Robert Reiter im Kunstverein Coburg Der Fährtensucher

Robert Reiter in allen Räumen: Der Coburger Kunstverein zeigt die Ausstellung „Fernen folgen – Spuren setzen.“ Ein Schwerpunkt liegt auf den Materialbildern.

 
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Coburg - „Unser Coburger Urgestein aus Untersiemau“ nennt ihn der Kunstverein mit liebevollem Respekt auf seiner Homepage – ein treffliches Bild in vielfacher Hinsicht. Mit 89 Jahren ist Robert Reiter nicht nur der Grandseigneur der regionalen Kunstszene, sondern geradezu ihr Monolith. Sein Werk ist immens, seine Schaffenskraft längst nicht erschöpft, seine Handschrift ist kraftvoll und markant. Das Steinige, das Erdige, das Elementare prägt seine Werke, ihn reizt nicht die glatte Idylle, sondern die raue Wahrheit der Natur, ihre Brüche, Wunden, Narben, die Zeitläufte und Menschenhand hinterlassen haben.

Als Landschaftsmaler ist Robert Reiter weithin bekannt, seine atmosphäregeladenen Früchte langer Wanderungen durch fränkische und mediterrane Gefilde wurden vielfach gezeigt, auch seine zeichnerische und grafische Beschäftigung mit Architektur. Bislang minder beachtete Facetten von Reiters Werk rückt jetzt der Coburger Kunstverein in den Fokus: Die Ausstellung „Fernen folgen – Spuren setzen“ zeigt den Maler und Grafiker im Spannungsfeld zwischen Figuration und Ab-straktion und legt den Schwerpunkt auf seine Materialbilder.

„Sie sind seine persönlichsten Arbeiten“, meint Nicole Guether, die Kuratorin der Ausstellung, die alle Räume des Kunstverein-Pavillons füllt. Als „temporäre Coburgerin“ ging die Kunsthistorikerin aus Berlin ganz unbefangen zu Werke, besuchte Robert Reiter in seiner Werkstatt, lernte seine Familie kennen, sichtete das – trotz der Verluste nach einem Brand – umfangreiche Werk und stürzte sich mit Leidenschaft in die Konzeption der Schau. Nicht als Retrospektive ist sie gedacht, sondern als Würdigung mit erweitertem Blickwinkel: „Er ist ein großer Künstler der Abstraktion“, betont Guether.

Sie zeigt gleichwohl „den ganzen Reiter“, Malerei, Druckgrafik, Zeichnung aus fünf Jahrzehnten – keineswegs chronologisch arrangiert, denn Reiters Werk lässt sich nicht in Schaffensphasen parzellieren: „Er greift frühere Arbeitsweisen immer wieder auf“, so Guether.

Die stilistische Bandbreite steckt das Intro der Ausstellung an einer einzigen Wand ab: vom Porträt seiner Ehefrau Anneliese Rath-Reiter über ein Stillleben und abstrahierende Landschaft bis hin zur Assemblage. Die Abstraktion setzt Reiter in unterschiedlichen Graden ein: „Wir sehen keine Landschaft, sondern Bilder, die von Landschaft ausgehen“, erläutert die Kuratorin und verweist auf die „Geste des Mutwilligen“, die gegenständliche Sujets in nebelige Farbfelder auflöst und die Farbe „zum Ausdrucks- und Stimmungsträger“ macht. Die Ausstellungsmacherin greift Reiters Farbenspektrum gestalterisch auf: Im Saal präsentiert sie Gemälde auf „itz-rosa“ getünchter Wand, im Studio vor blauem Hintergrund.

In der Apsis hingegen hängt der Himmel voller Säcke: Gebrauchte Leinensäcke, in denen vor 80, 90 Jahren Malz, Getreide oder auch Briefe transportiert wurde. Nicole Guether hat sie um ein doppelseitiges Selbstporträt des jungen Robert Reiter zu einer Installation drapiert, um den zentralen Aspekt der Ausstellung hervorzuheben: Oftmals verwendet Reiter altes Sackleinen als Bildträger, integriert dessen Texturen, Risse, Flicken und Aufdrucke in seine Landschaftskompositionen. In seinen „Knautschbildern“ (O-Ton Guether) wird das geraffte grobe Gewebe selbst zur furchigen Landschaft, und der Künstler geht noch weiter in seinen Collagen und Assemblagen: Am Ende lässt er das pure Material als Zeitzeuge selbst sprechen. Die Geschichte, die in „arme“ Materialien eingeschrieben sind, kennt Reiter aus eigenem Erleben: Sein Großvater war Kleinbauer; Krieg und Flucht waren von Not geprägt, Jutesäcke dienten nicht nur zum Transport von Hab und Gut: Ein aus einem Sack gefertigter Poncho hängt denn auch als bewusste „Bildstörung“ mitten im Blickfeld der Galerie.

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