Als Mensch allerdings habe er durchaus eine Erklärungsansatz für das Ergebnis: "Das permanente Gezänk zwischen den bisher staatstragenden Parteien bei den multiplen Krisen und Herausforderungen bereiten den Nährboden für eine Stimmung des immer radikaler werdenden Protests. Die Regierungs- und Oppositionsparteien müssen zurückkehren zu einem konstruktiven und pragmatischen Kurs der Entscheidungsfindung bei existenziellen Fragen wie: Klimawende, Inflation, Energiepreiskrise und Zuwanderung. Bei den gemeinsamen Fragestellung der Stadt Coburg mit dem Landkreis Sonneberg beispielsweise bei Regiomed werde ich in Verantwortung für die Bürger der Region Herrn Sesselmann ganz konkret in die Pflicht nehmen. Kommunalpolitik und das konkrete Lösen von Aufgabenstellungen in der Praxis vor Ort funktioniert nämlich nicht mit einem ausschließlichen Kurs des Dagegenseins und des Zeigens auf Berlin oder Erfurt.“
Thüringens Innenminister und SPD-Vorsitzender Georg Maier bezeichnete das Wahlergebnis als „Alarmsignal für alle demokratischen Kräfte“. Nun heiße es, „parteipolitische Interessen hintan zu stellen und gemeinsam die Demokratie zu verteidigen“. Politik und Demokratie seien der Wettstreit um die besten Ideen und nicht um die größte Empörung, erklärte der SPD-Politiker.
Die Kommunalwahl in Sonneberg hatte bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Die AfD hat in Umfragen derzeit Aufwind, vor allem in den ostdeutschen Bundesländern. In Thüringen wird die Partei mit Landeschef Björn Höcke vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft und beobachtet.
Linke, SPD, Grüne und FDP in Thüringen hatten für eine hohe Wahlbeteiligung und die Unterstützung des CDU-Bewerbers geworben. Die Wahlbeteiligung lag nun bei knapp 60 Prozent - im ersten Durchgang vor zwei Wochen waren es 49,1 Prozent. Der Landkreis im Thüringer Wald mit 57000 Einwohnern und rund 48000 Wahlberechtigten ist einer der kleinsten in Deutschland.
Sesselmann und die AfD bestritten den Wahlkampf vor allem mit Bundesthemen wie dem umstrittenen Heizungsgesetz, der hohen Inflation oder gestiegenen Flüchtlingszahlen. In der Region, die ländlich und konservativ geprägt ist, war darum von einer Abstimmung über die Bundespolitik die Rede, mit der derzeit viele Menschen unzufrieden seien.
AfD-Vertreter wie Thüringens Co-Landessprecher Stefan Möller gaben der Wahl eine hohe Bedeutung. Ihnen ging es um den Nachweis der Wählbarkeit und eine Art Präzedenzfall, dass die AfD politisch Verantwortung übernehmen kann. Nach einer repräsentativen Civey-Umfrage für den TV-Sender Welt sind 52 Prozent der Deutschen beunruhigt von der Vorstellung eines AfD-Landrats.
Sesselmann ist 50 Jahre alt, Rechtsanwalt und derzeit AfD-Landtagsabgeordneter in Erfurt. Er stammt aus der Stadt Sonneberg. Als Chef der Kreisverwaltung muss er künftig vor allem Beschlüsse des Kreistages, aber auch von Landtag und Bundestag umsetzen. Außerdem kann er regionale Fragen klären wie die Kita-Betreuung oder die Sanierung von Gebäuden und Straßen.