Tara Yipp wechselt nach Stuttgart Sprung in die Spitzenklasse

„Ich wusste mit fünf, dass ich Balletttänzerin werden wollte“: Tara Yipp. Foto: PHOTOGRAPHIE

Nach zwölf Jahren hat sich Tara Yipp vom Coburger Landestheater verabschiedet. Der Star-Choreograf Eric Gauthier hat die Ballettmeisterin in seine Stuttgarter Dance Company geholt.

 
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Zwölf Jahre?! Tatsächlich. „So lange war ich noch nie an einem Theater“, meint Tara Yipp. Und es wäre womöglich noch ein wenig mehr geworden, hätte sich nicht diese Chance aufgetan: Im Frühjahr bot Eric Gauthier ihr eine Stelle als Ballettmeisterin in seiner Stuttgarter Company „Gathier Dance“ an, die zur europäischen Spitzenklasse zählt. Da sagt frau nicht nein – und so wechselte Tara Yipp im Sommer vom Landestheater Coburg ans Theaterhaus der Schwabenmetropole. Nicht ganz leichten Herzens: In Coburg hat sich die 45-Jährige ausgesprochen wohlgefühlt, „wunderschön und familiär“ findet sie das fränkische Städtchen – und sehr beschaulich im Vergleich zur kanadischen Millionenstadt Calgary, aus der sie stammt. Obendrein hat sie in Coburg nicht nur berufliche Erfüllung gefunden: Ziemlich schnell hat es „Klick“ gemacht zwischen ihr und dem Schauspieler Frederik Leberle, den Intendant Bodo Busse ebenfalls 2010 ans Landestheater geholt hatte – seit fünf Jahren sind sie glückliche Eltern.

Ihr Töchterchen ist damit exakt in dem Alter, in dem Tara damals ihr Berufsziel ins Visier nahm: „Ich wusste mit fünf, dass ich Balletttänzerin werden wollte.“ Zwar hatte sie noch nie Tänzer live erlebt, doch „das Bild im Kopf“ war klar und das Talent so unübersehbar, dass sich schließlich auch die Eltern überzeugen ließen. Nach der Ausbildung und einem ersten Engagement am Alberta Ballett, einer der wenigen Compagnien in Kanada, wagte Tara Yipp den Sprung nach Europa, das weit größere Karrierechancen versprach. „Ich wollte eigentlich nur zwei, drei Jahre bleiben“, erzählt die Künstlerin – mittlerweile sind gut zwei Jahrzehnte daraus geworden.

Dass sie am Landestheater Detmold gleich mal einen schwungvollen Can-Can auf die Bühnenbretter legen musste, überraschte die junge Kanadierin damals total: Einsätze in Operette und Musical, wie sie an deutschen Mehr-Sparten-Theatern gang und gäbe sind, kannte sie aus ihrer Heimat nicht. 2004 näherte sich die Tänzerin Coburg schon mal geografisch an: Am Theater Nordhausen assistierte sie als Ballettmeisterin der Chefin Jutta Ebnother. 2010 schließlich holte Coburgs frischgebackener Ballettdirektor Mark McClain sie ans Landestheater. Zwei Spielzeiten lang erfreute sie das Publikum auch auf der Bühne, bis sie sich ganz auf ihre Tätigkeit als Coach und Choreografin konzentrieren konnte. Als Highlight aus jener Zeit hat sie den „Nussknacker“ in Erinnerung: „Darauf war ich wirklich stolz. Der ist megaschwierig für eine kleine Compagnie.“

Doppelt gefordert wurde die Ballettmeisterin, als McClain in Elternzeit ging und ein Wasserschaden im Großen Haus das Improvisationstalent aller Abteilungen forderte. „Das war total stressig, aber ich habe viel gelernt“, meint Tara im Rückblick. Ein wichtiger Schritt für sie war die erste eigene Choreografie auf der großen Bühne 2014: „Gefährliche Liebschaften (Dangerous Liaisons)“. Im breiten Spektrum zwischen „Aschenbrödel“ und „Woyzeck“ waren alle Facetten der Tanzkunst von klassisch bis experimentell gefragt, eine Vielfalt, die Tara reizt. „Ich mag Spitze und liebe Pas-de-deux, aber Tutu-Ballett ist nicht mein Ding“, verrät die Tanzbegeisterte, die sich gerne auch auf experimentelle Projekte wie das spartenübergreifende „Clockwork Orange“ einließ. Unerwartete Herausforderungen brachte die Pandemie mit sich: Wie Tanztheater ohne körperliche Berührung funktionieren kann, demonstrierte die Choreografin in ihrer letzten Coburger Arbeit „Contact“.

Das tägliche Training leiten, die Tänzer/-innen in Höchstform bringen, das Niveau von Produktionen halten, Umbesetzungen einstudieren: Das sind die alltäglichen Aufgaben der Ballettmeisterin. „Es ist genauso schön, wie selbst auf der Bühne zu stehen“, meint Tara Yipp nach zehn erfolgreichen Jahren „hinter den Kulissen“. In Stuttgart ergänzt sie nun das Team um Eric Gauthier, der sich vom einstigen Publikumsliebling des Stuttgarter Balletts zum international renommierten Choreografen entwickelt hat. „Gauthier Dance“ zählt zu den erfolgreichsten und international aktivsten deutschen Ensembles und wurde mit vielen Auszeichnungen bedacht. Das 16-köpfige Tanzteam sollte bald von einer Junior-Compagnie ergänzt werden – geleitet von Tara Yipp.

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