Renommierter Künstler Kunst trifft Kohle: Ausstellung in der Stockheimer Rentei

Sabine Raithel

In der historischen Rentei Stockheim lässt der Berliner Künstler Philipp Eyrich Kohle neu erstrahlen: Mit seiner „Kohlemühle“ und Installationen aus Kohlenstaub und Licht beleuchtet er die Vergangenheit der Kohleförderung und stellt Fragen zu gesellschaftlichen Veränderungen und Natur.

Der Künstler Philipp Emanuel Eyrich in seinem „Atelier auf Zeit“. In der Stockheimer Rentei hat sich der Künstler einen Monat lang intensiv mit der umliegenden Natur und vor allem mit dem Werkstoff Kohle beschäftigt. Foto: /Sabine Raithel

Das eindrucksvolle Geräusch von polternden Steinen hat einen gewissen Rhythmus und füllt das gesamte Gebäude. Geht man ihm nach, entdeckt man eine kurios wirkende Maschine, die irgendwie aus der Zeit gefallen scheint: In einer durch einen elektrischen Motor betriebenen Edelstahltrommel werden Kohlebrocken herumgeschleudert. Durch diesen Prozess zerfallen sie in kleine und kleinste Bestandteile und am Ende fällt feiner Kohlenstaub in eine Schütte. Spätestens hier wird dem Besucher der Stockheimer Rentei klar, worum sich hier alles dreht: Kohle. Und um mehr. Denn der Berliner Künstler Philipp Emanuel Eyrich ist nicht nur ein genauer Beobachter transformativer Prozesse, er hat auch eine wichtige Botschaft.

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Kohle – ein faszinierender Werkstoff

Der 35-jährige akademische Bildhauer hat im Rahmen des Projekts „Das Mobile Atelier“ des Berufsverbands Bildender Künstler (BBK) in Bayern einen Monat lang in Stockheim gearbeitet. Sein Atelier auf Zeit war in der frisch sanierten Stockheimer Rentei untergebracht. Das 1847 erbaute und historisch bedeutsame Gebäude, einst Zentrale der Steinkohlenzeche „St. Katharina“, wurde seit 2019 restauriert und erst vor Kurzem fertiggestellt. Das architektonische Leuchtturmprojekt dient jetzt als vielseitige Kultur- und Begegnungsstätte. In Anmutung und Funktion vereint es Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Eyrich hat diese Aspekte in seine Arbeit aufgenommen.

„Es sind verschiedene Kriterien, die mich an diesem Projekt gereizt haben“, berichtet der Künstler. „Zum einen ist da die Lage am Grünen Band, am ehemaligen Eisernen Vorhang, und zugleich in einer beeindruckenden Mittelgebirgslandschaft. Da ist das prägende Element Wald, zu dem ich einen besonders intensiven Bezug habe. Und zum anderen ist da die Kohle. Ein faszinierender Werkstoff.“ Abgebaut wurde Steinkohle untertage bei Erbendorf und Stockheim-Reitsch. Der Abbau in Stockheim wurde 1582 erstmals erwähnt. Das letzte und bedeutendste Bergwerk, die Katharinenzeche, war von 1756 bis 1968 in Betrieb. Das heute noch sichtbare Stockheimer Steinkohleflöz zählt zu Bayerns schönsten Geotopen.

Viele Gespräche mit den Stockheimern

Bei langen Spaziergängen durch die Gegend und vielen Gesprächen mit Menschen in Stockheim hat sich Eyrich intensiv mit dem Thema Steinkohle und seiner Historie im Landkreis Kronach auseinandergesetzt. „Es ist auch die Geschichte des Wandels. Bis durch Karbonisieren von Pflanzenresten ein schwarzes, festes Sedimentgestein entsteht, ist ein langer Transformationsprozess notwendig. Um Wärme zu erzeugen, ist wiederum Transformation durch Verbrennung erforderlich. Der Aufstieg der Kohle und der Ausstieg aus der Kohleförderung ist eng verbunden mit einem fundamentalen gesellschaftlichen Wandel“, resümiert der Künstler. „Worum es mir geht ist, den Kreislauf von Zerfall aber auch das daraus resultierende Entstehen von Neuem mit den Mitteln der Kunst darzustellen.“

Und das zeigt Eyrich am kommenden Wochenende in einer Werkschau, an deren Anfang seine selbst geschaffene „Kohlemühle“ steht. Im Dachgeschoss der Rentei wird er mit großen Leintüchern eine Art Stollen nachempfinden. Integrativer Bestandteil seiner Installation ist dabei eine Reihe von Zeichnungen, die von mehr als 20 Stockheimer Kindern im Vorschulalter gestaltet wurden. Für dieses Projekt hatte der Künstler dicke Kohlestifte aus Kohlenstaub, Wachs und Leinöl selbst hergestellt.

Die Kinder hat der ausgebildete Pädagoge dazu angeleitet, ihre Träume auf große Leintücher zu malen. „Für die einen waren das Traktoren, Häuser oder auch die Oma. Ich habe den Kindern bewusst maximalen Freiraum gelassen und wenig Vorgaben gemacht.“ Eyrich kombiniert diese Arbeiten mit eigenen Kohlepaintings und einer Lichtinstallation.

/Foto: Sabine Raithel

Im Freiland, in der Nähe der ehemaligen Zonengrenze, hat er einen Rundweg mit Installationen geschaffen: Abstrakte Äste aus Leinen und Wachs hängen an Bäumen. Friedensflaggen an vom Klimawandel und Borkenkäfer zerstörten Bäumen erinnern an Schlachtfelder und mahnen zur Umkehr. Astaugen, die er auf seinen langen Wanderungen durch die Gegend gefunden hat, hat er in Alu gegossen. „Inspiriert durch diese Objekte möchte ich den Betrachter dazu einladen, sich empathisch in das Wesen der Bäume hineinzufühlen. Wie empfindet das Lebewesen Baum sein Werden und Vergehen? Wie empfindet er den vom Menschen provozierten Klimawandel und dessen für alle existenzielle Folgen?“

Eyrich betont: „Bei aller Fassungslosigkeit angesichts der Zerstörung von Natur - es geht mir nicht um Schwarzmalerei. Ich möchte zum Nachdenken und zu einem gemeinsamen Werte geleiteten, gesellschaftlichen Diskurs anregen. Und ich möchte zeigen, dass die Natur durch ihre transformative Kraft in der Lage ist, sich immer wieder neu zu erschaffen. Und diese Kraft zur Weiterentwicklung hat auch unsere menschliche Gesellschaft. Um diesen Prozess anzustoßen braucht es eine Reflexion über unsere Haltungen aber auch Träume und Visionen.“

Die Ausstellung unter dem Titel „Before you beam, you have to dream“ ist am 9. und 10. November in der Rentei Stockheim, Bergwerkstraße 49, jeweils von 14 bis 19 Uhr zu sehen. Die Vernissage findet am Samstag, 9. November, 14 Uhr statt. Die Installationen im Freiland sind bis zum 17. November zu sehen.