Statt Ritalin Cannabis zur Selbsttherapie

Manfred Wagner
Ein 19-Jähriger muss sich vor dem Haßfurter Amtsgericht verantworten. Er hatte zuhause Cannabis angebaut – aus medizinischen Gründen. Foto: picture alliance/dpa/Volker Hartmann

Weil ihm Ritalin nicht geholfen hat, greift ein junger Mann mit ADHS auf alternative Heilmethoden zurück. Seine Aufzuchtanlage mit sechs Marihuana-Pflanzen ist nach deutschem Recht aber strafbar.

 
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Bei der Hausdurchsuchung vor einem guten halben Jahr wurden die Drogenfahnder schnell fündig: In seinem Zimmer in der elterlichen Wohnung stand eine Aufzuchtanlage mit sechs Marihuana-Pflanzen. Sie waren 30 bis 40 Zentimeter hoch und nach der Trocknung wogen sie genau 133 Gramm. Ein Vierteljahr später fanden Polizeibeamte bei einer Kontrolle in Eltmann nochmals 1,62 Gramm des Stoffs im Rucksack des jungen Arbeiters (19) aus dem Steigerwald. Das Haßfurter Jugendgericht verurteilte den Heranwachsenden zu einer vergleichsweise milden Geldauflage von 1700 Euro sowie einem umfassenden Drogenkonsumverbot.

Das Besondere an diesem Fall liegt darin, dass der junge Mann unter einer medizinisch festgestellten Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leidet. Nach seiner Darstellung hätten die verschriebenen Tabletten wie Ritalin bei ihm zu Appetitlosigkeit und zur Apathie geführt. Da ihm sein Hausarzt aber kein medizinisches Cannabis auf Rezept ausstellen wollte, griff er zur Selbsthilfe. Das aber ist nach deutschem Recht strafbar.

Wie die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe ausführte, wuchs der Teenager in intakten Familienverhältnissen auf. Der Tod seines Großvaters vor vier Jahren habe ihn schwer getroffen, informierte sie das Gericht. Als Kind sei der Angeklagte schon immer sehr lebhaft und neugierig gewesen – der Umgang mit ihm war auch für die Lehrkräfte in der Grundschule anstrengend und herausfordernd.

Nach der für ihn stressigen Schulzeit begann er eine Ausbildung zum Maler und Verputzer. Die Arbeit ging ihm leicht von der Hand, aber in der Berufsschule machte ihm seine Rechenschwäche und mangelhafte Konzentration größte Probleme. Deshalb brach er die Lehre vorzeitig ab. Allerdings fand er einen Betrieb, der ihn aufgrund seiner praktischen Fähigkeiten auch als ungelernter Arbeiter einstellte. In seiner Freizeit betätigt er sich erfolgreich als Sportkegler.

Und als Hobbygärtner. Das wurde ihm bereits vor gut zwei Jahren schon mal zum Verhängnis, als man das erste Mal Cannabispflanzen bei ihm fand. Der junge Mann sagte, dass auch sein bisheriger Freundeskreis dazu beigetragen habe, das Rauschgift zu konsumieren. Deshalb, betonte er, wolle er sich aus dieser Clique lösen. Sein Ziel sei es, einen Arzt seines Vertrauens zu finden, der ihm dabei helfen soll, die ADHS-Problematik eventuell mit medizinisch verordnetem Cannabis in den Griff zu bekommen.

Amtsgerichtsdirektor Christoph Gillot setzte als Geldstrafe mit 1700 Euro einen Monatslohn fest. Diesen Betrag muss der Heranwachsende an den gemeinnützigen Verein für Bewährungshilfe in Coburg bezahlen. Zusätzlich verhängte er ein Drogenkonsumverbot.

Die Einhaltung des Verbots wird durch jährlich zweimalige Urinuntersuchungen beziehungsweise durch Haaranalysen kontrolliert. Von dem Verbot ausgenommen sind allerdings ärztlich verordnete Mittel. Wenn er also einen Mediziner findet, der ihm qualitativ hochwertiges Cannabis verschreibt, fällt dies nicht unter das Verbot. Da sich sowohl die Staatsanwältin als auch der Verteidiger Andreas Achatz mit dem Urteil zufrieden zeigten, wurde es sofort rechtskräftig.

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