Verheerende Wirkung von Gleitbomben
Zuletzt setzte Russland nach ukrainischer Zählung täglich mehr als 100 Gleitbomben mit einem Gewicht von 250, 500 oder mehr Kilogramm gegen ukrainische Stellungen ein. Trotz der laut Berichten nicht sehr hohen Präzision werden durch die Detonationen Soldaten in einem größeren Umkreis kampfunfähig gemacht. Ausgebaute Befestigungen werden komplett zerstört.
Aufgrund der geringen Zahl an weitreichenden Flugabwehrsystemen, die auch ballistische Raketen abschießen können, sind auch russische Raketenschläge im ukrainischen Hinterland immer wieder erfolgreich. Seit Mitte März wurden mehrere Wärmekraftwerke und mindestens ein Wasserkraftwerk zumindest stark beschädigt. Für den Sommer wird bereits vor größeren Stromabschaltungen gewarnt.
Hoffen auf die Kontaktgruppe
Konkrete Zusagen für neue Luftverteidigungssysteme für die Ukraine gibt es bei dem EU-Treffen allerdings bisher nicht. Länder wie Spanien, Schweden, Italien und die Niederlande deuteten aber Unterstützungswillen für die deutsche Initiative an. Mit konkreten Ankündigungen wird spätestens bei der nächsten Sitzung der US-geführten Kontaktgruppe zur Koordinierung der internationalen Militärhilfe für die Ukraine gerechnet. Die Teilnehmer des sogenannten Ramstein-Formats wollen sich nach Angaben von Diplomaten am kommenden Freitagnachmittag per Videokonferenz zusammenschalten, wenn bis dahin das geplante neue US-Unterstützungspaket im Wert von 61 Milliarden US-Dollar (57 Milliarden Euro) endgültig beschlossen ist.
Dass das US-Repräsentantenhaus dem Hilfspaket am Wochenende nach langer Blockade zustimmte, wertete Außenministerin Baerbock als großen Durchbruch. "Das ist nicht nur ein guter und wichtiger Moment für die Ukraine, sondern das ist auch ein wichtiger Moment für die Sicherung der Europäischen Friedensordnung", sagte sie. Der russische Präsident Wladimir Putin nutze derzeit alle vorhandenen Mittel dafür, um die Ukraine zu zerstören und die europäische Friedensordnung anzugreifen.
Biden verspricht Selenskyj schnelle Unterstützung
Kurz vor der Abstimmung im US-Senat über ein neues Ukraine-Hilfspaket hat US-Präsident Joe Biden dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj schnelle Unterstützung in Aussicht gestellt. Biden habe mit seinem Amtskollegen telefoniert, hieß es in einer Mitteilung des Weißen Hauses. Sobald der Senat das Gesetz verabschiedet und Biden es unterzeichnet habe, werde seine Regierung "schnell neue Sicherheitshilfen bereitstellen, um den dringenden Bedarf der Ukraine auf dem Schlachtfeld und in der Luftverteidigung zu decken".
Die US-Hilfen würden demnach außerdem dazu beitragen, die finanzielle Stabilität der Ukraine aufrechtzuerhalten, kritische Infrastruktur in dem von Russland angegriffenen Land wieder zu errichten und Reformen für die Integration der Ukraine in den euro-atlantischen Raum voranzutreiben.
Kreml: US-Waffenhilfe wird Lage an der Front nicht ändern
Nach Darstellung des Kremls wird das Hilfspaket dagegen keine grundsätzliche Änderung auf dem Schlachtfeld herbeiführen. Die russischen Einheiten seien derzeit auf dem Vormarsch, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. "Natürlich führen die bereitgestellten Gelder und die Waffen, die von diesem Geld geliefert werden, nicht zu einer Änderung dieser Dynamik." Stattdessen würden sie zu mehr Opfern unter den Ukrainern und zu einer größeren Zerstörung führen, sagte er. Peskow warf den USA vor, sich an der Waffenhilfe für die Ukraine zu bereichern.
Moskau: Russische Armee erobert weiteres ostukrainisches Dorf
Die russischen Streitkräfte eroberten indessen nach eigenen Angaben in der Ostukraine ein weiteres Dorf. Es handele sich dabei um den Ort Nowomychajliwka im Donezker Gebiet, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Damit sei die taktische Lage verbessert worden. Nowomychaliwka befindet sich gut 20 Kilometer südwestlich von der unter russischer Kontrolle stehenden Gebietshauptstadt Donezk entfernt. Von ukrainischer Seite wurde die Eroberung nicht bestätigt. Im Generalstabsbericht war von zurückgeschlagenen Angriffen die Rede. Ukrainische Militärbeobachter hatten den Ort aber bereits in der Nacht als russisch kontrolliert gekennzeichnet.
Fernsehturm im ukrainischem Charkiw eingestürzt
In der ostukrainischen Großstadt Charkiw ist der Fernsehturm bei einem russischen Angriff stark beschädigt worden. Auf Videos in sozialen Netzwerken war zu sehen, wie die Spitze des 240 Meter hohen Turms in die Tiefe stürzte; auch eine Explosionswolke war zu sehen. Gebietsgouverneur Oleh Synjehubow bestätigte, dass ein "Fernsehinfrastrukturobjekt" getroffen worden sei.
"Es gibt derzeit Probleme mit dem digitalen Fernsehempfang", führte er aus. Menschen seien nicht zu Schaden gekommen. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen verwies auf alternative Empfangsmöglichkeiten für das Nachrichtenradio in der Region. Vorläufigen Angaben der Staatsanwaltschaft zufolge sei der Fernsehturm mit einer Luft-Boden-Rakete des Typs Ch-59 angegriffen worden.
Hamburgs Bürgermeister Tschentscher bei Klitschko in Kiew
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher und sein Kiewer Amtskollege Vitali Klitschko betonten derweil die Verbundenheit ihrer Städte in Zeiten des russischen Angriffskrieges. Nicht nur militärische Hilfe sei wichtig, sondern auch die zivile Unterstützung, sagte Klitschko bei dem Treffen im Kiewer Rathaus, bei dem Tschentscher drei Linienbusse der Hamburger Hochbahn als Gastgeschenk übergab. Der Besuch habe für die Bürgerinnen und Bürger Kiews auch eine symbolische Bedeutung. "Er zeigt, dass wir nicht allein sind", sagte Klitschko.
Tschentscher war am Morgen mit dem Zug in Kiew angekommen - als erster deutscher Landesregierungschef seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022.
Der Pakt für Solidarität und Zukunft, den Klitschko und er bereits wenige Wochen nach Kriegsbeginn für ihre Städte geschlossen hatten, sei nicht nur ein politisches Signal, sagte Tschentscher. "Gerade auf praktischer Ebene ist es wichtig in so einer schwierigen Situation, in der die Stadt Kiew ja immer noch Angriffsziel russischer Raketen und Drohnen ist, dass das normale Leben weitergehen kann."