Regionalsport Texanerin voller Tatendrang

Freut sich auf die Herausforderung beim BBC Coburg: die neue Co-Trainerin Jessica Miller im Hofgarten vor der Ehrenburg. Foto: Pascal Grosch

Jessica Miller ist die neue Co-Trainerin des BBC Coburg. Die 32-Jährige über ihre aktive Karriere, Ambitionen als Coach und einen möglichen Umzug in die Vestestadt.

 
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Ingolstadt/Bamberg/Coburg - Viel mehr als Wurftraining geht aktuell nicht, Corona ist Schuld. Kein Körperkontakt, viele Einschränkungen, wenig Normalität. Das gilt auch für den BBC Coburg. Ehe Jessica Miller am Montagnachmittag die Basketball-Profis in der Angerhalle betreut, erklärt die neue Co-Trainerin des Pro B-Ligisten die aktuelle Lage im Trainingsalltag.

Miller, 32, nimmt am Vormittag auf einer Parkbank im Hofgarten Platz, schlägt die Beine übereinander. Auf den ersten Blick wird klar, dass die frühere Profispielerin von DJK Don Bosco Bamberg voller Tatendrang ist. Wenn sie erzählt, nimmt sie häufig die Hände dazu, um ihre Ausführungen zu untermalen. "Ich freue mich riesig, wenn es los geht mit der neuen Saison. Die Aufgabe, hier beim BBC zu arbeiten, ist super."

Die US-Amerikanerin Jessica Miller ist eine der wenigen Trainerinnen im Männer-Profibereich, zumindest in Deutschland. "In den USA gibt es das häufiger", sagt sie. Dass die Herausforderung in Coburg ihre erste Prüfung im Männersport ist, sei für sie kein Problem. "Basketball ist Basketball. Ob Mann, Frau, Jung oder Alt: Das sollte alles keine Rolle spielen." Die Jobs müssten einfach nur bestmöglichst besetzt werden. Mit eventuell negativen Bemerkungen oder Vorurteilen geht sie nach eigener Aussage gelassen um. "Ich denke als Coach und nehme das nicht persönlich", sagt sie, "man sollte nicht egoistisch sein, aber ein gesundes Selbstbewusstsein haben".

In der vergangenen Saison lief der BBC in der Pro B auswärts in Oberhaching auf, zu Gast in der Halle: Jessica Miller. Der Bruder ihrer Ehefrau spielt für die Tropics. Den damaligen Coburger Trainer Ulf Schabacker kennt Miller gut, spielte unter ihm in Bamberg, assistierte ihm danach als Co-Trainerin im Bamberger Frauenteam. Wenige Monate nach dem BBC-Gastspiel in Oberbayern klingelt bei ihr das Telefon. Am anderen Ende: der neue Coburger Cheftrainer Valentino Lott. "Ich war sofort sehr interessiert", erzählt Miller vom Angebot, das BBC-Trainerteam zu verstärken.

Im Gespann Lott/Miller soll es keine feste Hierarchie geben. Jeder bringt das ein, was er oder sie am besten kann. "Ich glaube das ist bei mir...", Miller überlegt und sucht nach dem richtigen Wort auf Deutsch. "Ich würde sagen Guard-Development", weicht sie auf ihre Heimatsprache aus, meint die Entwicklung der Flügel- und Aufbauspieler. Es ist einer der wenigen Momente, in denen sie auf Deutsch nicht weiterkommt. Sofort entschuldigt sie sich für ihre Sprachkenntnisse, grinst im nächsten Moment aber wieder und rückt sich ihre schwarze Sonnenbrille mit dem goldenen Rahmen zurecht. Ihre langen dunkelblonden Haare hat sie zum Zopf gebunden.

Es ist sonnig an diesem Vormittag im Hofgarten, ein heftiger Wind kommt ab und an auf. Miller sitzt mit Sneakers und hellen Shorts auf der Bank, trägt ein schwarzes Shirt mit dem BBC-Logo auf dem Rücken. Wieder ein Grinsen, Miller freut sich, nun Teil der Vestestadt-Basketballer zu sein.

