Rentweinsdorf/Salmsdorf Gebührenbescheide sind rechtswidrig

Pia Bayer
Die Salmsdorfer Bürger sollten an Mehrkosten beteiligt werden, die im Zuge des Straßenausbaus im Rahmen der Dorferneuerung angefallen waren. Das Gericht widerspricht. Foto: NP Archiv/Günther Geiling

Paukenschlag vor dem Verwaltungsgericht Würzburg: Die 2016 von der Gemeinde Rentweinsdorf erlassenen Bescheide um die Straßenausbaubeiträge in Salmsdorf sind nicht gesetzeskonform. Die Erleichterung ist groß.

 
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Würzburg/Salmsdorf - „Die Bescheide sind rechtswidrig.“ – Mit diesem Satz machte der Vorsitzende Richter der 2. Kammer am Verwaltungsgericht Würzburg, Rudolf Emmert, in der Sitzung von Mittwoch in nur vier Worten klar, dass sich das Urteil, das er an diesem Tag zugunsten von Gerhard Schneider aus Salmsdorf und gegen die Marktgemeinde Rentweinsdorf fällte, auch auf alle anderen Gebührenbescheide zu Straßenausbaubeiträgen in Salmsdorf übertragen lässt. Aus der Musterklage, die Gerhard Schneider gegen die Marktgemeinde eingereicht hatte, entspringt damit das Grundsatzurteil, das sich die anwesenden Salmsdorfer Bürger, allen voran Günther Vetter, Vorsitzender der Bürgerinitiative Gebührenbescheide Salmsdorf (BIGS), erhofft hatten.

Streitsache waren Gebührenbescheide nach der Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs), die die Marktgemeinde Ende des Jahres 2016 verschickt hatte. Die Salmsdorfer Bürger sollten an Mehrkosten beteiligt werden, die im Zuge des Straßenausbaus im Rahmen der Dorferneuerung angefallen waren. Das Problem dabei: Die Salmsdorfer Bürger hatten mit der Marktgemeinde Rentweinsdorf 2006 einen Vertrag geschlossen, der sie explizit von der Übernahme solcher Mehrkosten ausgenommen hatte – dieser Vertrag war einvernehmlich und mit Zustimmung des Gemeinderats geschlossen worden.

Dennoch fühlte sich die Gemeindeverwaltung im Dezember 2016 nach einer Prüfung durch den Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband zu den Bescheiden gezwungen. Im gleichen Monat wären die Ansprüche der Gemeinde auf Gebühren verjährt. Die Widersprüche, die zahlreiche Salmsdorfer in der Folge gegen die Bescheide einlegten, sah auch das Landratsamt Haßberge als nicht berechtigt an. So die Vorgeschichte in Kürze.

„Es ist in diesem Verfahren schon genug geschrieben worden, was, vorsichtig gesagt, nicht so ganz richtig ist“, sagte dann der Vorsitzende Richter der 2. Kammer und Präsident des Verwaltungsberichts Würzburg, Rudolf Emmert, am Mittwoch direkt zu Beginn der Verhandlung – und nahm auch die Prüfungsergebnisse durch die Kommunale Prüfungsbehörde und das Landratsamt Haßberge nicht aus. In nur einer halben Stunde Verhandlungsdauer ließ er dann „eine positive Bombe“ für die Salmsdorfer platzen, wie es Bürgermeister Steffen Kropp im Anschluss nannte.

Der Kern des Urteils: Den Gebührenbescheiden fehlt die Rechtsgrundlage. Konkret stützte sich das Verwaltungsgericht Würzburg dabei auf einen einfachen Fakt: Vom 5. Dezember 2016 gibt es keinen Gemeinderatsbeschluss, deshalb sei der Bescheid nicht haltbar.

Dass die Sache dann insgesamt doch nicht ganz so einfach war, macht die ausführliche Vorgeschichte des Falls schnell deutlich. Über den fehlenden Gemeinderatsbeschluss hinaus hätte es in dem Verwaltungsakt allerdings noch weitere fragwürdige Punkte gegeben, wie die Berichterstatterin der Kammer ausführte: So handelte es sich nach Auffassung des Gerichts bei dem 2006 zwischen den Salmsdorfer Bürgern und der Marktgemeinde einvernehmlich geschlossenen Vertrag nicht um einen Ablösevertrag, wie von der Verwaltung vor Gericht geltend gemacht werden sollte, sondern um eine privatrechtliche Vereinbarung über einen Baukostenzuschuss. Dieser sei laut Protokoll von 2016 auch nicht gewollt gewesen, so die Berichterstatterin: Auch „damit wäre die Abrechnung rechtswidrig.“

Zum Zweiten habe der Gemeinderat den Vertrag von 2006 zwar per Beschluss wieder aufgehoben. Dadurch entfalle zwar die Wirksamkeit des Vertrags, aber nicht die Willenserklärung dahinter. Zum Dritten seien die Abrechnungen auf Grundlage einer Mustersatzung erfolgt, die zum 5. Dezember 2016 noch gar nicht bestand, also erst nachträglich beschlossen wurde. Und zum Vierten hätte den Salmsdorfer Bürgern vor dem Erlass der Bescheide eine Möglichkeit zur Anhörung zugestanden. Wäre diese Möglichkeit versehentlich verwehrt worden, hätte es sich um einen Verfahrensfehler gehandelt. Doch „hier wurde nichts versehentlich ausgelassen, sondern man hat bewusst davon abgesehen – aus Zeitgründen“, machte die Berichterstatterin deutlich.

