Rennsteig-Gemeinden Bewundernde Blicke ins Fichtelgebirge

Veronika Schadeck
Die neue Wasserstoffanlage am Energiepark 1 in Wunsiedel. Mitte September soll dort die größte bayerische Anlage für die Erzeugung von grünem Wasserstoff in Betrieb gehen. Foto: Veronika Schadeck

Die Stadtwerke Wunsiedel setzen auf erneuerbare Energien aus der Region. Zum Beispiel auf grünen Wasserstoff. Das weckt nun auch am Rennsteig Interesse.

 
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Ein Gesamtkonzept für die Erzeugung von erneuerbaren Energien könnte ein wichtiger Baustein für eine künftige nachhaltige und unabhängige Energieversorgung am Rennsteig sein und somit auch rund 8000 Arbeitsplätzen sichern. Dazu gehört – ähnlich wie in Wunsiedel – ein Energiemix aus Wind, Solarenergie, Holzpellets wie auch eine Wasserstoffanlage. Das ist das Fazit einer Veranstaltung mit Bürgermeistern der Rennsteiggemeinden Steinbach am Wald, Ludwigsstadt und Tettau sowie Vertretern der Glasindustrie in Wunsiedel. Dort wird Mitte September die größte bayerische Anlage für die Erzeugung von grünem Wasserstoff in Betrieb gehen.

Der Elektrolyseur von Siemens Energy liefert eine Leistung von knapp neun Megawatt und soll aus Ökostromüberschüssen jährlich bis zu 1350 Tonnen des treibhausgasneutralen Wasserstoffs erzeugen. Seit rund 20 Jahren setzen die Wunsiedler auf erneuerbare Energiequellen aus der Region. Der Motor des Projekts „WUNsiedler Weg Energie 2.0“ ist der Geschäftsführer der Stadtwerke Wunsiedel (SWW), Marco Krasser.

Neuausrichtung

Kurz bevor er vor mehr als 20 Jahren Geschäftsführer des kommunalen Energieversorgers geworden war, hatte man die Energiemärkte liberalisiert. Krasser gelang es, den Stadtrat von Wunsiedel und den Aufsichtsrat der SWW von der Notwendigkeit einer Neuausrichtung des Unternehmens zu überzeugen. Dabei, so erklärte er, habe man auch den gesellschaftlichen Auftrag berücksichtigt – nämlich die Bürger dauerhaft kostengünstig, zuverlässig und umweltfreundlich mit Energie zu versorgen, wie es die bayerische Verfassung den Kommunen vorschreibt. Entwickelt wurde das Strategiepapier „WUNsiedler Weg Energie 2.0“, in dem vor allem die Vision einer nachhaltigen Energieversorgung aus eigener Kraft forciert wird. Das Ziel ist es, eine regionale Energiewirtschaft mit ausschließlich erneuerbaren Energien und nachwachsenden Rohstoffen aus der Region aufzubauen.

Vernetzt denken

Mittlerweile wurde die „ZukunftsEnergie Nordostbayern GmbH“ gegründet und hat mehrere kommunale Gesellschafter. Befasste man sich noch vor zehn Jahren vor allem mit Windkraft, so ist das Unternehmen nun mit allen Aufgaben rund um die Energiezukunft betraut. „Wir müssen vernetzt denken“, ist Krasser überzeugt. Eingesetzt werden für die Erzeugung von erneuerbaren Energien neben dem Wind auch Fotovoltaik und Holzpellets. Gebündelt werden Wissen und Kompetenzen, und die Kommunen können darauf zurückgreifen, um jeweils an ihre Standortbedingungen angepasste Lösungen für eine regionale Energieversorgung zu finden. Auch der Grad an Unabhängigkeit ist gestiegen, was für Betriebe und Haushalte eine gewisse Sicherheit bei der Energieversorgung bedeute, sagte der Geschäftsführer.

