Schloss Gereuth Ein nicht ganz so stolzer Schlossbesitzer

Christian Schuster

Der Landkreis kauft das Schloss Gereuth, um es vor dem Einsturz zu bewahren. Damit soll aber kein Präzedenzfall für herrenlose Denkmäler geschaffen werden. Es soll ein Einzelfall bleiben.

 
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Der Landkreis Haßberge kauft das Alte Schloss im Untermerzbacher Ortsteil Gereuth, um Sicherungsmaßnahmen durchzuführen. Die Eigentümer sind nicht mehr greifbar und das historische Gebäude droht einzustürzen. Foto: Pia Bayer

Haßfurt - Es war wohl eine der umstritteneren Entscheidungen des Kreistags am vergangenen Montag. Sollte der Landkreis Haßberge das inzwischen herrenlose Alte Schloss in Gereuth kaufen, um es vor dem Verfall zu schützen (die NP berichtete vergangene Woche)? Die Entscheidung fiel letztlich zugunsten des Bauwerks aus. Per Akklamation stimmte eine Mehrheit der Kreisrätinnen und Kreisräte dafür, dass der Landkreis das gut 400 Jahre alte Baudenkmal zum Preis von einem Euro aus der Nachtragsliquidation der früheren Eigentümergesellschaft erwirbt – und damit der Eigentümer wird. Dagegen stimmten Harald Pascher, Bernhard Jilke (beide FDP/Freie Bürger), Christian Zehendner, Jonathan Eller (beide Junge Liste) und Claus Bittenbrünn (CSU).

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Bevor es zur Diskussion und Abstimmung kam verschaffte die Verwaltung dem Kreistag – pandemiebedingt seit Beginn des Jahres erstmals überhaupt wieder in Vollbesetzung – noch einmal einen Eindruck über den Zustand des Gebäudes. Regierungsrat David Filberich lenkte die Blicke der Anwesenden im großen Saal der Ganztagesstätte im Schulzentrum Haßfurt auf die Video-Leinwand: Zu sehen waren dort Bilder von klaffenden Löchern in der Ziegelabdeckung, vom Zahn der Zeit freigelegte Dachbalken, ja, der Dachstuhl selbst ist inzwischen stellenweise einen halben Meter abgerutscht. Was man laut Filberich nicht sehe: Bei einer Notsicherung im Jahr 2008 habe man bereits Verspannungen im Fundament angebracht. „Die sorgen dafür, dass das Gebäude nicht von unten auseinanderbricht.“

Auch wiederholte der Abteilungsleiter der Abteilung III Bau und Umwelt noch einmal, warum die Kreisverwaltung den Vorschlag, das Gebäude zu kaufen, überhaupt gemacht hatte: Da der historische Bau an das Grundstück eines Unternehmens (Fa. Rösler, Anm. d. Redaktion) angrenzt und die Einfahrt direkt am Gebäude entlang führt, herrsche dringender Handlungsbedarf. Man habe bereits Areale wegen möglicher herabfallender Gebäudeteile sicherheitshalber abgesperrt. „Es herrscht Gefahr für Leib und Leben“, so Filberich.

Die vorherigen Besitzer seien nicht mehr greifbar. Zurückverfolgt seien die Eigentumsverhältnisse zwar über vielen Ecken bis hin zu einer britischen Komplementär-Gesellschaft. Die ist jedoch aufgelöst und somit gebe es auch niemanden, von dem man die Kosten für eine Ersatzvornahme wieder zurückverlangen könne. Sprich: Der Landkreis muss als Sicherungsbehörde tätig werden, würde aber auf Kosten geschätzt zwischen 300 000 und 400 000 Euro sitzen bleiben. Als Eigentümer bei einer ordentlichen Sanierung des Dachstuhls rechnet Filberich mit rund 1 Million Euro Kosten aber einer Förderquote von circa 90 Prozent.

