Schloss Eyrichshof Max Giesinger zum Anfassen

Beim Rösler Open Air in Eyrichshof steht der Sänger fast mehr in der Besuchermenge als auf der Bühne.

 
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Wer in Zeiten von TikTok und Instagram sich „als Straßenmusiker den Arsch abgespielt hat“, um einmal auf einer großen Bühne stehen zu können, der hat wahrscheinlich diese ganz besondere Verbindung zum Publikum, die vielen Newcomern heute so oft fehlt. Max Giesinger jedenfalls bewies am Dienstagabend beim Rösler Open Air auf Eyrichshof, dass er keinerlei Berührungsängste hat, mit den Fans auf Tuchfühlung zu gehen. Mehr noch: Gefühlt verbrachte der 33-Jährige mehr Zeit auf dem mit rund 3000 Besuchern gut gefüllten Platz als bei seiner Band auf der Bühne.

Mit „Taxi“ und seinem als Abschlusslied bei Schulklassen beliebten „Legenden“ startete der gebürtige Baden-Württemberger um 20.30 Uhr den lauen Sommerabend in Eyrichshof. „Endlich wieder Konzerte“, freute sich nicht nur der Musiker und ging gleich nach den ersten beiden Songs hinunter zum Publikum. Der Wunsch eines treuen Fans nach einem gemeinsamen Foto (bereits das siebte Giesinger-Konzert!) wurde prompt erfüllt bevor er alle mit auf „Die Reise“ nahm. An Gefühlen und seiner eigenen Geschichte teilhaben zu lassen, davor schreckt er bekanntlich nicht zurück. So erzählt er nicht nur in seiner Musik offen von Kindheit und Trennung der Eltern und hält auch nicht hinterm Berg damit, dass es gerade das Fach Musik war, das ihm in der zehnten Klasse eine Ehrenrunde eingebracht hat. Trotz teurer Nachhilfe: „Ich habe viel gezweifelt“, so Giesinger. Irgendwann sei aus dem schüchternen Blümchen aber eine Pflanze aufgegangen. „Ich verspreche euch, wenn ihr lang genug an etwas dranbleibt, das ihr wirklich wollt, dann wird es auch kommen.“

In seinem Fall ist es der Erfolg als Sänger, Songwriter und Produzent. Als Finalist der Castingshow „Voice of Germany“ 2011 hat er das geschafft, was vielen anderen aus solchen Sendungen verwehrt bleibt: Man kennt sie auch noch Jahre später. Und idealerweise bringt man sie gar nicht mehr mit ihrer Teilnahme dort in Verbindung. Dass es auch für ihn keinen Show-Bonus gibt, zeigt sich darin, dass er sein erstes eigenes Album 2014 mit Hilfe einer Crowdfunding-Kampagne finanzieren musste. Und heute ist bei seinen Konzerten „der Laden voll“, wie er es formulierte und zu „Das Wunder sind wir“ anstimmte.

Neben der Hauptbühne und dem Besucherbereich hatte Giesinger in Eyrichshof auch an einer zweiten kleineren Bühne im Innenhof gefallen gefunden, zu der er gleich zwei Mal quer durch die Menge lief. Beim Reinhard-Mey-Cover „Über den Wolken“ war er wieder drin im Gemenge und von Fans und deren Smartphones umzingelt.

Nach „Wenn sie tanzt“, „Auf das, was da noch kommt“ und „Irgendwann“ gab es so etwas wie den heimlichen Höhepunkt des Abends. Und das war noch nicht der Song auf den alle warteten, sondern ein Abstecher nach Hamburg. Dort sind Max und seine Band nämlich Stammgäste in der Thai Oase. Klingt zwielichtig, ist aber eine kultige Karaoke Bar – und in der greift das Team regelmäßig zum Mikro, um Songs anderer nachzusingen. Ob das auch in Ebern geht? Tut es! Vom Publikum blind gezogen wurden der Dirty Dancing Song „Time of my life“ und „Sonne“ von Rammstein, die einerseits schmachtend und andererseits ohrenbetäubend interpretiert wurden. Kein Wunder also, dass, als sich die Musiker bereits kurz vor zehn Uhr verabschieden wollten, niemand bereit war, zu gehen. Als Nachschlag gab es stattdessen den „80 Millionen“-Song, mit dem es Max Giesinger ins Repertoire wohl fast aller deutscher Radiosender geschafft hat und ein „Für immer“ im Schein von tausenden Handytaschenlampen,

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