Schwedenprozession Schritt für Schritt für den Frieden

Heike Schülein

Dass Kronach im Dreißigjährigen Krieg verschont wurde, wird seither Jahr für Jahr am Schwedensonntag gefeiert. Angesichts aktueller Kriegsherde in der Welt sind die Botschaften geradezu verstörend aktuell.

 
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Noch vor dem Allerheiligsten schreiten die Frauen: Vor fast 390 Jahren erstmals – mit nur wenigen Unterbrechungen – begangen, bietet die Schweden-Prozession in Kronach noch immer diesen außergewöhnlichen Anblick. Der festliche Zug hinauf zur Festung ist aber nicht nur Dank für die Verschonung im Jahre 1634, sondern vor allem auch Bitte für ein friedliches Miteinander der Menschen in der Stadt – und ein Dank an die tapferen Frauen, die im Dreißigjährigen Krieg eine entscheidende Rolle spielten.

Jahr für Jahr lösen die Kronacher ihr damals gegebenes Versprechen ein und machen den Sonntag nach Fronleichnam zum Schweden-Sonntag. In Texten und Gebeten auf dem Prozessionsweg sowie an den Altären werden aktuelle Anliegen in den Fokus gestellt. Über 300 Besucher beteiligten sich auch am Sonntag an der Friedens- und Dankesprozession von der Stadtkirche hinauf zur Festung.

„Der Schweden-Sonntag ist für die Kronacher fast schon so etwas wie ein Nationalfeiertag“, verdeutlichte Stadtpfarrer Thomas Teuchgräber beim morgendlichen Fest-Gottesdienst, den er gemeinsam mit Kaplan Dominik Stehl in der Stadtpfarrkirche zelebrierte. Die Schweden-Prozession sei ebenso ein Zeugnis christlichen Glaubens wie auch Ausdruck der Dankbarkeit für die Bewahrung unserer Heimat, wobei man in dieser schwierigen Zeit insbesondere auch an die Menschen in anderen Ländern denke, wo Krieg herrsche.

In seiner Predigt reflektierte der Stadtpfarrer das Evangelium, in dem Jesus den Zöllner Zachäus zur Gemeinschaft mit Gott einlädt. „Eine verkehrte Welt“, möchte man meinen; heiße es doch über den Zöllner, dass er den Leuten den letzten Cent aus der Tasche gezogen habe. Der Evangelist Matthäus beschreibe darin seinen Traum von Kirche: „Nachfolge heißt für ihn, beweglich zu sein, festgefahrene Gewohnheiten zur Veränderung zu bringen“, sprach Teuchgräber er von einem Positions- sowie Blickrichtungswechsel. Auch wir nähmen tagtäglich bestimmte Positionen ein – beispielsweise auf der Arbeit oder in der Familie. Bei Jesus jedoch gebe es solche festen Positionen nicht. „Bei ihm sind wir alle Gäste an seinem Tisch. Und er hat mit jedem von uns Erbarmen“, zeigte sich Teuchgräber sicher. Dies sei dann auch die frohe Botschaft dieses Sonntags und zugleich Appell, selbst Barmherzigkeit anderen gegenüber walten zu lassen bzw. auch mal einen Positions- und Blickrichtungswechsel einzunehmen.

Am Zeichen tiefer Frömmigkeit nahmen von politischer Seite aus Kronachs Bürgermeisterin Angela Hofmann mit dem Stadtrat sowie Bundestagsabgeordneter Jonas Geissler teil. Besonderen Glanz erhielt der Tag durch die Anwesenheit zahlreicher Vereine sowie Mitgliedern der Historischen Szene. Auch heuer waren der Prozessionsweg sowie viele Häuser mit Fahnen, reichem Blumenschmuck sowie Kerzen und sakralen Motiven geschmückt. Dies gilt insbesondere auch für die vier wiederum ideenreich ausgestalteten Hauptaltäre, die den Gläubigen eindrückliche spirituelle Impulse schenkten.

„Wann stoppt der Teufelskreis?“, fragte die Katholische Jugend, die traditionell für den ersten Altar am Krieger-Ehrenmal am Fuße der Festung verantwortlich zeichnet. Die jungen Leute äußerten ihre persönlichen Ängste, einhergehend mit den vielen Krisen unserer Tage wie Krieg, Klimawandel sowie Inflation mit einer Schere zwischen Arm und Reich, die immer weiter auseinanderklaffe.

Die Gestaltung des zweiten Altars oblag erneut der Kolpingfamilie Kronach, die das diesjährige Motto des Deutschen Evangelischen Kirchentags in Nürnberg „Jetzt ist die Zeit“ aufgriff. „Ein Treffen von Christen zum Kirchentag – Ist das denn nicht ein wenig aus der Zeit gefallen?“, fragten die Kolpingmitglieder, ob Kirchen- und Katholikentage noch in unsere Zeit passten und nicht eher innerkirchliche Nabelschau seien: Ein Treffen der letzten, die der Kirche noch die Stange hielten - und irgendwie nicht auf der Höhe der Zeit? Von seinem Selbstverständnis her sei der Kirchentag aber genau das Gegenteil: Ein Straßenfest mit Möglichkeiten zur Begegnung und inhaltlichem Austausch zu aktuellen gesellschaftlichen bzw. religiösen Themen, Raum für Stille und Gottesdienst - und er schaffe Gemeinschaft.

„Du fehlst“: Diese Klage lese man laut KAB Kronach, die den dritten Altar im Zeughausinnenhof gestaltete,- insbesondere bei Todesanzeigen, Stellenwechseln oder beim Ausscheiden aus Beruf und Ehrenamt. Menschen „fehlten“ aber auch beim Fachkräftemangel sowie in Stadt und Landkreis Kronach mit rückgängigen Einwohnerzahlen. Fehle uns – angesichts zurückgehender Gottesdienstbesucher und immer mehr Kirchenaustritten – womöglich auch die Kirche, der christliche Glaube? Hier bedürfe es, appellierten sie, veränderter Rahmenbedingungen, Kurskorrekturen, eines wertschätzenden Umgangs miteinander und einer positiven Grundeinstellung – und das nicht erst, wenn es zu spät sei.

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