Städtetag: Kinder flexibler betreuen

Jürgen Umlauft
Die Kindergärten stehen schon jetzt unter Druck Foto: dpa/Caroline Seidel

Die Städte sehen in der Betreuung der vielen ukrainischen Flüchtlingskinder eine Herausforderung. Als Gegenmaßnahme müssten Standards vo rübergehend heruntergefahren werden, fordert ihr Verband.

 
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Viele Kinder aus der Ukraine brauchen schnell eine gute Betreuung. Dazu soll die Kinderbetreuung in Bayern nach Ansicht des Bayerischen Städtetages effizienter strukturiert werden. Um die vielen ukrainischen Kinder rasch in die Kitas aufnehmen zu können, plädiert der Vorsitzende des Städtetages, der Straubinger Oberbürgermeister Markus Pannermayr, in der aktuellen Notlage für „übergangsweise reduzierte Standards“. Dies könne den Personalschlüssel und die Raumsituation betreffen. Es müsse möglich sein, dass Kita-Gruppen über die eigentliche Belegungshöchstgrenze hinaus für einen befristeten Zeitraum mehr Kinder aufnehmen können. Hintergrund sei, dass viele der geflüchteten Mütter ihren Lebensunterhalt in Bayern selbst verdienen wollten. Dieser im Grunde begrüßenswerte Wunsch stoße bei der Kinderbetreuung aber auf ein ohnehin „unter hoher Last fahrendes System“, erläuterte Pannermayr. Deshalb sei mehr Flexibilität nötig: „Die Kinderbetreuung steht bereits unter hohem Druck. Erziehungspersonal fehlt, die Kapazitäten bei Räumlichkeiten sind schon jetzt erschöpft.“ Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder bis sechs Jahre lasse sich in der Praxis bereits jetzt nur schwer erfüllen. Ähnliche, vor allem personelle und räumliche Engpässe zeichneten sich für den geplanten Ganztagsanspruch für Grundschulkinder ab. Insgesamt sollten staatliche Regelungen mehr Spielraum für Improvisation ermöglichen, forderte Pannermayr.

Zudem solle der Bund ab Juni für die Unterbringungskosten für Geflüchtete aus der Ukraine aufkommen. Durch den am 1. Juni erfolgenden Wechsel der Flüchtlinge aus dem Bereich des Asylbewerber-Leistungsgesetzes in das Hartz-IV-System müssten die Kommunen eigentlich ein Drittel der Kosten übernehmen. Dies könnten viele Städte und Gemeinden nicht leisten, ohne ihre eigene Investitionsfähigkeit zu gefährden. Deshalb müssten die Sammel- und Gemeinschaftsunterkünfte für ukrainische Geflüchtete vorerst auf Kosten des Bundes weiterbetrieben werden. Dass die Geflüchteten in Obdachlosigkeit fielen, wäre für die Betroffenen „nicht adäquat“.

Die Erfahrungen aus den vergangenen Wochen seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hätten sehr deutlich gezeigt, dass nur im Schulterschluss mit dem Bund und dem Freistaat die Aufnahme von Geflüchteten weiter gut funktionieren könne. Die enorme Hilfsbereitschaft bei der Aufnahme in privaten Wohnungen habe gerade in der Anfangsphase des Zuzugs eine Linderung der ersten Nöte bei der Unterbringung gebracht. „Allerdings stellt sich die Frage, inwieweit und wie lange die Unterbringung in privaten Haushalten tragfähig ist.“ Die Provisorien auf der Couch oder in Gästezimmern in ehrenamtlichen Händen bieten nicht unbedingt eine Dauerlösung. „Daneben ist Koordination nötig, um den Geflüchteten eine längerfristige Bleibe zu ermöglichen.“

Schließlich appellierte Pannermayr an die Staatsregierung, den immer dichteren Förderdschungel zu lichten. „Wir stoßen wegen der aufwendigen und komplexen Förderprogramme personell und finanziell an unsere Grenzen“, erklärte er. Die Verfahren müssten dringend standardisiert und vereinfacht werden. Selbst mittelgroße Städte bräuchten inzwischen eine eigene Vergabestelle, um sich im Dickicht aus Terminen, Vorgaben und Anforderungen zurechtzufinden. Der Aufwand stehe oft in keinem Verhältnis mehr zum späteren Nutzen. „Einen weiteren Bürokratieaufbau können wir uns nicht mehr leisten“, betonte Pannermayr. Als Lösung sprach er sich für grundlegend höhere Förderpauschalen bei den staatlichen Finanzzuweisungen aus.

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