Schloss Weißenbrunn Nicht nur Applaus für das Kultur-Refugium

Zuviel des „Guten“? Noch liegen Schloss und Dorf in Weißenbrunn in perfekter Idylle Foto:  

Das geplante Großprojekt in Weißenbrunn erscheint vielen Anwohnern als überdimensioniert. Dieser Meinung ist auch die Kunsthistorikerin Sabine Edith Wagner.

 
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Weißenbrunn - Mit der Einleitung eines Verfahrens hat der Eberner Stadtrat am 25. März den Startschuss für die Bauleitplanung eines der größten Bauprojekte der vergangenen Jahre im Eberner Raum gegeben. Mit einem geschätzten Gesamtvolumen von 45 Millionen Euro soll im Stadtteil Weißenbrunn rund ums alte Schloss ein „Kultur-Refugium“ entstehen, inklusive Konzerthalle, Hotel, Gastronomie, Tiefgarage und Wellness. Von einem „Leuchtturm“ war die Rede, der weit über die Region hinausstrahlen soll.

Rund 50 Seelen zählt das Dorf Weißenbrunn, mindestens die Hälfte spricht sich mittlerweile explizit gegen das Vorhaben aus. Zumindest in dieser Dimension, wie die Bürger sagen, die fürchten, in ihrem eigenen Dorf nicht mehr Dorf sein zu dürfen.

Die Dimension und die Schwierigkeit, diese mit dem Dorfleben und der einheimischen Bevölkerung zu vereinen, sehen mittlerweile nicht nur Weißenbrunner als Problem. Leserbriefe auch von außerhalb erreichen die Redaktion (siehe Seite 11), und auch die Stellungnahme einer Kunsthistorikerin und Denkmalpflegerin aus Ebern übt Kritik am „Großprojekt Kulturrefugium“. Diese sei „mit einer zukunftsgewandten und nachhaltigen Regionalentwicklung unvereinbar“, schreibt Sabine Edith Wagner, die auch Mitglied im wissenschaftlichen Ausschuss des Historischen Vereins Landkreis Haßberge ist: Selbst der wirtschaftliche Gewinn und eventuell nachhaltige Arbeitsplätze, die mehr als fragwürdig sind, würden die unwiederbringlichen Schäden für Natur, Kulturlandschaft Haßberge und soziales Gefüge im Ort Weißenbrunn nicht aufwiegen.

Die Kunsthistorikerin und Denkmalpflegerin sieht sowohl Ortsbild als auch Kulturlandschaft in Gefahr. „Schloss, Gutshof und Dorf in Weißenbrunn bilden bis heute die historisch gewachsene Einheit eines ,Ritterguts,, das für die Region der Hassberge typisch und erhaltenswert ist“, erklärt sie. „Die erhaltenen, hierarchischen Strukturen des Ortes mit dem großen, repräsentativen Schlossbau samt Garten und Gutshof gegenüber zugehörigem, kleinteiligem Dorf bilden ein geschlossenes Ensemble und sind bis heute auf glücklichste mit der Landschaft verbunden.“

Die geplanten Dimensionen des „Kulturrefugiums“ mit Konzerthaus, Unterem Hotel, Oberen Hotel mit Wellnessbereich, Standseilbahn und untertägiger, zweigeschossiger Parkgarage würden den Charakter des historisch-gewachsenen Ortsbildes des Ritterguts Weißenbrunn sprengen und verfälschen, wie sie sagt:

• Das riesige Konzerthaus trete in unmittelbare Konkurrenz zum Schloss, und werde unweigerlich zum „neuen“ optischen, verfälschenden Ortszentrum

• Die gewachsene, bestehende Situation von Schloss- und Gutshof samt Ökonomie-Gebäuden werde zerstört zugunsten einer zweigeschossigen Parkgarage im Untergrund samt Neugestaltung über einer abdeckenden erhöhten Beton-Platte.

•Verloren wären das untertägige Bodendenkmal (der Vorgängeranlage des Adelssitzes aus dem Mittelalter), der zugehörige alte Brunnen, die neue Brunnenanlage mit zugehörigen Lindenbäumen

•Die massiven Erdbewegungen und Unterhöhlungen würden zudem die intakte Hangentwässerung zerstören, welche das Wasser über ein Rohrsystem vom Schlosskeller unter dem Platz hindurch in den talgelegenen Ortsbach ableiten.

