Gernot Weigelt baute danach die Glasbläserei behutsam, aber stetig aus. Neben heimischen Großhändlern belieferte er auch Kunden in Übersee. „Bis dahin dachten wir, Kugeln und Strohsterne am Weihnachtsbaum seien typisch deutsche Dekorationsartikel. Doch wir wurden eines Besseren belehrt. Die Amerikaner klärten uns auf, dass laut US- Zertifikat auch die Weihnachtsgurke am Christbaum definitiv aus Deutschland stammt“, berichtet Weigelt. Ein Stempel aus dem thüringischen Lauscha, wo die Weihnachtsgurke 1880 erfunden worden sein soll, habe dem Dokument höchste Glaubwürdigkeit verliehen. „The Christmas Pickle“ aus Rothenkirchen wurde dann auch ein Verkaufsrenner von New York bis San Francisco. Zwischen drei und zehn Dollar kostet dort so eine Glasgurke. „Und wie kann es anders sein: Über den großen Teich kommt irgendwann jeder Trend zu uns – im Fall der Weihnachtsgurke ging es dann eben quasi einmal retour“, schmunzelt Weigelt.
Im Laufe der Jahrzehnte produzierte Weigelt aber auch noch anderen exotischen Schmuck in seiner Glasbläserei, wie zum Beispiel eine Weihnachtsspinne. Und er ergänzt, dass er auch Orangen, Tomaten, Leuchttürme, Ballettschuhe und schwarz-rot-goldene WM-Kugeln aus Glas geformt habe und die in seiner Werkstatt kunstvoll bemalt wurden.
Bunte Glasvögel
Eine weitere Spezialität aus Rothenkirchen waren kleine, bunt bemalte Glasvögel, wovon er wohl über 100 verschiedene Arten anfertigte. Eine seiner Haupteinnahmequellen sei stets der Weihnachtsmarkt in Forchheim gewesen, den er mehr als 29 Jahre lang regelmäßig mit seinem Verkaufsstand besuchte. Für ihn selbst und seinen Betrieb sei natürlich das ganze Jahr über Weihnachtssaison gewesen. In der Regel begann er bereits im November mit der Herstellung der Artikel für das Weihnachtsfest im darauffolgenden Jahr.
Weigelt erzählt aber auch von der Veränderung des Angebots und des Verbraucherverhaltens im Laufe der Zeit. Denn schon seit Ende der 90er-Jahre habe er immer mehr bei Messen und Ausstellungen feststellen müssen, dass Händler und Verbraucher mehr und mehr den Billigprodukten aus China den Vorzug gaben, „obwohl diese Produkte längst nicht unter den ökologischen Auflagen hergestellt werden wie hier in Europa“, bedauert der 68-Jährige. Er sei inzwischen zu der Erkenntnis gelangt, dass wohl der Prophet im eigenen Land nichts zähle. Pressigs Bürgermeister Stefan Heinlein schaute dem Glasbläser ebenfalls bei seinem letzten Arbeitstag noch einmal über die Schulter und dankte ihm für dessen jahrzehntelange Standorttreue zu Rothenkirchen und dem Markt Pressig. „Schade, dass es für dieses innovative und kreative Handwerk keinen Nachfolger gibt“, bedauerte das Gemeindeoberhaupt das Aus einer langen Ära.