Siegmund-Loewe-Realschule Starkes Zeichen für Toleranz in 17 Silben

Heike Schülein

In einem zweitägigen Workshop schreiben 18 Schüler der RS II Kurzgedichte in Haiku-Form. Ihr Thema: „Sophie Scholl – Weiße Rose“.

 
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Kronach - „Trauriges Ende – Tod nur für Demokratie – Schreckliches Schicksal“ (Anne Schwarz): Dieses und viele weitere 17-silbige Gedichte entstanden kurz vor den Weihnachtsferien an der Siegmund-Lowe-Realschule. Der Schriftsteller Ingo Cesaro animierte die Klasse 9 b unter Klassenleitung von Alena-Maria Kern zum kreativen Schreiben. Die Schüler waren aufgerufen, ein Statement gegen Gewalt, Intoleranz und Ausländerfeindlichkeit zu setzen. Am ersten Vormittag erfolgte die Einführung in das Leitthema „Sophie Scholl – Weiße Rose“. In eindringlichen Worten erzählte Ingo Cesaro aus dem so kurzen Leben der Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus.

„Vor rund 40 Jahren schrieb ich meine ersten Gedichte zum Thema „Sophie Scholl – Weiße Rose“ – anfangs eher als Notizen, Erinnerungsstützen. Seitdem hat mich das Thema nicht mehr losgelassen“, räumte der Kulturvermittler ein, der hierzu im Laufe der Zeit immer wieder Gedichte, vor allem aber dreizeilige Haiku, verfasste. Die „kürzeste Gedichtform der Welt“ umfasst 17 Silben in drei Zeilen. Obwohl er das erste Gedicht zur Thematik bereits 1979 schrieb und im Laufe der Zeit unzählige andere Projekte umsetzte, verlor er „Sophie Scholl“ und die Widerstandsgruppe nie aus den Augen. „Es hat mich immer sehr bewegt und bewegt mich auch noch heute, wie gefasst sie ihren letzten Weg gegangen ist – noch vor ihrem Bruder Hans. Der Henker hat später gesagt, dass er von den über 3000 Delinquenten niemanden den Weg zum Fallbeil so gefasst hat gehen sehen“, meinte er ergriffen.

Ideal der Freiheit

21 Jahre alt war Sophie Scholl, als sie am 22. Februar 1943 – nur vier Tage nach ihrer Verhaftung und nur vier Stunden nach ihrer Verurteilung – für ihr Ideal der Freiheit hingerichtet wurde: Ein Ideal, das die Nazis mit Füßen traten; für die ein Menschenleben keinen Wert hatte. „Es ist unsere Aufgabe, immer wieder an sie und die anderen Mitglieder der „Weißen Rose“ zu erinnern“, stellte Cesaro heraus, dass es sich dabei im Grunde um Trauerarbeit handle. Nach seinen Ausführungen zur Thematik führte er die Klasse in die Haiku-Form ein, damit die Schüler nach methodisch-schrittweisem Vorgehen Kurzgedichte verfassen konnten. Im Silbenrhythmus erste Zeile fünf Silben, zweite Zeile sieben Silben und dritte Zeile sieben Silben gibt es keinen Endreim. Auf Wortwiederholungen von Substantiven wird ebenso verzichtet wie auf Fremdwörter.

Der zweite Teil des nachhaltigen Literaturprojekts bestand – nach der Kopfarbeit des Vortags – aus Handarbeit. Dabei wurde eine Setz- und Druckwerkstatt „wie zu Gutenbergs Zeiten“ eingerichtet. Die Kurzgedichte wurden mit Einzellettern aus Blei im Handsatz gesetzt und anschließend eine kleine Auflage Plakatgedichte im Format A3 auf farbigem Papier auf der Handnudel im Buchdruck gesetzt. Der Kulturvermittler, der seit über 30 Jahren derartige Literaturprojekte an Schulen und Universitäten im In- und Ausland organisiert, hatte hierfür seine mobile Druckpresse, seine „Handnudel“ sowie Druckplatten und -buchstaben mitgebracht. Anschließend erstellt er in der Neuen Cranach Presse eine bibliophile Edition mit allen entstandenen Kurzgedichten.

Ernste Thematik

Teilnehmer der Literatur-Werkstatt an der RS II waren auch David und Hannes, denen das Projekt viel Spaß bereitete – trotz der ernsten Thematik. Wie die beiden erzählten, wurde das Thema Nationalsozialismus im letzten Schuljahr behandelt. Anne Frank und ihre Tagebuch-Einträge seien ihnen daher ein Begriff, aber über Sophie Scholl und ihr Schicksal hätten sie bis dato nicht viel gewusst. „Das ist ein wichtiges Thema“, zeigten sich die beiden sicher. In den Haiku-Rhythmus hätten sie erst etwas hineinfinden müssen. Je länger man aber schreibe, umso leichter falle es einem – und zum Schluss fiel einem immer mehr ein. Etwas erleichtert werde das Ganze dadurch, dass man in Umgangssprache dichten – man also einmal eine Silbe verschlucken beziehungsweise ein Füllwort einsetzen – könne.

Sie wie auch alle anderen beteiligen 16 Schüler sowie die Schulleitung und der Klassenlehrer erhalten jeweils eine Edition. Ein weiteres Exemplar geht an den Finanzier des Projekts, das vom Familienministerium im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ gefördert wird.

In Kronach sollen solche Projekte noch an der Maximilian-von-Welsch-Realschule und am Kaspar-Zeuß-Gymnasium organisiert werden. Sehr wichtig ist Ingo Cesaro, dass die Ergebnisse das Schulhaus verlassen. Eine gemeinsame Abschluss-Veranstaltung soll voraussichtlich in der Kronacher Synagoge durchgeführt werden.

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