Klimaneutral

Für die Realisierung der neuen Wasserstoffanlage haben sich die SWW mit der Siemens Financial Services und Rießner Gase zu „WUN H2“ zusammengetan. Der Elektrolyseur – hier wird mithilfe von überschüssigem grünen Strom Wasser in die Gase Wasserstoff und Sauerstoff gespalten – kommt von Siemens Energy. Klimaneutral ist der Wasserstoff deshalb, weil für die Erzeugung ausschließlich Ökostrom aus der Region verwendet wird. Und auch die Abnehmer sind vorhanden, erklärte Matthias Becker von der Siemens AG.

Es sind vor allem Industriebetriebe in Oberfranken, Thüringen, der Oberpfalz sowie Sachsen und Westböhmen. Daneben, erläuterte er, soll Wasserstoff auch dabei helfen, das Stromnetz zu stabilisieren. Eine weitere Option ist eine öffentliche Wasserstoff-Tankstelle für Lastwagen und Busse.

Für Krasser steht fest, dass – anders als in der Energiewelt der Vergangenheit – in Zukunft viele Akteure, eingebettet in einem Gesamtkonzept, regionale Energie produzieren müssen. Dies könnte auch ein Weg für die Unternehmen und die Bürger am Rennsteig sein. Die „Gretchenfrage“ sei, ob jedes Unternehmen seine eigene Energie herstellt oder ob diese im Rahmen eines Gesamtkonzepts geliefert wird.

Dezentrales Energiesystem

Matthias Becker zeigte mögliche Szenarien für den Rennsteig auf. Dazu zählen unter anderem eine dezentrale Energieversorgung auf Basis der erneuerbaren Energien Wind und Fotovoltaik, die Prüfung von Hybridwannen, der Einsatz von Wasserstoff als mittelfristiger Ersatz für Erdgas sowie die Einbindung von Mobilität und Energiespeichern. Er sprach davon, dass der nördliche Frankenwald ideale durchschnittliche Windgeschwindigkeiten für den Betrieb von Windkraftanlagen biete. Für die Kommunen sei ein Zubau von Windenergie eine Chance für eine lokale Wertschöpfung, die in einem dezentralen Energiesystem umgesetzt werden könnte.

„Ich bin stark beeindruckt“, so der Technische Leiter von Gerresheimer Tettau, Maik Rosemann. Der Knackpunkt sei aber, dass die Glashütten 24 Stunden und 365 Tage im Jahr Energie benötigen. Dafür reiche die Leistung einer Wasserstoffanlage mit Wind- und Solarpark nicht aus. Für ihn und auch für die weiteren Vertreter der Glasindustrie, so war zumindest den Aussagen zu entnehmen, ist eine Elektrobefeuerung der Schmelzwannen die Zukunft.

Wunsiedel als Vorbild

Der Tettauer Bürgermeister Peter Ebertsch und sein Steinbacher Kollege Thomas Löffler sprachen sich für die Nutzung verschiedener Energiequellen und Maßnahmen aus, um die Versorgung am Rennsteig sicherzustellen. Für Ebertsch gehört das Pumpspeicherwerk in Goldisthal/Thüringen ebenfalls in ein Energiekonzept, zumal die heimische Glasindustrie auch im benachbarten Thüringen mit Standorten vertreten ist. Ein Problem sei aber, dass es bisher keine länderübergreifenden Netzleitungen gebe.

Der Termin im Fichtelgebirge war auf Initiative von Hans Rebhan, Vorsitzender des IHK-Gremiums Kronach, zustande gekommen. „Wunsiedel ist ein Vorbild“, sagte er bewundernd.

Rebhan wies darüber hinaus auf die Taskforce-Gruppe hin, die sich mit dem Thema Energieversorgung und dem künftigen Modellprojekt Franken/Thüringen befasst. Die Mitglieder sollen unter anderem Wege für die Realisierung einer Modellregion Franken/Thüringen finden, in der es um eine sichere, unabhängige und nachhaltige Energieversorgung geht, aber auch darum, dass dabei die Wertschöpfung in der Region bleibt – wie in Wunsiedel. Das sei machbar, meinte Andreas Schmuderer von der Siemens AG. Die Transformation in Deutschland müsse gestartet werden. Man sollte sich aber beim Thema Wasserstoff nicht abhängig machen vom Import aus anderen Ländern, mahnte er. Denn die Ressourcen für eine hiesige Produktion seien vorhanden.

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