Im Anschluss an den Prozess zeigten sich nicht nur Kläger Gerhard Schneider und Anwalt Matthias Schneider sowie BIGS-Vorsitzender Günther Vetter erleichtert von dem Urteil, sondern auch Bürgermeister Steffen Kropp. „Wir sind damals überfahren worden im Gemeinderat, dass es so schnell gehen musste und wollten das auch nicht“, erklärte der Bürgermeister zum Vorgehen von 2016. Nun sei er froh über das Urteil des Gerichts. Denn „wenn Fehler gemacht worden sind, egal von welcher Seite, sollen sie nicht auf den Rücken der Bürger ausgetragen werden“, erklärte Kropp im Verhandlungssaal.

Man werde nun einen neuen Gemeinderatsbeschluss herbeiführen, so der Rentweinsdorfer Bürgermeister in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsangestellten der Verwaltungsgemeinschaft Ebern, Josef Müller. „Der Beschluss soll lauten, dass der Vertrag von 2006 beibehalten wird“, erklärte Kropp. Damit würde es bei den bereits getätigten Baukostenzuschüssen der Anlieger bleiben, die Nachforderungen aus 2016/2017 würden zurückerstattet beziehungsweise aufgehoben.

Eine langer Rechtsstreit

Zur Vorgeschichte:
• Im Zuge der Dorferneuerung Salmsdorf einigen sich die Salmsdorfer Bürger und die Marktgemeinde Rentweinsdorf 2006 mittels eines Vertrages auf eine festgeschriebene Beitragshöhe der jeweiligen Anlieger als Kostenbeteiligung zum Straßenausbau. Eventuelle Mehrkosten, die im Zuge der Dorferneuerung noch auftreten sollten, will demnach die Gemeinde Rentweinsdorf tragen. Auch der Gemeinderat stimmt dem Vertragswerk zu.

• 2016 moniert der Bayerische Kommunale Prüfungsverband die entstandenen Mehrkosten. Wörtlich schreibt er: Der Vertrag „dürfte“ nichtig sein.

• Auf Grundlage des Prüfungsergebnisses erlässt die Verwaltung im Dezember 2016 Beitragsbescheide für die Salmsdorfer Anlieger nach der damals noch bestehenden Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs). Die Verwaltung stuft den Akt als laufendes Verfahren ein, ein neuer Gemeinderatsbeschluss erfolgt nicht.

• Viele Salmsdorfer Anlieger sehen sich damit mit teils fünfstelligen Gebührenforderungen konfrontiert. Insgesamt sind 24 Haushalte betroffen. Zum 31. Dezember 2016 wären die Gebühren verjährt und hätten damit auch nicht mehr rückwirkend eingefordert werden können.

• In der Folge gründet sich die Bürgerinititiave Gebührenbescheide Salmsdorf (BIGS). Etliche Salmsdorfer legen Widerspruch gegen die Bescheide ein und beantragen, dass die Vollziehung ausgesetzt wird. Die Gemeinde Rentweinsdorf lehnt die Widersprüche ab, gibt der Aussetzung aber statt.

• Der Fall geht weiter ans Landratsamt Haßberge, von wo es jedoch ebenfalls einen negativen Bescheid für die Salmsdorfer gibt.

• Zum 1. Januar 2018 werden Beiträge zum Straßenausbau in Bayern komplett abgeschafft. Ein Härtefallfonds wird eingerichtet. Etliche Bürger aus Salmsdorf stellen hier als Privatpersonen Anträge. Auch die BIGS bietet hierbei laut Vorsitzendem Günther Vetter Hilfe an.

• Darüber hinaus entscheidet man sich vor Gericht zu ziehen, „also zweigleisig zu fahren“, erklärt Günther Vetter. Als Kläger tritt Gerhard Schneider als Privatperson gegen die Marktgemeinde auf. Sein eigener Gebührenbescheid beläuft sich zwar nur auf rund 2800 Euro und liegt damit am unteren Ende der Gebühren, die teils von der Verwaltung veranschlagt wurden. Doch die Prozesskosten berechnen sich nach dem Streitwert und Gerhard Schneider sieht sich mit seinem Anwalt Matthias Schneider lediglich als Musterkläger. Vom Urteil des Verwaltungsgerichts erhofft man sich nicht nur eine Entscheidung im konkreten Fall, sondern ein Grundsatzurteil, das auch Auswirkungen auf alle anderen Gebührenbescheide in Salmsdorf hat. Das wird mit dem Urteil von Mittwoch erreicht.

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