Glasbläserei in Rothenkirchen Noch eine allerletzte Christbaumkugel

Karl-Heinz Hofmann
Gernot Weigelt wirft noch einmal den Bunsenbrenner an, um zu zeigen, wie schweißtreibend die Arbeit bei rund 1200 Grad Celsius war, um schöne mundgeblasene Dekorationsartikel aus Glasrohlingen zu formen. Über 50 Jahre lang war er in seiner Glasbläserei tätig. Foto: /Karl-Heinz Hofmann

1975 übernahm Gernot Weigelt die Glasbläserei in Rothenkirchen und baute sie aus. Bis in die USA verkaufte er seinen Weihnachtsschmuck. Nun aber setzt er sich zur Ruhe.

 
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Rothenkirchen - Die Glasbläserei Gernot Weigelt in Rothenkirchen hat ihre Pforten für immer geschlossen. Damit geht eine Ära zu Ende, in der in dem Ort wundervoller Weihnachtsschmuck gefertigt wurde. Den Handwerksbetrieb hatte Gernot Weigelt 1975 von seinem Vater Otto im Alter von 22 Jahren übernommen. Inzwischen ist er auch schon 68 Jahre alt und hat sich daher entschieden, den Betrieb stillzulegen.

Das Glasbläserhandwerk ist seit jeher von Kreativität geprägt. Für die Neue Presse präsentierte Gernot Weigelt dann auch noch ein letztes Mal, wie die kleinen, zerbrechlichen Schmuckstücke entstehen. Dabei zeigt sich einmal mehr: Es ist ein heißer Job. Bis zu 1200 Grad Celsius beträgt die Temperatur der Flamme, mit der der Glasrohling erhitzt wird. „Bei 1200 Grad schmilzt der Rohstoff wie ein Schneemann in der Sahara“, erzählt der 68-Jährige lachend, trotz einiger Schweißperlen auf der Stirn.

In manchen Jahren produzierte die Glasbläserei in Rothenkirchen pro Woche bis zu 20 000 Schmuckstücke für den Weihnachtsbaum. Mundgeblasen und handbemalt versteht sich. Und darunter befanden sich so manche Unikate. In vielen Jahren hatte der Betrieb über 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Gernot Weigelt erzählt indes, dass sein Vater 1951 von der Glasbläserstadt Lauscha in Thüringen nach Bayern geflohen sei. In Lauscha habe er sich schnell einen Namen gemacht – und zwar nicht nur als Glasbläser: Noch heute gelte er als Fußballlegende. Aber auch als Skispringer habe sein Vater schon in der DDR für Furore gesorgt.

Glasbläserei seit 1962

1962 gründete er dann in Rothenkirchen die eigene Glasbläserei, schließlich war ihm als Kind Lauschas das Glasmachen in die Wiege gelegt. Sein Sohn Gernot Weigelt lernte indes den Beruf des Werkzeugmachers. Doch er wuchs in der Werkstatt mit auf. So war es auch nicht verwunderlich, dass er – trotz einiger bürokratischer Hürden – 1975 den Betrieb des Vaters übernahm.

Gernot Weigelt baute danach die Glasbläserei behutsam, aber stetig aus. Neben heimischen Großhändlern belieferte er auch Kunden in Übersee. „Bis dahin dachten wir, Kugeln und Strohsterne am Weihnachtsbaum seien typisch deutsche Dekorationsartikel. Doch wir wurden eines Besseren belehrt. Die Amerikaner klärten uns auf, dass laut US- Zertifikat auch die Weihnachtsgurke am Christbaum definitiv aus Deutschland stammt“, berichtet Weigelt. Ein Stempel aus dem thüringischen Lauscha, wo die Weihnachtsgurke 1880 erfunden worden sein soll, habe dem Dokument höchste Glaubwürdigkeit verliehen. „The Christmas Pickle“ aus Rothenkirchen wurde dann auch ein Verkaufsrenner von New York bis San Francisco. Zwischen drei und zehn Dollar kostet dort so eine Glasgurke. „Und wie kann es anders sein: Über den großen Teich kommt irgendwann jeder Trend zu uns – im Fall der Weihnachtsgurke ging es dann eben quasi einmal retour“, schmunzelt Weigelt.

Im Laufe der Jahrzehnte produzierte Weigelt aber auch noch anderen exotischen Schmuck in seiner Glasbläserei, wie zum Beispiel eine Weihnachtsspinne. Und er ergänzt, dass er auch Orangen, Tomaten, Leuchttürme, Ballettschuhe und schwarz-rot-goldene WM-Kugeln aus Glas geformt habe und die in seiner Werkstatt kunstvoll bemalt wurden.

Bunte Glasvögel

Eine weitere Spezialität aus Rothenkirchen waren kleine, bunt bemalte Glasvögel, wovon er wohl über 100 verschiedene Arten anfertigte. Eine seiner Haupteinnahmequellen sei stets der Weihnachtsmarkt in Forchheim gewesen, den er mehr als 29 Jahre lang regelmäßig mit seinem Verkaufsstand besuchte. Für ihn selbst und seinen Betrieb sei natürlich das ganze Jahr über Weihnachtssaison gewesen. In der Regel begann er bereits im November mit der Herstellung der Artikel für das Weihnachtsfest im darauffolgenden Jahr.

Weigelt erzählt aber auch von der Veränderung des Angebots und des Verbraucherverhaltens im Laufe der Zeit. Denn schon seit Ende der 90er-Jahre habe er immer mehr bei Messen und Ausstellungen feststellen müssen, dass Händler und Verbraucher mehr und mehr den Billigprodukten aus China den Vorzug gaben, „obwohl diese Produkte längst nicht unter den ökologischen Auflagen hergestellt werden wie hier in Europa“, bedauert der 68-Jährige. Er sei inzwischen zu der Erkenntnis gelangt, dass wohl der Prophet im eigenen Land nichts zähle. Pressigs Bürgermeister Stefan Heinlein schaute dem Glasbläser ebenfalls bei seinem letzten Arbeitstag noch einmal über die Schulter und dankte ihm für dessen jahrzehntelange Standorttreue zu Rothenkirchen und dem Markt Pressig. „Schade, dass es für dieses innovative und kreative Handwerk keinen Nachfolger gibt“, bedauerte das Gemeindeoberhaupt das Aus einer langen Ära.

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