Die Zunahme des Angebots drückt den Preis gewaltig: Für ein Kilo Kokain werde mit 16.000 Euro nur noch halb so viel wie noch vor zwei Jahren bezahlt, erzählte ein Fahnder der spanischen Zeitung "El Mundo". Die einstige Upper Class-Droge sei in ganz Europa längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Das Problem spürt man auch in Deutschland
Die Kokainschwemme bleibt nicht ohne Folgen. Auch in Deutschland spürt man das. Zwischen 2015 und 2021 stieg der Anteil der 18- bis 59-Jährigen, die jährlich Kokain konsumieren, von 0,6 auf 1,6 Prozent, wie es im Jahresbericht 2024 der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht hieß.
Drogenhandel ist aber nicht nur ein großes Gesundheitsproblem. In Spanien wird bereits eine alarmierende Zunahme der Gewalt registriert, die von den "Narcos" - den Drogenkriminellen - ausgeht. Es gibt Entführungen auf Gran Canaria, immer mehr Schießereien in Katalonien und in Andalusien, immer mehr Drogendelikte auf Mallorca. Voriges Jahr wurde etwa in Barcelona ein Hafenarbeiter von der Mafia ermordet, und zwei Fahnder starben im Hafen der südlichen Stadt Barbate, als ein Drogenhändler sie mit seinem Schnellboot absichtlich überfuhr.
Die Kokainmafia agiert immer einfallsreicher - und aggressiver
Barbate sei "eines der traurigsten und schlimmsten Ereignisse, die wir je erlebt haben. Es zeigt den Verlust des Respekts vor der Autorität, ein Problem, das besonders in Andalusien zu beobachten ist, sich aber auch auf andere Teile des Landes ausbreiten könnte", warnte die Antidrogenstaatsanwältin Rosa Ana Morán im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Die Drogenbanden setzten immer häufiger Waffen ein. "Gefährliche, gewaltbereite ausländische Banden, vor allem Albaner" seien zunehmend in den Drogenschmuggel involviert.
Die neuen Akteure, die hinter der "weißen Flut" stehen, darunter auch Gruppen aus dem Balkan und aus Schweden, und auch die niederländisch-marokkanische "Mocro-Mafia", die in Spanien immer aktiver wird, agieren aggressiver als frühere Player, investieren große Summen und nehmen hohe Verluste in Kauf. "Wenn ein Container mit Drogen beschlagnahmt wird, ist das eingepreist", sagte ein Drogenfahnder der Deutschen Presse-Agentur.
Und: "Der Drogenhandel bewegt enorme Beträge und hat eine enorme Fähigkeit, Beamte und auch Privatunternehmen zu korrumpieren", erklärt Morán. Neben dem Polizeichef in Madrid habe man im vorigen Jahr einen weiteren hochrangigen Beamten dingfest machen können.
Bei der Politik schrillen die Alarmglocken
Der Kokainboom versetzt die Politik bereits in Alarmzustand. Die Niederlande, wo die Mafia den prominenten Kriminalreporter Peter R. de Vries ermordete, dient als Warnung. Dort wurde sogar Kronprinzessin Amalia bedroht. Sie verließ zeitweilig das Land und studierte in Madrid. Mit einem neuen Gesetz namens "Frankreich aus der Drogenfalle befreien" will Paris verhindern, dass die organisierte Kriminalität staatliche Strukturen unterwandert und beschädigt.
Auch Spaniens Innenminister Fernando Grande-Marlaska kündigte jüngst eine Verstärkung des Kampfes an. Trotz großer Investitionen und fortschrittlicher Technologien sei es aber äußerst schwierig, den Schmuggel insbesondere von Kokain vollständig zu verhindern, räumte er ein. Optimismus klingt anders.