Selbstständig leben trotz Handicap So werden Träume wahr

Die Sambagruppe der WEFA Ahorn sorgte für Stimmung beim Sommerfest des Vereins „Neues Wohnen Coburg e.V.“ auf der Bertelsdorfer Höhe. Foto:  

Ein selbstbestimmtes Leben trotz Handicap muss keine Utopie bleiben. Coburger Familien haben mit Tatkraft und langem Atem ihre Vision verwirklicht. Und mit vielen Unterstützern, mit denen sie nun das große Dankeschön-Fest feiern konnten.

 
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Wenn Träume in Erfüllung gehen, sind nicht zarte Feenhände im Spiel. Sondern zupackende Menschen, die Visionen haben, Tatkraft und langen Atem. All das haben die Eltern bewiesen, die sich vor neun Jahren im damaligen DSZ am Hofgarten trafen, um ihren Kindern ein möglichst selbstbestimmtes, aktives Leben zu ermöglichen – trotz ihrer Handicaps. Aus den Kindern sind junge Erwachsene geworden – und aus dem Traum eine Erfolgsgeschichte: Seit 18 Monaten leben 24 junge Menschen in einem barrierefreien Neubau auf der Bertelsdorfer Höhe in ihren eigenen vier Wänden und erhalten die individuelle Unterstützung und Betreuung, die sie wegen ihrer körperlichen oder geistigen Einschränkungen brauchen, um ihren Alltag persönlich zu gestalten und am Leben dieser Stadt teilzunehmen.

Lange schon wollten die Bewohner und ihre Familien, die sich im Verein „Neues Wohnen Coburg e.V.“ organisiert haben, all jenen danken, die dieses Pionier-Projekt unterstützt, finanziert, ermöglicht haben. Corona kam dazwischen, doch am Freitag war es endlich soweit: Beim bunten Sommerfest trafen sich alle Freunde und Förderer, um das Ergebnis ihrer Bemühungen in Augenschein zu nehmen und zu feiern – mit Bratwurst und Samba, Fahrradrikscha und Rolliparcours.

/Dieter Ungelenk

Groß ist der Kreis der Sponsoren und Mitstreiter, denen der 1. Vorsitzende Stefan Lehnert zum Auftakt dankt. Einen hebt er besonders hervor: Thomas Nowak, der im vergangenen Jahr verstorbene 3. Bürgermeister, trug maßgeblich dazu bei, diesen Traum zu realisieren. Sein Nachfolger Can Aydin würdigt den Mut, den unermüdlichen Einsatz und den Zusammenhalt der Elterninitiative, auch Coburgs OB Dominik Sauerteig, Landrat Sebastian Straubel und MdL Martin Mittag bekunden mit ihrem Besuch ihren Respekt und ihre politische Unterstützung für dieses Bürgerengagement.

Der Durchbruch gelang 2017 dank einer sozial engagierten Bauunternehmerin, die ihre Erfahrung mit Projekten für pflegebedürftige Menschen einbrachte und das unmöglich Scheinende auf eine solide wirtschaftliche Basis stellte: Gisela Raab aus Ebensfeld gründete mit ihrer Familie eigens eine Firma, um dieses oberfränkische Leuchtturmprojekt in die Tat umzusetzen. Finanzierbar wurde das Fünf-Millionen-Vorhaben durch das bayerische Förderprogramm sozialer Wohnungsbau und das Social Impact Banking der HypoVereinsbank.

Im April 2020 begann auf dem von der Stadt erworbenen Grundstück die Bauarbeiten, fünf Monate später stiegen bunte Luftballons beim Richtfest in den Himmel und überpünktlich wurde – trotz Pandemie und Materialengpässen – der Bau am 12. November 2021 vollendet.

Aus Eigenmitteln und mit großzügiger Hilfe von Stiftungen, Firmen und örtlichen Service-Clubs wurden die rund 250000 Euro für die behinderungsgerechte Einrichtung aufgebracht, für Gemeinschaftsräume, Pflegebäder, Hauswirtschaftsräume, Telefon- und Lichtrufanlage.

Doch nicht alles lief so reibungslos, berichtet Stefan Lehnert: Vier Monate vor der Eröffnung sprang ein Assistenzdienst ab – doch es fanden sich „Menschen, die den Mut hatten, einzuspringen, wo andere gegangen waren“, so Lehnert. So erhalten die Mieterinnen und Mieter heute von Fachkräften der Lebenshilfe Coburg und der Visit-Gruppe Bamberg ambulante Begleitung und Förderung, um weitgehend selbstbestimmt zu leben.

Bei Führungen durch die beiden Etagen mit ihren 24 modern eingerichteten Apartments mit eigener Küchenzeile und Bad, die ebenso gemütlichen wie geräumigen Gemeinschaftsbereiche und die Balkons mit traumhaftem Vesteblick konnten sich die zahlreichen Besucher ein Bild machen von dieser neuartigen Wohngemeinschaft, die in Nordbayern Maßstäbe setzt. Und sie konnten besondere Menschen kennenlernen, die eine Lebensfreude ausstrahlen, der man nicht überall begegnet.

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