Regisseurin aus Russland in Coburg Zwischen Bühne und Barrikade

Katja Ladynskaya ist Autorin, Regisseurin, Performerin und Friedensaktivistin. Gemeinsam mit Menschen aus der Ukraine unterstützt sie den Widerstand in ihrer russischen Heimat. Um Aufbegehren geht es auch in dem satirischen Stück, das sie am Landestheater inszeniert. Am Sonntag ist Premiere – in der Therme Bad Rodach.

 
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Sprachrohr für alle, die nicht sprechen können: Katja Ladynskaya. Foto: /Sylvain Guillot

„Ich kann doch nicht einfach zusehen!“ Der Krieg in der Ukraine erfüllt Katja Ladynskaya mit Verzweiflung und Schuldgefühl – aber auch mit Wut, die ihren Widerstand anfacht. Gegen Unrecht, Unterdrückung, Gewalt kämpft die gebürtige Russin mit den Mitteln der Kunst, auf der Theaterbühne, mit Performances, Aktionen. Doch auf kultureller Ebene Bewusstsein zu wecken, ist der 28-Jährigen nicht genug: In ihrer Wahlheimat Deutschland engagiert sie sich politisch, hält Vorträge, demonstriert und setzt mit ihrer 2022 in Regensburg gegründeten russisch-ukrainischen Friedensbewegung Zeichen für Völkerverständigung.

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„Ich möchte Sprachrohr sein für alle, die nicht sprechen können“, sagt die Künstlerin aus St. Petersburg, die an Silvester 2019/20 zuletzt in ihrer Heimat war. Heute wäre es eine Reise ohne Wiederkehr für die PutinGegnerin: „Ich käme nur bis zum Flughafen“.

Widerstand im Wellnessbad

Den Widerstand gegen ein politisches Regime hat Katja Ladynskaya im vergangenen Jahr in einer eigenen Fassung des antiken Dramas „Antigone“ in Linz thematisiert. Um Aufbegehren geht es – in heiterer Verpackung – auch in dem Stück, das die Regisseurin gerade auf eine sehr ungewöhnliche Bühne bringt. In der Therme Natur in Bad Rodach feiert am Sonntag, 11. Juni, das satirische Schauspiel „Der thermale Widerstand“ Premiere. Das Coburger Landestheater betritt damit Neuland – um nicht zu sagen Frischwasser, denn auch das Becken des Baumwipfelpfads wird zur Bühne in dem irrwitzigen Thermenspiel des österreichischen Schriftstellers Ferdinand Schmalz.

Es erzählt, wie brave Stammgäste auf die Barrikaden gehen, um die Umwandlung ihrer traditionsreichen Therme in eine moderne Wellnessoase zu verhindern. Hinter der poesievollen Komik des Stückes lauern viele aktuelle Probleme der Wohlfühlgesellschaft, vom Hyperkapitalismus bis zur Umweltverwüstung, erklärt Katja Ladynskaya. Auch die Toleranz wird auf den Prüfstand gestellt und gezeigt, was passieren kann, wenn ein Dialog zwischen Konfliktparteien misslingt. Nur gut eine Stunde dauert ihre kompakte Fassung des Stücks, die fünf Mal in der Therme aufgeführt und ab Oktober in der Reithalle wiederaufgenommen wird – ohne Pool, versteht sich. Dafür muss die Inszenierung angepasst werden, „wir sammeln schon Material“, verrät die Regisseurin.

Katja Ladynskaya spricht ausgezeichnet deutsch – und nicht nur das: „Ich denke deutsch, ich träume deutsch“, sagt die Künstlerin, die seit 2011 in der Bundesrepublik lebt. „Ich bin privilegiert gekommen“, erzählt sie: Das BWL-Studium in München zog sie durch, doch mehr noch lockte sie das Theater. Sie arbeitete als freie Regieassistentin, absolvierte eine Schauspielausbildung, spielte in der freien Szene, gab Improvisationskurse für Kinder und führte erste eigene Solostücke auf. Während ihres Regiestudiums an der Akademie für Darstellende Kunst Bayern von 2016 bis 2020 inszenierte sie unter anderem eine eigene Overheadprojektor-Performance nach Wedekinds Lulu und die Komödie „Shakespeares Sämtliche Werke (leicht gekürzt)“.

In der Spielzeit 2020/2021 brachte sie ihre Abschlussinszenierung „Harper Regan“ in der Kunsthalle Baden-Baden auf die Bühne. Es folgten Projekte am Gostner Hoftheater in Nürnberg, am Stadttheater Fürth am Stadttheater Bremerhaven.

Von ihrem Engagement für ein friedliches, multikulturelles Zusammenleben durchdrungen sind Stücke wie „Ich lege mich hin und sterbe!“, das in Regensburg uraufgeführt wurde, oder „Die weiße Rose“ am Stadttheater Fürth, das auf ukrainischen Märchen und Mythen fußt.

Am Herzen liegt der Theatermacherin die Arbeit für und mit jungen Menschen, wie etwa die schwule Liebesgeschichte „Bromance“, die im April am Theater Schloss Maßbach Premiere feierte. In der mehrsprachigen Performance „Meine Sprachwelten“ ließt sie in Hannover Jugendliche über das Aufwachsen zwischen den Kulturen und Sprachen reflektieren.

Sieben Theaterstücke von Katja Ladynskaya sind 2022 unter dem Titel „Welten Parallel“ beim Theaterverlag Schultz & Schirm erschienen. Ihr erstes Buch hat sie bereits mit 16 Jahren in St. Petersburg veröffentlicht: „25 Stunden pro Tag“.

Hilfe für die russische Opposition

Mindestens diese Zeit benötigte die Künstlerin, Aktivisten und junge Mutter eigentlich für die Fülle ihrer Projekte in- ud außerhalb des Theaters. Denn so wenig Hoffnung auf einen baldigen Frieden sie auch hat, so wichtig ist es ihr, den Widerstand in Russland zu unterstützen – durch Öffentlichkeitsarbeit und durch Spendensammlungen. Zwar werde den jungen Menschen dort eine unpolitische Haltung antrainiert, aber die Ablehnung der Putin-Herrschaft sei stärker, als es die offiziellen Zahlen behaupten.

Über die richtigen Druckmittel gegen das russische Regime werde auch innerhalb der Friedensbewegung kontrovers diskutiert, weiß Katja Ladynskaya: „Sanktionen treffen meist die Falschen“. Sie setzte sich von vornherein für Öl- und Gasembargos ein, denn der Konzern Gazprom sei für Krieg und Repressionen verantwortlich. Und bei aller Solidarität mit den Menschen in und aus der Ukraine behält sie auch andere Hilfsbedürftige nicht aus den Augen: „Es ist absurd, zwei Klassen von Geflüchteten zu unterscheiden“.

Haltungen wie diese waren wohl für Katjas Eltern mehr noch als die Qualität der Münchner BWL-Fakultät ein triftiger Grund, ihrer Tochter den Weg nach Deutschland zu ebnen. Schon damals erklärten sie ihr: „Mit deinem Gerechtigkeitssinn würdest du hier nicht überleben“.