Streit ums Bratwurstmännle „So ein Unsinn“

Seit 400 Jahren soll das beliebte Bratwurstmännle auf dem Rathaus stehen – so wird es dieser Tage in Coburg kolportiert. Der Stadtheimatpfleger widerspricht vehement.

 
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Die Figur des Anstoßes: die vom Volksmund umgetaufte Darstellung des Stadtheiligen Mauritius. Foto: privat

400 Jahre sind ein fürwahr gewaltiger Zeitraum. So lange soll das sogenannte Bratwurstmännle, eigentlich handelt es sich bekanntermaßen um eine Darstellung des Heiligen Mauritius, bereits auf dem Rathaus von Coburg thronen. Zunächst angebracht auf einem kleinen Turm, später auf dem vorderen Giebel, wo die Figur noch heute steht. Am 1. Juni 1622 soll die Mauritius-Darstellung auf das Rathaus gekommen sein – so zumindest wurde es am Mittwoch dieser Woche kolportiert, als zwei geschichtsbegeisterte Stadtführer den 400. Geburtstag des beliebten Bratwurstmännles öffentlichkeitswirksam bejubelten.

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Christian Boseckert, promovierter Historiker, Stadtheimatpfleger und stellvertretender Vorsitzender der Historischen Gesellschaft Coburg, reihte sich allerdings nicht in die Liste der Gratulanten ein. Stattdessen kommentierte der 41-Jährige auf Facebook: „Also ich weiß nicht, wer so einen Unsinn in die Welt setzt, aber dieses Bratwurstmännchen steht erst seit 1752 auf dem Giebel des Rathauses.“

„Nicht auf dem neuesten Stand der Forschung“

Die Neue Presse bat Boseckert, der zu den führenden Forschern zur Stadtgeschichte zählt, um eine nähergehende Einschätzung. „Bei der 1622 aufgestellten Figur handelt es sich nicht um das heutige ‚Bratwurstmännle’“, schreibt der Stadtheimatpfleger. „Dieses wurde erst 1752 nach einem Umbau auf dem Giebel des Rathauses aufgestellt.“ Bei der ursprünglichen Figur habe es sich um einen geharnischten Mann mit einem stehenden Löwen gehandelt, diese Gruppe habe sich auf der Spitze des Rathausturmes befunden. „Diese Figur dürfte nur ungefähr so ausgesehen haben, wie die sich heute noch auf den Giebeln des Stadthauses befindlichen Statuen.“

Darüber hinaus sei die Figur, nachdem sie im Jahr 1939 in einer Sturmnacht zu Boden gestürzt war, aus ideologischen und rassistischen Gründen von den Nationalsozialisten auch nicht wieder aufgestellt, sondern in den städtischen Bauhof verbracht worden. Dort habe man sie erst 1949 unter einem Schrotthaufen wiederentdeckt, renoviert und erneut aufgestellt. Boseckert führt diese Fehler zurück auf die Ausführungen des Heimatforschers Walter Schneier aus dem Jahr 1985. „In der Zwischenzeit ist diese Darstellung durch die Forschungen Hubertus Habels aus dem Jahr 2006 überholt und entspricht nicht mehr dem neuesten Stand der Forschung.“