Anfänge als Dreijährige

Die 32-Jährige kommt in Austin, US-Bundesstaat Texas, zur Welt, verbringt dort ihr erstes Lebensjahr. Es folgen acht Jahre in Ohio, dann die Highschool in Richfield, Minnesota, später das Studium in Chicago, Illinois. Ihr Vater ist Ingenieur und viel unterwegs, daher die häufigen Umzüge. Ihre Mutter ist zu dieser Zeit Hausfrau, kümmert sich um Jessica, ihre Schwester und ihre beiden Brüder. Nun arbeitet sie bei einem Steuerberater.

Mit drei Jahren beginnt Jessica, sich für Basketball zu interessieren, bekommt den ersten Ball geschenkt. Sie bleibt dem Sport treu, spielt in mehreren kleinen Vereinen und in der Highschool, ehe sie ein Stipendium für das Studium bekommt. "Es ist vergleichbar mit der Physiotherapie würde ich sagen", meint sie. Sie schließt es mit dem Bachelor ab, spielt nebenher weiter Basketball.

Um 2008 herum beginnt sie bei Chicago Sky, eine Frauen-Profimannschaft aus der WNBA (Women’s National Basketball Association) als Betreuerin mitzuhelfen. Sie packt beispielsweise die Taschen für die Auswärtsfahrten. "Ich habe zu dieser Zeit noch im College selbst gespielt, das hat zeitlich gut gepasst."

Im September 2010 wagt sie den Schritt nach Deutschland, heuert in Bamberg als Profi bei DJK Don Bosco in der 2. Bundesliga an. Sie führt das Team als Aufbauspielerin in die Playoffs, das Team wird sensationell Meister. "It was like the Cinderella Story", sagt Miller und wechselt ganz unbewusst wieder ins Englische. Was sie meint: So etwas kann man nicht planen. Überraschungs-Meister statt - wie ursprünglich gedacht - krasser Außenseiter und Abstiegskandidat.

Insgesamt kommt Jessica Miller in Bamberg auf fünf Profijahre, drei in Liga zwei sowie zwei Jahre in der höchsten deutschen Spielklasse. Ihre letzten eineinhalb Jahre trainiert sie unter dem damaligen Coach Ulf Schabacker, heute BBC-Sportdirektor. "Ich hatte dann einen Knorpelschaden am Knie und musste aufhören", erinnert sie sich, "es ging nicht mehr". Sie wird im Anschluss Videocoach bei der WNBA-Mannschaft in Chicago, später Assistenztrainerin in Indianapolis, Indiana.

Zehn Jahre ist sie insgesamt in der höchsten Frauen-Liga der USA tätig. Ende vergangenen Jahres läuft der Vertrag aus, das Angebot des BBC kommt. Nun ist sie hier, sprüht vor Energie und hofft, bald ohne Corona-Einschränkungen arbeiten zu können. "Ich bin voller Tatendrang. Es wird Zeit, dass es losgeht." Wann, wie und in welcher Form die neue Saison beginnt, weiß sie nicht. Auch nicht, wann es im Training weniger Auflagen geben wird. Eines weiß sie aber sicher: "Ich will ein guter Coach sein und mein Basketball-Wissen einbringen", macht sie deutlich, "ich stecke alle meine Energie rein, dass wir die Spieler besser machen".

Jessica Miller beschreibt sich selbst als "sehr engagiert, freundlich und hilfsbereit". Genau davon sollen auch ihre Spieler profitieren. "Sie sollen wissen, dass ich da bin, wenn etwas ist und helfe."

Bamberg oder Coburg?

Die US-Amerikanerin zieht aktuell um, von Ingolstadt nach Bamberg, in ihre alte Wahl-Heimat. Die vergangenen Wochen und Monate verbrachte sie bei Ehefrau Svenja in Ingolstadt. Die arbeitet dort als Lehrerin, weiß aber noch nicht, wo sie im neuen Schuljahr unterrichten wird. In der Nähe von Bamberg, oder doch gar Coburg? "Vielleicht. Wir müssen abwarten", sagt Jessica Miller, die an diesem Tag zum ersten Mal im Hofgarten ist. "Es gefällt mir hier. Es gibt noch so viele Sachen in der Stadt, die ich nicht kenne und gerne kennen lernen möchte."

Jessica Miller rückt die Sonnenbrille zurecht und marschiert in der Mittagssonne durch den Hofgarten zu ihrem Auto. Sie muss zum Training.

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