Unter anderem Kreisrat Bernhard Jilke sah überhaupt nicht ein, warum der Landkreis sich eine solche Bürde auflasten sollte. Zu ungewiss ist nicht nur ihm eine Folgelast über Jahrzehnte hinweg. Warum werde die Gemeinde Untermerzbach nicht tätig? In anderen Kommunen werde dies ebenso gehandhabt. Abgesehen davon wunderte er sich, dass das Gebäude überhaupt in einem solch schlechten Zustand ist. Schon 2017 habe Landrat Wilhelm Schneider die Sache über eine dringliche Anordnung erledigen wollen. Schneider habe keine Zeit verlieren wollen, zitierte Jilke einen Zeitungsartikel von jener Zeit. Schneider selbst erklärte, dass die Eigentumsverhältnisse damals nicht geklärt werden konnten. Die Kommunikation nach Großbritannien „hat Jahre gedauert“. Allerdings dränge sich Schneider nicht auf, wenn die Gemeinde sich darum kümmern wolle.

Das war das Stichwort für Untermerzbachs Bürgermeister Helmut Dietz (SPD). Ihn begleite diese „unschöne Sache“ schon seit Anfang der 2000er, als er noch Gemeinderat war. Doch eine Übernahme des Objekts sei für ihn und seine Gemeinde mit 1700 Einwohnern personell und finanziell nicht zu schultern. „Ich kann das meinen Bürgern nicht zumuten.“ Dennoch sprach sich Dietz klar für den Erhalt des „Kulturguts“ aus. Dazu sei man als Gesellschaft verpflichtet.

Eine Einstellung, die wohl die meisten Anwesenden teilten, auch wenn viele lieber eine Alternative für den Kauf gesehen hätten. Eberns Bürgermeister Jürgen Hennemann (SPD) und sein Stellvertreter Harald Pascher (FDP) regten an, das Gebäude „auf eine höhere Ebene zu heben“. Vielleicht würden sich Bezirk oder Freistaat interessiert zeigen? Etwa für ein weiteres Amt wie die Landesbaudirektion in Ebern? Auch das habe man schon früher versucht und eine klare Absage erhalten, entgegnete der Landrat. Und das Gebäude verfallen zu lassen, sei grundsätzlich möglich, schließlich gebe es ja auch an anderen Stellen im Landkreis Ruinen. Das funktioniere aber nur mit frei stehenden Gebäuden, in diesem Fall nicht. Das Schloss sei zu eng in die umliegende Bebauung eingebunden. Während des Verfalls könnten Personen oder Gebäude zu Schaden kommen. „Was sollen wir anderes tun? Das Schloss fällt nach und nach in sich zusammen“, so der Landrat.

Einig waren sich wohl alle, dass man das Schloss nach den nötigen Sicherungsmaßnahmen schnell einer neuen Nutzung zuführen müsse. Der Landkreis möge also möglichst zeitnah auch „mit der „Vermarktung beginnen“, wie Landtagsabgeordneter Steffen Vogel bemerkte. Es sei eine „Sauerei“, dass es überhaupt so weit gekommen sei. Man habe den Eindruck, dass sich der Vor-Vorbesitzer nur die Rosinen herausgepickt habe, um die Belastung später abzustoßen. Vogel spielte auf Roland Rösler an, der das Gebäude und den dazugehörigen Grund bis 2009 besessen hatte. „Nicht, dass so etwas Schule macht“, mahnte Vogel.

Birgit Bayer (WG/FW) betonte dabei allerdings, dass es „in keinstem Fall so ist, dass jedes alte Gebäude irgendwann Eigentum des Landkreises wird“. Die Abstimmung heute sei keine Grundsatzentscheidung, sondern eine Lösung für den Einzelfall Gereuth. Der Haßfurter SPD-Kreisrat Stephan Schneider regte abschließend eine Klausurtagung an, bei der man sich mit der Frage beschäftige, wie man künftig in solchen Fällen verfahren wolle. Um eben diese Grundsatzdiskussion während der Sitzung jedoch gleich im Keim zu ersticken, beantragte Harald Kuhn (Grüne) schließlich ein Ende der Debatte. Die Mehrzahl der Anwesenden schien froh darüber.