Das in ihren Augen widerliche Herrschaftsvokabular habe ihr anfangs große Probleme beim Textlernen bereitet. Damals hätte sich noch niemand vorstellen können, wie erschreckend präsent die Thematik würde – durch den kurz darauf begonnenen Krieg in der Ukraine.
Auch für die weiteren Darsteller Bernd Berleb, Artur Hieb, Gerald Leiß, Volker Figge, Gregor Nöllen und Lukas Reinsch bedeutet die wechselnde Rollenverteilung eine große Umstellung. „Man geht ja zu beiden unterschiedliche Beziehungen ein“, meint „Leceister“ Bernd Berleb, da beide jeweils ganz eigene Aspekte in die Rolle einbrächten. Sich so kurzfristig darauf einzustellen und zu reagieren, das sei durchaus herausfordernd. Eine besondere Konstellation ergebe sich beim gleichzeitigen Agieren der beiden Königinnen, sind sich Sabine Rossbach und Katja Klemt einig. Beim Miteinander-Sprechen und Anschauen sei es so, als wenn man sich selbst beziehungsweise sein Spiegelbild im Gegenüber sehe – ein verwirrendes Gefühl.
Eine solche Begegnung der beiden Herrscherinnen habe es in Wirklichkeit nie gegeben, weiß Anja Dechant-Sundby. Schiller habe dieses Mittel als Spannungspol und Höhepunkt eingebaut, um damit den Konflikt zu verschärfen. Frei nach dem Motto „Was wäre gewesen, wenn?“ steht dabei im Raum, ob ein Aufeinandertreffen von Angesicht zu Angesicht den Konflikt verändert hätte. Wohl eher nicht, meint die Regisseurin. Maria hätte die Chance gehabt, ihr Schicksal zu wenden; hätte sich aber aus Stolz sicherlich nicht unterworfen. Elisabeths Hauptproblem – die Weigerung Marias, ihren Ansprüchen auf den englischen Thron zu entsagen – hätte somit weiter bestanden. Selbst gefangen in der ihr aufgetragenen Rolle als Königin, hätte sie demnach selbst eine Zusammenkunft nicht davon abgebracht, das Urteil zu unterschreiben.
„Bei den beiden handelt es sich um zwei der interessantesten historisch belegten Frauenfiguren überhaupt“, sagt die Intendantin. Kaum einer habe ihre Komplexität so auf den Punkt gebracht wie Schiller. Sein Psychothriller um Macht, Neid, Hass und Menschlichkeit habe nichts an Aktualität eingebüßt. In dem von ihr textlich etwas verschlankten Schauspiel erlebe man nicht nur einen dramatischen Kampf verfeindeter Persönlichkeiten, sondern werde auch Zeuge, wie die beiden emanzipierten Frauen von ihrem machtbesessenen Umfeld zu Rivalinnen gemacht und gegeneinander ausgespielt werden. Es gehe um Manipulation, Recht und Gerechtigkeit – und letztlich auch um die Frage, wie menschlich Politik sein könne.