Städtische Sammlungen Coburg Noch im Verborgenen

Yannick Seiler

Die Räume der Städtischen Sammlungen sind voll. Nun sucht deren Leiterin Orte für weitere Stücke Stadtgeschichte. Eine Lösung könnte eine neue Ausstellung dafür sein.

 
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Coburg - In der Itz habe man sie gefunden, die neun verrosteten schmiedeeisernen Schlüssel, die zusammen an einem ebenso mitgenommenen Bund hängen, erzählt Christine Spiller, Leiterin der Städtischen Sammlungen Coburg. Das Fundstück sei demnach wohl während der napoleonischen Kriege in den Fluss geworfen worden, damit es französische Besatzer nicht in ihre Hände bekämen. Es ist einer von rund 23 000 Gegenständen Coburger Stadtgeschichte, die in den Räumen der Städtischen Sammlungen im Keller eines Gebäudes in der Uferstraße lagern, erklärt Spiller weiter. Regale, Fächer, Schienen, Wände, jeden Zentimeter scheinen historische Möbel, Bilder, Teppiche, Vasen, Spiegel, Nähmaschinen und vieles mehr zu bedecken. Seit rund 120 Jahren wird die Historie Coburgs in den Sammlungen zusammengetragen. Deswegen hat Spiller nun ein Problem: Die Städtischen Sammlungen sind voll.

Der Schlüsselbund, der ein bisher vergessenes Stück Coburger Geschichte erzählt, liegt ganz vorne im Fach eines Regals, das die Leiterin öffnet. Altbestand sei er, sagt Spiller. Heißt, ihre Vorgänger haben ihn vor etlichen Jahrzehnten in die Sammlung aufgenommen. Ein paar Zeilen angehängter Notiz in Kurrentschrift vermerken das. Glück für die Schlüssel, mag man meinen. Sie haben einen Platz in den Kellerräumen. Um den Bund herum liegen Töpfe aus dem 19. Jahrhundert, eine übergroße herzogliche Puddingform, Gewichte, wie sie Händler in ihren Geschäften um den Marktplatz in ihre Waagschalen legten und verzierte Helme Coburgs einstiger Stadtwache. Nun könne sie kaum mehr jedes Stück Stadtgeschichte aufheben, das ihr aus Nachlässen angeboten werde, sagt Spiller. Darauf hatte sie während der jüngsten Sitzung des Kultursenats aufmerksam gemacht.

Zwischen 18 und 20 Grad

Vor allem für große Sammlungsstücke wie Maschinen, Druckerpressen und Werkbänke brauche man Platz, sagt Spiller. Demnach werden diese in noch nicht sanierten Räumen eines Areals in der Rodacher Straße gelagert, alles andere als ideal. Denn damit die teilweise Jahrhunderte alten Stücke auch in einigen Jahrzehnten noch anschaulich sind, müssen die Räume laut Spiller bestimmte Bedingungen erfüllen. Etwa brauche man eine Lüftung, die reagiere, wenn sich die Luftfeuchtigkeit in den Räumen verändere. Laut der Leiterin bräuchte man eine Luftfeuchtigkeit zwischen 55 und 60 Prozent. Die Temperatur soll demnach zwischen 18 und 20 Grad betragen, bestenfalls ganzjährig und konstant. „Tageslicht ist tabu“, sagt sie. Bilder und Stiche müssten zudem an speziellen Schienen aufgehängt, kleinere und größere Stücke wie Schlüssel und Gewichte in Regalen gelagert werden.

In den vor einigen Jahren sanierten Räumen in der Uferstraße seien die Bedingungen hervorragend, betont Spiller. Neue Lagerräume müssten demnach jedoch zuerst umgebaut und vor allem: gefunden werden. Sollte das nicht möglich sein, müsse man entsammeln, also Historisches wegwerfen, um Platz für neue Stücke zu schaffen. Wie sie weiß, betreffe das Problem endlicher Lagerräume nicht nur die Städtischen Sammlungen Coburg, sondern auch etliche andere Museen in der Region.

Sehr hohe Anforderungen

Auch deshalb hieß es während der Sitzung des Kultursenats im Januar, man könne einige Werke der Städtischen Sammlungen in den Schaufenstern leer stehender Gebäude der Wohnbau Stadt Coburg in der Innenstadt ausstellen. Man sei deswegen zwar im Austausch mit Spiller, geplant sei in diesem Zusammenhang jedoch nichts, teilt indes Annette Vogel, Pressesprecherin der Wohnbau mit. Sie verweist auf „sehr hohe Anforderungen“ wie Lichtverhältnisse und Temperatur, die man erfüllen müsse, wolle man Gesammeltes ausstellen.

