rasenmäher-Methode“

Würden die Kliniken an dieser „ungerechtfertigten Nachweislast“ scheitern, bedeute dies hohe Einnahmeausfälle. Dies könne auch Abteilungen treffen, die ihre Strukturen, Prozesse und Qualität gut im Griff hätten wie zum Beispiel die Geriatrie, die Schlaganfallversorgung oder die Intensivmedizin. Die Folge wegbrechender Erlöse seien absehbar: zahlreiche Gerichtsverfahren und die Gefährdung der Patientenversorgung. Das Bundesgesundheitsministerium zeige „mit seiner Unerbittlichkeit erneut, dass es nicht um Versorgungs- und Qualitätssicherung geht“. Vielmehr habe es ein weiteres Instrument zum Abbau von Krankenhauskapazitäten „mit dem Rasenmäher gefunden“.

Alexander Schmidtke verärgert: „Wir können unseren Beschäftigten nicht noch mehr Verwaltungs- und Nachweisarbeit zumuten. Hier muss der Gesetzgeber endlich eingreifen. Die radikale Entbürokratisierung gehört zu den dringendsten Aufgaben einer neuen Krankenhauspolitik.“