Stichwahl in Sonneberg So reagieren Politiker in Coburg

, aktualisiert am 26.06.2023 - 09:16 Uhr
Landratskandidat Robert Sesselmann (AfD) gibt seine Stimme ab. Foto: Carl-Heinz Zitzmann

Mit Robert Sesselmann ist in Sonneberg deutschlandweit erstmals ein AfD-Kandidat Gewinner einer Landratswahl. Wie wird das Ergebnis in Coburg aufgenommen?

 
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Der Nachbarlandkreis Sonneberg hat in der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik ein neues Kapitel aufgeschlagen: 33 Jahre nach der Wende  konnte eine in Teilen rechtsextreme Partei erstmalig ein kommunales Spitzenamt erobern. AfD-Mann Robert Sesselmann setzte sich am Sonntag in der Stichwahl gegen den amtierenden Landrat von der CDU, Jürgen Köpper, durch. Nach dem vorläufigen Ergebnis erhielt Sesselmann 52,8 Prozent der Stimmen. Jürgen Köpper kam nur auf 47,2 Prozent, obwohl er von einer Parteienallianz unterstützt wurde. Sesselmann war wegen seines hohen Ergebnisses im ersten Durchgang als Favorit in das Rennen gegangen. Seine Wahl hinterließ Kommunalpolitiker im Nachbarlandkreis Coburg in ersten Stellungnahmen einigermaßen ratlos. 

Der Coburger Landrat Sebastian Straubel sagte auf Anfrage der Neuen Presse: „Das Ergebnis ist Fakt. Ich nehme es jetzt mal so zur Kenntnis.“ Überrascht und enttäuscht sei er über die geringe Wahlbeteiligung von nur 59,6 Prozent. „Obwohl doch so viel auf dem Spiel stand.“ Offenbar hätten regionale Themen bei der Wahl „keine nennenswerte Rolle“ gespielt. „Was außergewöhnlich ist.“

Stadt und Landkreis Coburg sind mit Sonneberg touristisch und wirtschaftlich eng verbunden. Beispielsweise über den Klinikverbund Regiomed. Auf die Frage, wie sich Straubel die Zusammenarbeit mit einem AfD-Mann künftig vorstelle, wollte er aktuell keine Stellungnahme abgeben. Er betonte allerdings: „Wir bauen im Landkreis Coburg auf gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

Im Blickpunkt steht jetzt natürlich auch Sonnbergs Nachbarstadt Neustadt. Nach der Wende war das Verhältnis zwischen der Großen Kreisstadt und Sonneberg streckenweise schwierig. Auch wegen des Fördergefälles.  Zuletzt hat man aber gut zusammengearbeitet. Und jetzt? Neustadts Oberbürgermeister Frank Rebhan ist derzeit im Urlaub.  Am Telefon klingt Rebhan frustriert. Er denkt kurz nach, sagt dann: „Der Landkreis Sonnberg hat so gewählt. Das müssen wir akzeptieren und damit umgehen. Was daraus wird, ist derzeit reine Spekulation. Das bleibt abzuwarten.“

Coburgs Oberbürgermeister Dominik Sauerteig meldete sich am Sonntagabend auf Facebook zu Wort. Aus „aktuellem Anlass“, wie er schreibt. Wörtlich heißt es: „Meine persönliche Haltung zur inhaltlichen Programmatik der AFD und seinen Funktionären ist bekannt. Dennoch entspricht es den Tatsachen, dass trotz des deutlichen Anstiegs der Wahlbeteiligung am Ende eine Mehrheit für den AFD-Kandidaten abgestimmt hat. Dies ist ein klarer Wählerwille. Ich bin der Meinung, dass es mir als Oberbürgermeister der Stadt Coburg nicht zusteht die mehrheitliche Entscheidung des Souveräns, nämlich der Bürger des Landkreises Sonneberg, negativ zu kommentieren oder gar die Wähler zu schelten. Ich habe daher auch keine Wahlempfehlung abgegeben.

Als Mensch allerdings habe er durchaus eine Erklärungsansatz für das Ergebnis: "Das permanente Gezänk zwischen den bisher staatstragenden Parteien bei den multiplen Krisen und Herausforderungen bereiten den Nährboden für eine Stimmung des immer radikaler werdenden Protests. Die Regierungs- und Oppositionsparteien müssen zurückkehren zu einem konstruktiven und pragmatischen Kurs der Entscheidungsfindung bei existenziellen Fragen wie: Klimawende, Inflation, Energiepreiskrise und Zuwanderung. Bei den gemeinsamen Fragestellung der Stadt Coburg mit dem Landkreis Sonneberg beispielsweise bei Regiomed werde ich in Verantwortung für die Bürger der Region Herrn Sesselmann ganz konkret in die Pflicht nehmen. Kommunalpolitik und das konkrete Lösen von Aufgabenstellungen in der Praxis vor Ort funktioniert nämlich nicht mit einem ausschließlichen Kurs des Dagegenseins und des Zeigens auf Berlin oder Erfurt.“

Thüringens Innenminister und SPD-Vorsitzender Georg Maier bezeichnete das Wahlergebnis als „Alarmsignal für alle demokratischen Kräfte“. Nun heiße es, „parteipolitische Interessen hintan zu stellen und gemeinsam die Demokratie zu verteidigen“. Politik und Demokratie seien der Wettstreit um die besten Ideen und nicht um die größte Empörung, erklärte der SPD-Politiker.

Die Kommunalwahl in Sonneberg hatte bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Die AfD hat in Umfragen derzeit Aufwind, vor allem in den ostdeutschen Bundesländern. In Thüringen wird die Partei mit Landeschef Björn Höcke vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft und beobachtet.

Linke, SPD, Grüne und FDP in Thüringen hatten für eine hohe Wahlbeteiligung und die Unterstützung des CDU-Bewerbers geworben. Die Wahlbeteiligung lag nun bei knapp 60 Prozent - im ersten Durchgang vor zwei Wochen waren es 49,1 Prozent. Der Landkreis im Thüringer Wald mit 57000 Einwohnern und rund 48000 Wahlberechtigten ist einer der kleinsten in Deutschland.

Sesselmann und die AfD bestritten den Wahlkampf vor allem mit Bundesthemen wie dem umstrittenen Heizungsgesetz, der hohen Inflation oder gestiegenen Flüchtlingszahlen. In der Region, die ländlich und konservativ geprägt ist, war darum von einer Abstimmung über die Bundespolitik die Rede, mit der derzeit viele Menschen unzufrieden seien.

AfD-Vertreter wie Thüringens Co-Landessprecher Stefan Möller gaben der Wahl eine hohe Bedeutung. Ihnen ging es um den Nachweis der Wählbarkeit und eine Art Präzedenzfall, dass die AfD politisch Verantwortung übernehmen kann. Nach einer repräsentativen Civey-Umfrage für den TV-Sender Welt sind 52 Prozent der Deutschen beunruhigt von der Vorstellung eines AfD-Landrats.

Sesselmann ist 50 Jahre alt, Rechtsanwalt und derzeit AfD-Landtagsabgeordneter in Erfurt. Er stammt aus der Stadt Sonneberg. Als Chef der Kreisverwaltung muss er künftig vor allem Beschlüsse des Kreistages, aber auch von Landtag und Bundestag umsetzen. Außerdem kann er regionale Fragen klären wie die Kita-Betreuung oder die Sanierung von Gebäuden und Straßen.

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