Doch es gäbe auch noch eine weitere Möglichkeit, Coburgs Geschichte mehr Platz einzuräumen. „Es wäre schön, ein Museum daraus zu machen“, sagt Spiller. Für jedes ausgestellte Stück wäre dann ein Platz für ein neues Andenken frei. Rupert Appeltshauser, Vorsitzender der Initiative Stadtmuseum Coburg, hat es sich zum Ziel gesetzt, jenen Ort zu schaffen, um die bürgerliche Geschichte der Vestestadt zu zeigen. Seit mehr als zwei Jahrzehnten setzt er sich ehrenamtlich dafür ein – bisher vergeblich. „Coburgs Stadtgeschichte ist noch im Verborgenen“, so der Vorsitzende. Bisher wollten er und die 120 Vereinsmitglieder diese an einem Ort ausstellen. Nun haben sie eine neue Idee.

Industriegeschichte am Güterbahnhof

Demnach ließe sich für das Stadtmuseum eine sogenannte dezentrale Lösung umsetzen. Heißt: Unter dem Titel Stadtmuseum sollen mehrere Ausstellungen zusammengefasst werden. Das seien das Grabungsmuseum mit Fundstücken der mittelalterlichen Vestestadt, das Puppenmuseum und das Rückert 3, in dem sich Ausstellungen zu Kultur und Geschichte in und um Coburg abwechselten. Sie lassen sich bereits besuchen. Denkbar sei nun, dass künftig eine Ausstellung zu Coburgs Industriegeschichte auf dem Areal des ehemaligen Güterbahnhofs gezeigt wird, sagt er. Eine „überblicksmäßige Darstellung“ der Stadtgeschichte könnte im „innerstädtischen Bereich“ eingerichtet werden, ergänzt Appeltshauser. Dort könnten demnach Stücke der Städtischen Sammlungen gezeigt werden. Dadurch erhalte man laut dem Vorsitzenden etwas Platz für neue Gegenstände, wie etwa aus dem Landestheater. Durch den Umbau des historischen Gebäudes könne man „größere Sachen“ wie Teile der Bühnentechnik übernehmen. Denn eines möchte Appeltshauser verhindern: „So etwas darf nicht wegkommen.“

Den Mitarbeitern der Coburger Stadtverwaltung ist das Problem voller und voller werdender Regale in der Uferstraße bekannt. Derzeit plane man zwar kein Stadtmuseum, doch schaue man sich nach neuen Räumen für die Städtischen Sammlungen um, betont Thomas Nowak (SPD), Kulturbürgermeister der Vestestadt. Demnach besitze die Stadt Gebäude, in denen neue Sammelstücke untergebracht werden könnten. Da auch im Stadtarchiv, dort werden Schriftstücke zur Geschichte Coburgs aufbewahrt, inzwischen kaum mehr Platz ist, müsse man „im Zusammenhang“ denken, so Nowak. Bestenfalls könnte man laut dem Kulturbürgermeister künftig Schriftstücke des Stadtarchivs und Gegenstände der Städtischen Sammlungen in einem gemeinsamen Depot unterbringen. Denn egal, ob für Archiv oder Sammlungen, umgebaut müssten die Räume sowieso werden, erläutert Nowak. Welches Gebäude komme dafür in Frage? „Derzeit haben wir noch nichts Konkretes ins Auge gefasst“, räumt er ein.

Nachlass des Oberbürgermeisters

Schräg gegenüber der einst in die Itz geworfenen Schlüssel liegt übrigens ein weißer Bauarbeiterhelm. Getragen hat ihn laut Spiller Coburgs ehemaliger Oberbürgermeister Norbert Tessmer während des Spatenstichs für einen Supermarkt am ehemaligen Brockardt-Areal. Auch der Helm hatte, wenn man möchte, Glück. Das Stück jüngerer Stadtgeschichte liegt in einem Regal in der Uferstraße unterhalb einer Lokführermütze. Für einen Teil des politischen Nachlasses eines anderen Oberbürgermeisters sucht Spiller noch einen Platz. Er liegt in einer grauen Plastikkiste in einem anderen Kellerraum. OB Kastner hat jemand darauf notiert.

Laut Spiller stehen demnächst Gespräche über neue Räume für die Städtischen Sammlungen an.

 

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