Tatort Haßberge Dummer Zufall oder geplante Tat?

Udo Güldner
Räuberische Erpressung, Nötigung, Körperverletzung: Eine wilde Geschichte wird derzeit vor dem Landgericht verhandelt. Foto: dpa/Volker Hartmann

Es geht um Rauschgift, eine Entführung und Wild-West-Methoden: Laut Staatsanwaltschaft hat sich dafür auch der Angeklagte aus den Haßbergen zu verantworten. Der wiederum sagt, er habe doch nur Milch kaufen wollen.

 
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Zwei seiner Brüder sitzen bereits hinter Gittern. Nun droht einem 30-jährigen Mann aus den Haßbergen ein ähnliches Schicksal. Am Landgericht Bamberg läuft derzeit der Prozess gegen den Fahrer eines Wagens, in dem ein Mann bedroht, geschlagen und entführt worden sein soll. Zum Auftakt beteuerte der Angeklagte seine Unschuld und forderte einen Freispruch.

„Wenn ich ihn nicht gefahren hätte, hätte es geheißen, was bist Du für ein Bruder“: Wenn man dem Angeklagten glaubt, dann ist er nur durch einen dummen Zufall in die Sache hineingeschlittert. Eigentlich habe er nur Milch für seine Kinder holen wollen. Da habe ihn sein Bruder angerufen. Ob er ihn nicht mitnehmen könne. Zum einen hat der Bruder keinen Führerschein mehr, zum anderen nach einer Knie-Verletzung Probleme mit dem Laufen. „Ich habe nicht gewusst, was die vorhaben. Mit den Drogen habe ich nichts zu tun“, sagt der Angeklagte. Es habe weder Drohungen, noch Schläge und schon gar keine Entführung gegeben. Niemand sei vermummt, alles sei friedlich gewesen. Als er schließlich gecheckt habe, worum es gegangen sei, habe er sofort alle aus seinem Wagen geworfen. „Wenn ich es mitbekommen hätte, hätte ich dem armen Jungen doch geholfen“, sagt er. Danach fährt er in aller Ruhe zum Supermarkt und kauft die Milch für seine Kinder.

Die Anklageschrift erzählt eine ganz andere Geschichte. Nach ihr soll der Angeklagte von Anfang an gewusst haben, worum es geht: an den Namen und die Telefonnummer zweier großer Rauschgiftlieferanten zu kommen. Diese sind aus Sicht der Brüder dafür verantwortlich, dass einer der ihren für mehr als fünf Jahre ins Gefängnis gekommen ist. Dafür sollen die beiden Hintermänner nun bluten. Freilich nicht buchstäblich. Vielmehr sollen sie Geld hergeben, dass man den nicht ganz günstigen Rechtsanwalt des eingesperrten Bruders bezahlen kann. Wahlweise tun es aber auch Naturalien, etwa ein halbes Kilogramm Meth-Amphetamin. Später sollen es gar fünf Kilogramm Marihuana werden, damit die Brüder nicht plaudern. Als Fachkräfte für Drogenhandel kennen sich die Brüder mit der Verwertung solcher Mengen bestens aus. Zwei von ihnen sitzen bereits in geschlossenen Bereichen der Bezirkskliniken Schloss Werneck und Parsberg, um in mehrjährigen Therapien ihr Suchtmittelproblem unter Kontrolle zu bekommen.

Damit der Bruder des Angeklagten weiß, wo er anrufen muss, wird erst einmal ein anderer Drogenverkäufer mit einem Messer bedroht. Der nennt den nächsten Mann in der Lieferkette. Dann tauchen die Brüder nach Ansicht des Staatsanwaltes Alexander Baum vor der Wohnung des Zwischenhändlers auf. Nicht nur ein oder zwei Mal. Sondern immer wieder. Schließlich gelingt es ihnen, den Mann zu einem Gespräch zu „überreden“. Auf einem Parkplatz in Knetzgau nehmen die beiden Brüder und zwei weitere Begleiter den Zwischenhändler auf seinem Fahrrad in ihre Mitte. Dabei haben sie nach Zeugenaussagen teilweise Sturmhauben oder Schals übers Gesicht gezogen.

Dann zerren sie den Mann ins Auto. Der Angeklagte fährt, neben sich seinen Bruder. Hinten zwischen den beiden Begleitern sitzt der sichtlich erschrockene Zwischenhändler. Es geht zu einem einsameren Ort. Auf dem Parkplatz einer geschlossenen Spielothek in Knetzgau wird der Rauschgiftlieferant nun „befragt“. Er solle sagen, woher das Crystal Meth stamme, dass er weiterverkaufe. Man droht ihm damit, ihn in den Knast zu bringen. Als das nichts nützt, stellt man ihm Schläge in Aussicht. Tatsächlich gibt es als Vorgeschmack auch gleich einige Ohrfeigen. Der Zwischenhändler redet.

Und dann fordert der Bruder des Angeklagten von dem Zwischenhändler noch 2000 Euro Bargeld. Damit soll der Mann die gerade gegen sich abgelaufene Aktion auch noch selbst bezahlen. Es dauert einige Tage, bis der Zwischenhändler die Summe beisammen hat. Sogar eine Lebensversicherung muss er auflösen. Derweil terrorisiert man ihn mit über 60 Telefonanrufen und einigen Hausbesuchen. Schließlich übergibt der Zwischenhändler die Scheine auf einem Parkplatz in Haßfurt, die auf den Angeklagten und seinen Bruder, sowie die Begleiter aufgeteilt werden. Einer ist ein Cousin, der andere ein guter Freund.

So zumindest sieht es die Staatsanwaltschaft Bamberg. Sie möchte eine Verurteilung wegen räuberischer Erpressung, Nötigung, gefährlicher Körperverletzung, sowie versuchter Anstiftung zum vorsätzlichen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Strafverteidiger Joachim Voigt aus Bamberg wird wohl auf Freispruch plädieren.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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