Für die Eltern ist schließlich nichts unglamouröser, als am Abend das Glas Rotwein auf dem Buch „Kasper Mütze und der Riese Wirrwarr“ abzustellen. Neben Familienauto, Familiensofa und Familienbett muss irgendwo auch noch Raum sein für die erwachsenen Menschen. Sagen wir so: Dieses Wohnzimmer gehört a u c h ihnen. Zumindest am Abend sollten sie es sich zurückerobern!
Eva-Maria Manz ist Reporterin im Team Psychologie und Mutter eines knapp achtjährigen Sohnes.
Kontra: Das Wohnzimmer als Spielplatz macht den Familienalltag lebendiger
Hürdenläufe durchs Wohnzimmer waren nervig. Zumal dieses Lego-Reich mit den ausladenden Duplo-Architekturen, dem bunten Playmobil-Personal und der vielfältigen Schleich-Tierwelt sich Richtung Essbereich und Küche ausbreitete. Wenn die Kinder dann ihre Bauwerke auch noch erhalten wollten und Aufräumen zum Tabu erklärten, fragte man sich als Eltern schon, ob man nicht in eine Randexistenz abgedrängt wurde und Gegenmaßnahmen ergreifen musste.
Solche Erwägungen gingen aber fast immer zugunsten der Kinder aus, wenigstens eine gewisse Zeit. Nicht nur, weil manchmal auch eigene Erzeugnisse unter den zusammengesteckten Sachen waren, die man mit den Kindern gebaut hatte und an denen man sich erfreute. Und wenn sie im Wohnzimmer spielten, hatte man sie immer um sich. Hätte man sie ins Kinderzimmer verbannt, man hätte nicht ihre wunderbare Hingabe und Selbstvergessenheit im Spiel erlebt. Man mag Friedrich Schillers berühmte Sentenz aus seinen Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen – „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“ – für eine weltfremde Phrase halten: Auf Kinder trifft sie zu.
Die vielen Figuren, die sich mit Rädern, Kinderwagen, Gabeln, Heuballen, Schweinen, Kühen und Futtertrögen im Bücherregal tummelten, entwickelten dort ihren eigenen Witz. Der zähnefletschende Tyrannosaurus rex, der zufällig vor die Werke des Philosophen Friedrich Nietzsche – „Wille zur Macht“, „Blonde Bestie“, „Jenseits von Gut und Böse“ – zu stehen kam, wirkte, als mache sich da jemand lustig über den Alleszertrümmerer. Jetzt liegen die Sachen im Keller und warten in Kartons, verschenkt oder verkauft zu werden. Den Kindern wäre es egal, aber die Eltern hängen an den Erinnerungen.
Mathias Bury ist Reporter im Team Familie, Bildung und Soziales und hat zwei schulpflichtige Töchter.