"Jetzt wissen auch die Club-Fans, wie sich ungefähr der Bayern-Dusel anfühlt, mit dem immer mal die Münchner beschimpft werden", macht Benedikt Reubel keinen Hehl aus seiner Erleichterung über das glückliche Ende einer Horror-Saison. Der 35-Jährige aus dem Untermerzbacher Gemeindeteil Memmelsdorf hat gemeinsam mit Familie, Verwandtschaft und einigen FCN-Leidensgenossen aus dem Dorf zu Hause vor dem Fernsehgerät mitgezittert. Dass es mit dem fußballerischen Geburtstagsgeschenk von Fabian Schleusener für den Sohnemann, in Form des rettenden Tores zum 1:3, in allerletzter Sekunde doch noch geklappt hat, gehört zu den positiven Momenten einer ansonsten verkorksten Saison. Wer weiß, wie die Feier für den Junior sonst weiter verlaufen wäre.
Dass sein Lieblingsverein in der abgelaufenen Runde derart abgestürzt ist, habe mehrere Gründe. Nicht entscheidend sei dabei aber gewesen, dass die als frenetisch bekannten FCN-Fans zuletzt wegen Corona nicht ins Stadion durften. "Das Thema Geisterspiele hat ja nicht nur uns betroffen, da mussten die anderen auch mit klar kommen", sucht Reubel nicht nach ausreden. Damit es in der neuen Saison besser läuft, "muss etwas getan werden. Wer gehen darf, muss oder sollte, weiß ich nicht genau, da bin ich zu weit weg. Aber sicher ist, dass etwas passieren muss."
Dass Marek Mintal oder Michael Wiesinger, die kurzfristig Jens Keller als Trainer abgelöst haben, am Ruder bleiben sollten, befürwortet Reubel nur bedingt. "Sie wären zwar eine Option, aber sie haben beim FCN bisher gute Jugendarbeit geleistet und sollten das auch weiter tun. Besser wäre ein erfahrener Trainer, der bereits gezeigt hat, dass er ein Team formen kann."
Das Wichtigste sei nun, mehr Konstanz und Nachhaltigkeit in den gesamten Klub zu bringen. "Im Relegations-Hinspiel haben sie gezeigt, dass sie eine gute Leistung abrufen können. Wenn sie nur drei weitere solche Spiele während der Saison gezeigt hätten, wäre es nicht so eng geworden", klagt der Memmelsdorfer. Er hatte am Samstag nach dem 0:3 die Lichter bereits ausgehen sehen: "An den Klassenerhalt geglaubt hat man da nicht mehr, aber es ist ja zum Glück nochmal gut ausgegangen."
Dass der 1. FC Nürnberg in letzter Sekunde den Klassenerhalt geschafft hat, sieht Klaus Düerkop als unverdient an. Der 71-Jährige aus Ahorn-Schorkendorf bemängelt vor allem das in seinen Augen planlose Gekicke. "Der Club hat doch ohne System gespielt, nur die Bälle nach vorne geschlagen. Ich finde, dass Nürnberg entgegen anderer Meinungen auch im Hinspiel nicht besonders gut war im Vergleich zu anderen Zweitliga-Teams", meint Düerkop. "Nach dem 0:1 der Ingolstadter wurden die Club-Spieler dann im Rückspiel nervös und haben wie so wie oft in dieser Saison viele technische Fehler gemacht." Unterm Strich sei es ein reiner Dusel-Erfolg gewesen, der überaus unverdient war.
Der Schorkendorfer meint, dass der entlassene Trainer Jens Keller eine große Mitschuld trägt am Zustand der Mannschaft. "Ich frage mich, was Keller den Spielern eigentlich beigebracht hat. Hack zum Beispiel ist Junioren-Nationalspieler. Der hat Fußball doch verlernt. Genauso wie Sorg, Frey oder Ishak. Die bringen nichts und laufen herum wie Falschgeld. Irgendwie fehlte bei allen auch der Ehrgeiz."
Der Club müsse jetzt einen Neustart in die Wege leiten. "Als erstes muss ein Trainer her, der etwas vorstellt. Jens Keller stand doch am Spielfeldrand wie eine Marionette", meint Düerkop. "Der neue Mann muss der Mannschaft Zucht und Ordnung beibringen, dann kommt auch das Spielerische wieder." Der Verein müsse zudem nicht nur die Hälfte der Mannschaft auswechseln, sondern auch den Vorstand und vor allem den Sportlichen Leiter Robert Palikuca. "Der hat überwiegend Fehleinkäufe getätigt", kritisiert der Schorkendorfer.
Eine ähnliche Meinung zur Einkaufspolitik beim 1. FC Nürnberg hat auch Ralf Förtschbeck aus Neufang. Der Vorsitzende des dortigen Fanclubs "Rot-Schwarz" hält das Team für falsch zusammengestellt. Dass fünf Stürmer eingekauft wurden, um dann ein 4-5-1-System spielen zu lassen, hält er für einen Widerspruch in sich. Allerdings sei auch Verletzungspech erschwerend hinzugekommen.
Der gesamte Verein müsste seiner Ansicht nach komplett umgekrempelt und neu aufgestellt werden. Vom Aufsichtsratsvorsitzenden, der - wie Förtschbeck ironisch anmerkt - "eine super Figur abgegeben hat, die ganzen Medien lachen ja über ihn, über den Sportvorstand, der uns die ganze Sache eingebrockt hat, mit den zwei Trainern, bis hin zu einigen Spielern. Von denen müssten auch einige verschwinden, von dem her, was sie geleistet beziehungsweise nicht geleistet haben." Besonders enttäuscht ist der 47-jährige Glubberer von Mannschaftskapitän Hanno Behrens. "Er hat als Kapitän seit dem Erstligaaufstieg zwei grottenschlechte Saisons abgeliefert, anstatt mit gutem Beispiel vorneweg zu gehen."
Trotz allem überwiegt am Ende die Erleichterung. "Eigentlich hatten wir mit dem Thema schon abgeschlossen. Es war das Schwierigste, was ich jemals mit dem Club erlebt habe. In der 94. Minute des Relegations-Rückspiels habe ich zum 2. Vorsitzenden gesagt: ‚Ich möchte einmal erleben, dass wir nicht der vielzitierte Depp sind. Und dann haben wir tatsächlich einmal im Leben Glück gehabt’. Das war nichts für schwache Herzen." Falls Palikuca bleibt - "was ich nicht hoffe", so Förtschbeck - und Marek Mintal der Chefanweiser bleiben soll, müsste er Förtschbecks Ansicht nach einen starken Co-Trainer an die Seite gestellt bekommen.
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