Sorge am Klinikum Coburg bangt um sein Perinatalzentrum

Seit mehr als 30 Jahren gibt es am Klinikum ein Perinatalzentrum Level 1. Dort wird Frühgeborenen mit weniger als 1250 Gramm ins Leben geholfen. Wie lange noch?

 
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Frühgeborene benötigen eine besonders intensive Betreuung. Foto: Regiomed Kliniken

Kurz vor Mitternacht im Klinikum Coburg. Der kleine Jakob erblickt das Licht der Welt. Eigentlich ist es es noch viel zu früh für ihn. Seine Mutter ist in der 29. Schwangerschaftswoche. Die kleinen Hände des Jungen können nicht einmal den Finger der Krankenschwester umfassen. Die Augen sind geschlossen, das eigenständige Atmen fällt ihm noch schwer. Die medizinischen Instrumente, mit denen Jakob behandelt wird, sind fast so winzig klein wie er selbst. Das Team des Perinatalzentrums Coburg am Klinikum kümmert sich in den nächsten Wochen um ihn und auch um seine Eltern.

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Der Start ins Leben ist immer etwas Besonderes – im Fall von Frühgeborenen aber noch einmal eine andere Herausforderung. Etwa 30 Mal wiederholen sich solche Schicksale pro Jahr am Klinikum Coburg – in der Hälfte der Fälle handelt es sich um Kinder, die mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1250 Gramm geboren werden. Für deren Versorgung braucht es besonders geschulte Mitarbeiter und Abteilungen – sogenannte Perinatalzentren. Perinatal, das steht für „um die Geburt herum“. Das Coburger Klinikum verfügt seit mehr als drei Jahrzehnten über ein Perinatalzentrum Level 1 – das ist die höchste Versorgungsstufe. Entbindungsstation, Operationssäle und Neugeborenen-Intensivstation sind eng mit einander vernetzt. Selbst Kinder, die weniger als 1000 Gramm wiegen, überleben zu mehr als 80 Prozent, wenn sie in solch einem Zentrum wie dem Coburger ins Leben starten. Doch diese Versorgung steht auf der Kippe.

Bereits 2021 hat der Gemeinsame Bundesausschuss die Mindestmenge an Behandlungen, die solche Zentren vorweisen müssen, angehoben. Von 14 auf nun 25 Frühgeborene. „Mit der Neufestsetzung der Mindestmenge besteht im Gebiet von etwa 100 Kilometern Radius die Gefahr, dass es ohne Unterstützung von Politik und Krankenkassen zu risikobehafteten Strukturen kommt“, sagt Robert Wieland, Geschäftsführer des Regiomed-Klinikums. Ganz konkret heißt das: „Erreicht ein Krankenhaus die erforderlichen Mindestmengen voraussichtlich nicht, darf es die Leistungen nicht bewirken. Frühgeborene unter einem Gewicht von 1250 Gramm dürften dann in Coburg nicht mehr behandelt werden. Wo das nächste Level-1-Zentrum wäre, steht zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht fest“, ergänzt Regiomed Hauptgeschäftsführer Alexander Schmidtke.

Verliert Coburg sein Perinatalzentrum Level 1, müssten werdende Mütter künftig weitere Wege zurücklegen, um die notwendige Versorgung zu bekommen. Und nicht nur das. „Es besteht hierbei nicht nur ein Versorgungsauftrag für Geburten bei Risikoschwangerschaften, bei denen eine Level-1-Versorgung tatsächlich notwendig wird, sondern auch für Risikoschwangerschaften, bei denen durch die Behandlung im Perinatalzentrum Coburg eine spätere Versorgung der Kinder auf Level-1-Niveau verhindert werden kann“, so Alexander Schmidtke. Anders als in Ballungsgebieten mit mehreren Maximalversorgern im Umkreis würde die Umsetzung dieser Mindestmengenregelung zu einer Ausdünnung auf wenige Standorte führen – mit Auswirkungen auf die Patientensicherheit durch deutlich schlechtere Erreichbarkeit im ländlichen Raum.

Um das zu verhindern und „die Sicherheit für Mütter und deren potenziell zu früh geborenen Kinder weiterhin sicherzustellen, haben sich die Gesellschafter gemeinsam mit der Geschäftsführung dazu entschlossen, beim Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege einen Antrag auf Ausnahmeregelung zu stellen“, informiert Alexander Schmidtke

Eine Neuregelung der Mindestmenge gab es übrigens schon einmal. Bereits im Jahr 2010 hatte der Gemeinsame Bundesausschuss festgelegt, dass Kliniken 30 Frühchen pro Jahr betreuen müssen, um ihr Perinatalzentrum Level 1 behalten zu dürfen. Damals regte sich massiver Widerstand, und einige Kliniken klagten. Sie bekamen vor dem Bundessozialgericht recht, weil keine ausreichend wissenschaftliche Grundlage für die Erhöhung bekannt war. Mittlerweile gibt es aber Studien, die nahe legen, dass eine höhere Mindestmenge das Leben vieler Frühchen retten oder Gesundheitsschäden verhindern könnte. Eine Forschgruppe berechnete gar eine Mindestmenge von 50 bis 60 Fällen für eine optimale Versorgungsqualität.