„Sonderbar“ in Coburg Sie klatschen, er tischt auf

Die Bedienungen seien kaum noch zum Arbeiten gekommen, sagt Inhaber Oliver Müller, so häufig klingelte das Telefon in der „Sonderbar“ in Coburg nach seinem Aufruf in den Sozialen Medien. Foto: Frank Wunderatsch

Nicht erst seit Ausbruch der Pandemie leisten Pflegerinnen und Pfleger in ihrem Beruf Außergewöhnliches. Ein Coburger Wirt sagt nun auf seine Weise: Danke.

 
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Coburg - Die Likes und die Herzchen flogen ihm nur so zu, an die 700 sind es mittlerweile. Manch einer bot sogar an, Geld zuzuschießen. Einfach so. Und selbst der Oberbürgermeister tippte einen Einzeiler in die eh schon prall gefüllte Kommentarspalte. „Tolle Geste!“, meint Dominik Sauerteig (SPD) zu der Aktion in seiner Stadt, genauer gesagt: im Unteren Bürglaß 10. „Aber so was“, sagt derjenige, der den Aufruf in den Sozialen Medien abgesetzt, sich das Ganze ausgedacht hat und letztlich bezahlen wird, „so was ist mir relativ piepegal“.

Oliver Müller, 52 Jahre alt, ist Inhaber der „Sonderbar“, eine der beliebtesten Kneipen in Coburg – am 30. November allerdings, einem Dienstag, wird die Lokalität mit ihrem so wohlig warmen Ambiente für drei Stunden, zwischen 17 und 20 Uhr, ganz und gar einer Gruppe von Menschen vorbehalten sein, die in der gesellschaftlichen Nahrungskette ansonsten überall, aber nicht an der Spitze steht. Obwohl sie nicht erst seit Ausbruch der Pandemie, aber gerade in dieser Außergewöhnliches leisten in ihrem Beruf. Die Rede ist von Pflegekräften. Müller, selbst gelernter Heilerziehungspfleger, möchte ihnen auf seine Weise Danke sagen. Wenn es die Corona-Regeln noch zulassen, wird er etwa 70 von ihnen – mehr Personen passen derzeit nicht in die „Sonderbar“ - an diesem Tag ein kostenloses Essen und Getränk spendieren.

„Es ist nichts passiert“

„Ich hätte die Kneipe mit Sicherheit drei, vier, fünf Mal vollbekommen“, überschlägt der 52-Jährige, die Bedienungen seien kaum noch zum Arbeiten gekommen, so häufig klingelte das Telefon nach seinem Facebook-Post, der anschließend zigfach geteilt wurde. Keine 27 Stunden später folgt der nächste Eintrag: „Die gute Nachricht: Unsere Aktion für das Pflegepersonal ist sehr gut angekommen (...). Die schlechte: Es sind bereits alle Plätze vergeben!“

„Die Idee ist schon ein paar Monate alt“, sagt Oliver Müller, der sich über die Sozialen Medien selten, aber doch regelmäßig auch in politischen Fragen äußert. Stets pointiert und meinungsstark. Er kenne einige, die in dem Bereich arbeiten, und sehe, wie diese „bitten und betteln“ müssten, damit sich etwas verändere an ihrer Situation. „Am Anfang von Corona habe ich gedacht, dass diese Leute gestärkt werden als Lehre aus so einer Scheiße, aber es ist nichts passiert.“

Die Löhne von Pflegekräften in Krankenhäusern und Heimen sind während der Pandemie nur leicht gestiegen, wie etwa die Tagesschau auf ihrer Website kürzlich berichtete. Dies zeigten Auswertungen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden. Zudem, so heißt es in dem Beitrag weiter, beklagt Anja Piel, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund, seit Ausbruch im März 2020 hätten bis Frühjahr 2021 etwa 9000 Pflegerinnen und Pfleger gekündigt, Tendenz steigend. „Gründe dafür sind die ständige Überlastungssituation, Personal-Unterdeckung, Gefährdung der eigenen Gesundheit – teils fehlte es sogar an der notwendigen Schutzkleidung – sowie Gefährdung der eigenen Familie und der permanente Stress.“

Was darf es sein?

„Also habe ich gesagt: Ich mache was“, knüpft Oliver Müller an, er spricht von einer „kleinen Geste“, er wisse, dass er nicht das gesamte Pflegepersonal aus Coburg einladen könne; und von einem „kleinen Zeichen nach außen“. Vielleicht fasse fasse sich dadurch ja der eine oder andere an die eigene Nase. „Wir müssen als Gesellschaft dringend einen anderen Blick auf diese Berufsgruppe werfen.“ Geklatscht, so der Tenor des 52-Jährigen, haben sie, und weiter?

Er selbst tischt nun jedenfalls erst mal auf. Zur Auswahl stehen am 30. des Monats vier Gerichte: Gulasch, Currywurst sowie Pasta mit entweder Gemüse oder veganer Bolognese. Was ihn das kosten werde?, wiederholt der Inhaber der „Sonderbar“, „keine Ahnung, es geht dabei nicht ums Geld. Mir ist das eine Herzensangelegenheit.“

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