•Die Bauarbeiten im Untergrund in unmittelbarer Nähe des Schlosses könnten auch die Standfestigkeit des Denkmals beeinträchtigen

„Zu bedenken ist außerdem das zukünftige Ortsbild aus Richtung Welkendorf“, warnt Sabine Wagner. „An Stelle der Torpfeiler mit Hof und Parkkulisse trifft der östlich anfahrende Besucher nun wohl unvermittelt auf eine Parkgaragen-Einfahrt für 130 Stellplätze“

Insgesamt entstehe mit den Hotel-, Wellness- und Restaurantanlagen samt Konzerthaus auf dem erhöhten Plateau (über der Tiefgarage) auch optisch ein abgeriegelter Bezirk. „Das bestehende, geschlossene Ortsbild von Schloss und dessen zugehörigem Ort wird in zwei getrennte Bereiche zerfallen“, sagt die Denkmalpflegerin: „Die anschaulich historisch-zusammenhängende Situation von Ort und repräsentativem Herrschaftssitz des Rittergutes ist dann unwiederbringlich verloren.“

Kritisch zu hinterfragen und zu bedenken seien aber auch die soziokulturellen Auswirkungen für den Ort und die Region. „Dimension und Angebot zielen offensichtlich vor allem auf ein auswärtiges, ,gehobenes’ Publikum, das sich in einem abgeschlossenen, autonomen Bezirk zwischen Hotels, Wellness und Gastronomie bewegen kann“, sagt Sabine Wagner: „Eine Notwendigkeit für Ausflüge in die Region besteht nicht und somit voraussichtlich auch keine spürbare Wohlfahrt für die Haßberge.“ Zwischen dem beschaulichen Dorf mit seinen Einwohnern in kleinteiligen Einfamilienhäusern und Gärten und dem neuen Schlossbezirk entstehe in doppeltem Sinne ein Gefälle, eine Kluft. Sabine Wagner: „Der eigentliche Ort erscheint wie abgekoppelt, quasi als Überbleibsel, seine Einwohner werden zu Randfiguren in ihrem eigenen Wohnort.“

Zuguterletzt würden bei den Baumaßnahmen auch erhebliche Eingriffe in die Natur stattfinden, warnt Sabine Wagner. Die von dem Bauvorhaben beeinträchtige Fläche belaufe sich auf rund 0,022 Quadratkilometer. Betroffen davon seien, wie auf Seite 16/17 im Umweltbericht auf der Homepage der Stadt Ebern (www.ebern.de) zu ersehen, freilich Pflanzen, Tiere und biologische Vielfalt. „ Zu bedenken ist insbesondere der Verlust von altem Baumbestand auf dem Schlosshof, sowie entlang der Schlossstraße, welcher für die untätige Parkgarage und den Bau des Unteren Hotels fallen wird“, sagt Sabine Wagner.

Die geplanten Hotelbauten und vor allem die zweigeschossige Tiefgarage im Bereich des jetzigen Schloss- und Gutshofs würden obendrein für eine „beachtliche, zudem völlig unangemessene und daher höchst bedenkliche Flächen-Versiegelung“ sorgen. „Zu prüfen wären außerdem alle baulichen Maßnahmen, die durch senkrechte Gebäudeentwicklung – zwei geplante Hotelanlagen – in den Hang eingreifen“, führt Sabine Wagner weiter aus: „Störungen des Feuchtehaushaltes im Durchwurzelungsbereich der Vegetationsschicht könnten eine Instabilität des bestehenden intakten Hangsystems zur Folge haben.“

Prinzipiell sei das Projekt „Kulturrefugium Weißenbrunn“ mit kulturellem und touristischem Potenzial für die Region sehr zu loben, betont die Kunsthistorikerin. „Insgesamt jedoch erscheinen die groß gedachten Dimensionen mit zweifachen Hotel- und Restaurantanlagen, Wellnessbereich, Standseilbahn und zweigeschossiger Tiefgarage sowohl dem Ort als auch der Region gänzlich unangemessen“, so Sabine Wagner. „Den gedachten Großbauten und Maßnahmen, welche Ortsbild und Kulturlandschaft erheblich beeinträchtigen, steht das eigentliche touristische Potenzial der Region Haßberge diametral entgegen.“ Dessen Attraktivität gründe nämlich allein auf den erhaltenen, idyllischen Ortsbildern samt historisch ablesbaren Strukturen in nahezu intakter Natur- und Kulturlandschaft.

„Grundsätzlich wünschenswert für alle (durchaus willkommenen) Projekte ist die Achtung vor allem Gewachsenen, das gleichsam als Ausdruck menschlichen Handelns zu verstehen und zu wahren ist“, fasst Sabine Wagner zusammen: „Schloss, Gärten, Dorf und Landschaft sollen neben überdimensionierten Neubauten nicht nicht zu Randfiguren verkümmern, sondern Hauptdarsteller im Rittergut bleiben dürfen.“

Denkbar und angemessen sei dagegen die Nutzung und/ oder ein innovativer Umbau des Vorhandenen: „Gebäude, Freiflächen, Obstwiesen, Gärten, Wege, Straßen, Plätze. Neubauten sollten im Sinne des proaktiven Klimaschutz sparsam eingesetzt-, reversibel und aus wiederwendbaren Materialien sein und sich in ihren Proportionen bestehenden Gebäudehierarchien und Verhältnissen anpassen bzw. ganz in die gewachsenen Strukturen einfügen“, so Sabine Wagner: „Auf dass sich Altes mit Neuem wechselseitig bereichere und der idyllische Ort zu einem ,wirklichen Kultur-Refugium’ werden kann.“

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