Gütersloh - Obwohl der Staat seit Mitte der 1990er-Jahre immer mehr Geld in den Bildungssektor investiert hat, hat er sich einer neuen Untersuchung zufolge aus der Finanzierung von Weiterbildungsmaßnahmen stark zurückgezogen.
Lebenslanges Lernen gilt hierzulande als wichtige Tugend. Doch laut einer Studie klaffen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Demnach steckt Deutschland deutlich weniger Geld in Erwachsenenbildung als noch vor 25 Jahren.
Gütersloh - Obwohl der Staat seit Mitte der 1990er-Jahre immer mehr Geld in den Bildungssektor investiert hat, hat er sich einer neuen Untersuchung zufolge aus der Finanzierung von Weiterbildungsmaßnahmen stark zurückgezogen.
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Wie eine Studie der Universität Duisburg-Essen im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung zeigt, sind die Investitionen der öffentlichen Hand für die Erwachsenenbildung zwischen 1995 und 2015 um insgesamt 43 Prozent gesunken. Dies kompensieren demnach Betriebe und die Lernenden selbst. In andere Bildungsbereiche - von der Kita bis zur Hochschule - seien hingegen immer mehr Mittel geflossen.
Der Großteil der Weiterbildungsausgaben wird laut der Studie privat getragen: 11,1 Milliarden Euro schulterten im Jahr 2015 die Betriebe. 9,5 Milliarden Euro trugen die Teilnehmer von Weiterbildungsangeboten selbst. Bund, Länder und Kommunen investierten den Daten zufolge mit rund 6,3 Milliarden Euro im Vergleich den kleinsten Anteil.
Aktuellere Gesamtdaten lassen sich den Studienautoren zufolge nicht ermitteln, weil einige dafür notwendige Datengrundlagen erst mit großer zeitlicher Verzögerung veröffentlicht werden.
Zwar stecken Bund, Länder und Kommunen laut Studie seit dem Tiefpunkt 2012 (4,9 Mrd. Euro) inzwischen wieder geringfügig mehr in Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen. "Eine deutliche Trendwende können wir aber nicht erkennen", sagte Bildungsexperte Martin Noack von der Bertelsmann-Stiftung. Die seither verstärkten Maßnahmen kämen vor allem kurzzeitig Arbeitslosen, aber nur selten Geringqualifizierten und Hartz-IV-Empfängern zu Gute.
Die Studienautoren äußerten die Befürchtung, dass vor allem Geringqualifizierte auf der Strecke blieben. Diese nähmen schon jetzt deutlich seltener an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen teil als der Durchschnittsbürger. Ihnen fehlten einerseits die Mittel, um Weiterbildungen aus eigener Tasche zu zahlen. Andererseits würden sie seltener vom Arbeitgeber gefördert. "Bei einer zum Großteil privatisierten Weiterbildung erleben wir, was wir das Matthäusprinzip in der Bildung nennen: "Wer hat, dem wird gegeben", die anderen gehen leer aus. Das verfestigt Ungleichheiten", sagte Noack.
Im Sommer wollen das Bildungs- und das Arbeitsministerium den Experten zufolge die nationale Weiterbildungsstrategie vorlegen. Die politische Forderung, mehr und zielgruppengenauer in lebenslanges Lernen zu investieren, will die Stiftung daher auch als Beitrag zur politischen Debatte verstanden wissen. "Gerade im Zeitalter der voranschreitenden Digitalisierung müssen die Menschen mehr Chancen haben, sich weiterzuqualifizieren", betonte Stiftungsvorstand Jörg Dräger. Staatliche Unterstützung bei der Weiterbildung müsse dabei den 4,6 Millionen Geringqualifizierten in Deutschland mehr als bisher zu Gute kommen.