Dass die Sache dann insgesamt doch nicht ganz so einfach war, macht die ausführliche Vorgeschichte des Falls schnell deutlich. Über den fehlenden Gemeinderatsbeschluss hinaus hätte es in dem Verwaltungsakt allerdings noch weitere fragwürdige Punkte gegeben, wie die Berichterstatterin der Kammer ausführte: So handelte es sich nach Auffassung des Gerichts bei dem 2006 zwischen den Salmsdorfer Bürgern und der Marktgemeinde einvernehmlich geschlossenen Vertrag nicht um einen Ablösevertrag, wie von der Verwaltung vor Gericht geltend gemacht werden sollte, sondern um eine privatrechtliche Vereinbarung über einen Baukostenzuschuss. Dieser sei laut Protokoll von 2016 auch nicht gewollt gewesen, so die Berichterstatterin: Auch „damit wäre die Abrechnung rechtswidrig.“
Zum Zweiten habe der Gemeinderat den Vertrag von 2006 zwar per Beschluss wieder aufgehoben. Dadurch entfalle zwar die Wirksamkeit des Vertrags, aber nicht die Willenserklärung dahinter. Zum Dritten seien die Abrechnungen auf Grundlage einer Mustersatzung erfolgt, die zum 5. Dezember 2016 noch gar nicht bestand, also erst nachträglich beschlossen wurde. Und zum Vierten hätte den Salmsdorfer Bürgern vor dem Erlass der Bescheide eine Möglichkeit zur Anhörung zugestanden. Wäre diese Möglichkeit versehentlich verwehrt worden, hätte es sich um einen Verfahrensfehler gehandelt. Doch „hier wurde nichts versehentlich ausgelassen, sondern man hat bewusst davon abgesehen – aus Zeitgründen“, machte die Berichterstatterin deutlich.
Im Anschluss an den Prozess zeigten sich nicht nur Kläger Gerhard Schneider und Anwalt Matthias Schneider sowie BIGS-Vorsitzender Günther Vetter erleichtert von dem Urteil, sondern auch Bürgermeister Steffen Kropp. „Wir sind damals überfahren worden im Gemeinderat, dass es so schnell gehen musste und wollten das auch nicht“, erklärte der Bürgermeister zum Vorgehen von 2016. Nun sei er froh über das Urteil des Gerichts. Denn „wenn Fehler gemacht worden sind, egal von welcher Seite, sollen sie nicht auf den Rücken der Bürger ausgetragen werden“, erklärte Kropp im Verhandlungssaal.
Man werde nun einen neuen Gemeinderatsbeschluss herbeiführen, so der Rentweinsdorfer Bürgermeister in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsangestellten der Verwaltungsgemeinschaft Ebern, Josef Müller. „Der Beschluss soll lauten, dass der Vertrag von 2006 beibehalten wird“, erklärte Kropp. Damit würde es bei den bereits getätigten Baukostenzuschüssen der Anlieger bleiben, die Nachforderungen aus 2016/2017 würden zurückerstattet beziehungsweise aufgehoben.
Eine langer Rechtsstreit
Zur Vorgeschichte:
• Im Zuge der Dorferneuerung Salmsdorf einigen sich die Salmsdorfer Bürger und die Marktgemeinde Rentweinsdorf 2006 mittels eines Vertrages auf eine festgeschriebene Beitragshöhe der jeweiligen Anlieger als Kostenbeteiligung zum Straßenausbau. Eventuelle Mehrkosten, die im Zuge der Dorferneuerung noch auftreten sollten, will demnach die Gemeinde Rentweinsdorf tragen. Auch der Gemeinderat stimmt dem Vertragswerk zu.
• 2016 moniert der Bayerische Kommunale Prüfungsverband die entstandenen Mehrkosten. Wörtlich schreibt er: Der Vertrag „dürfte“ nichtig sein.
• Auf Grundlage des Prüfungsergebnisses erlässt die Verwaltung im Dezember 2016 Beitragsbescheide für die Salmsdorfer Anlieger nach der damals noch bestehenden Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs). Die Verwaltung stuft den Akt als laufendes Verfahren ein, ein neuer Gemeinderatsbeschluss erfolgt nicht.
• Viele Salmsdorfer Anlieger sehen sich damit mit teils fünfstelligen Gebührenforderungen konfrontiert. Insgesamt sind 24 Haushalte betroffen. Zum 31. Dezember 2016 wären die Gebühren verjährt und hätten damit auch nicht mehr rückwirkend eingefordert werden können.
• In der Folge gründet sich die Bürgerinititiave Gebührenbescheide Salmsdorf (BIGS). Etliche Salmsdorfer legen Widerspruch gegen die Bescheide ein und beantragen, dass die Vollziehung ausgesetzt wird. Die Gemeinde Rentweinsdorf lehnt die Widersprüche ab, gibt der Aussetzung aber statt.
• Der Fall geht weiter ans Landratsamt Haßberge, von wo es jedoch ebenfalls einen negativen Bescheid für die Salmsdorfer gibt.
• Zum 1. Januar 2018 werden Beiträge zum Straßenausbau in Bayern komplett abgeschafft. Ein Härtefallfonds wird eingerichtet. Etliche Bürger aus Salmsdorf stellen hier als Privatpersonen Anträge. Auch die BIGS bietet hierbei laut Vorsitzendem Günther Vetter Hilfe an.
• Darüber hinaus entscheidet man sich vor Gericht zu ziehen, „also zweigleisig zu fahren“, erklärt Günther Vetter. Als Kläger tritt Gerhard Schneider als Privatperson gegen die Marktgemeinde auf. Sein eigener Gebührenbescheid beläuft sich zwar nur auf rund 2800 Euro und liegt damit am unteren Ende der Gebühren, die teils von der Verwaltung veranschlagt wurden. Doch die Prozesskosten berechnen sich nach dem Streitwert und Gerhard Schneider sieht sich mit seinem Anwalt Matthias Schneider lediglich als Musterkläger. Vom Urteil des Verwaltungsgerichts erhofft man sich nicht nur eine Entscheidung im konkreten Fall, sondern ein Grundsatzurteil, das auch Auswirkungen auf alle anderen Gebührenbescheide in Salmsdorf hat. Das wird mit dem Urteil von Mittwoch erreicht.