Teerölunglück Abriss soll Rodach retten

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In Erlabrück hat der Fachgutachter vom GeoTeam Naila den ersten großen Schritt zur Sanierung der Rodach vorgestellt. Dafür muss unter anderem das alte Sägewerk weichen.

 
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Erlabrück - Zehn Wochen ist die Chemie-Katastrophe am Sägewerk in Erlabrück inzwischen her. Noch immer kann man aber unterhalb der Stelle, an der Ende September knapp 1000 Liter Teeröl in die Rodach gerieten, den beißenden Geruch der ausgelaufenen Stoffe deutlich wahrnehmen. Auch an anderen Stellen im Fluss sind die Folgen des Unglücks laut Wasserwirtschaftsamt Kronach weiterhin zu sehen. Am Mittwoch hat der vom Verursacher beauftragte Fachgutachter unweit der Unglücksstelle seinen Plan zur Gewässersanierung vorgestellt. Erste Vorbereitungen hierfür sind offenbar bereits in die Tat umgesetzt.

„Ziel aus Sicht des Wasserwirtschaftsamtes ist es, so schnell wie möglich so viel Teeröl wie möglich sicher aus der Rodach zu entfernen“, betonte Hans Joachim Rost, Stellvertretender Leiter des Wasserwirtschaftsamts Kronach. Um das zu ermöglichen, hätten die zuständigen Behörden zahlreiche Untersuchungen in Auftrag gegeben und eng zusammengearbeitet, um eine Lösung herbeizuführen. „Insbesondere die gute Zusammenarbeit mit dem Landratsamt Kronach hat maßgeblich zu den bisherigen Erfolgen beigetragen“, erklärte er. Er hoffe, dass sie auch in Zukunft so konstruktiv bleibe.

„Seit dem Unglück hat sich einiges getan“, berichtete Rost. Unter anderem habe das Wasserwirtschaftsamt in der Zwischenzeit insgesamt fünf Messketten durchgeführt, in denen es darum ginge, zu beobachten, welche Lebewesen durch die Chemikalien besonders betroffen seien und an welchen Flussstellen sich die Schadstoffe möglicherweise angereichert haben. „Bei der ersten Messung haben wir festgestellt, dass die Gewässerbiologie direkt nach dem Unglück auf weite Strecken zunächst fast faktisch tot war“, berichtet er. Inzwischen stelle man aber fest, dass sich das Leben zumindest im Unterlauf der Rodach wohl wieder langsam erhole.

„Die hohe Letalität am Anfang hängt in unseren Augen mit den großen Mengen an Naphtalin-Verbindungen zusammen, die in dem Teerölgemisch vorhanden waren“, erklärte Jörg Zausig, Geschäftsführer des GeoTeams Naila, der als Fachgutachter vom Verursacher des Unglücks mit einem Plan für die Sanierung des Gewässers beauftragt wurde. Untersuchungen zufolge hätten diese hochtoxischen, geruchsintensiven und extrem flüchtigen Stoffe knapp 65 Prozent des Gemischs ausgemacht. „Das, was jetzt noch von ihnen wahrnehmbar ist, dürfte im Promillebereich dessen liegen, was ursprünglich ausgetreten ist“, erläuterte er. Bei der Sanierung konzentriere man sich daher auf die nichtlöslichen und extrem krebserregenden Bestandteile des Gemischs, die auf den Boden des Flusses abgesunken seien. Deren stärkste Konzentration sei in den ersten 400 bis 500 Metern flussabwärts der Unglücksstelle zu finden.

„Wir haben uns mit zahlreichen Fachunternehmen ausgetauscht, die auf die Entsorgung derartiger Gefahrstoffe spezialisiert sind“, berichtete Zausig. So sei man zu dem Schluss gekommen, dass es nur wenige Möglichkeiten gebe, den giftigen Bodensatz abzutragen, die alle jedoch große Herausforderungen mit sich brächten. „Abbaggern birgt etwa das Risiko, dass man das Teeröl dabei aufwirbelt“, erklärte er. Dies sei nicht wünschenswert, da es zu einem erneuten Fischsterben in der Rodach führen könnte. Eine Alternative hierzu sei mitunter das Absaugen des kontaminierten Bodens – was jedoch aufgrund der Wassermassen bei der aktuellen Fließgeschwindigkeit kaum möglich sei.

Man habe also eine dritte Möglichkeit finden müssen. Bei diesen Überlegungen sei man zu dem Schluss gekommen, dass der am stärksten belastete Teil des Flusses im Bereich der sogenannten Zahmen Rodach liege. „Folglich entschlossen wir uns dazu, dass die wohl beste Lösung lautet, diesen Flussarm kurzzeitig trocken zu legen und den belasteten Bodengrund dann abzutragen“, betonte der Fachgutachter. Möglich würde dies mithilfe von großen Betonbausteinen, die man oberhalb der Unglücksstelle in den Fluss einsetze sowie starken Wasserpumpen, die ein Aufstauen des Wassers verhinderten. Dabei handle es sich jedoch um einen ausgesprochen aufwendigen Plan.

Eine Lösung, die diesen Plan möglich mache, sei jedoch von der Familie des Verursachers vorgeschlagen worden. „Direkt neben der Zahmen Rodach befindet sich der alte Mühlgraben. Mit dem wurde früher die Sägemühle betrieben“, berichtete Zausig. Dieser gehe oberhalb der Unglücksstelle vom Fluss ab, verlaufe unter der alten Sägemühle und verbinde sich auf Höhe des Zuflusses der Wilden Rodach wieder mit dem Fluss. Ein Problem gebe es mit diesem Plan jedoch. So führe der Mühlgraben seit dem Brand des Sägewerks im Jahr 2014 kein Wasser mehr, da infolge der Flammen Teile des Gebäudes den Graben verschüttet hätten. Seither wuchere er zudem immer mit Pflanzen zu, sodass er mitunter nur schwer zu erkennen sei. Für eine Reaktivierung müsse die Ruine des Sägewerks abgerissen und der Schutt entfernt werden. Außerdem müsse der Mühlgraben zumindest teilweise von dem Gestrüpp, das in den vergangenen Jahren gewachsen sei, befreit werden.

In Absprache mit den zuständigen Behörden habe man bereits erste Schritte eingeleitet, um diesen Plan in die Tat umzusetzen. So etwa habe man bereits die Betonsteine zum Umleiten des Flusses bestellt und bereits Kontakt zu Spezialfirmen aufgenommen, welche die Arbeiten umsetzen könnten. „Trotz des Grabens werden sich die Kosten für diese Maßnahme inklusive der anfallenden Entsorgungskosten vermutlich aber im sechsstelligen Bereich befinden“, so der Gutachter. Und das, obwohl es sich lediglich um einen vergleichsweise kurzen Gewässerabschnitt handle. „Eine solche Maßnahme wäre für eine längere Strecke aus meiner Sicht kaum umsetzbar“, berichtete er.

Seitens des Wasserwirtschaftsamts scheint man mit dem Vorschlag des Fachgutachters wohl einverstanden zu sein. „Zumindest ein erster Schritt in die richtige Richtung ist damit gemacht“, erklärte Hans Joachim Rost auf Nachfrage der Neuen Presse. Wie erfolgreich die Aktion in Bezug auf die Sanierung des Flusses letztendlich sei, könne man jedoch erst im Nachhinein genau sagen. Aus diesem Grund plane er bereits Mitte Januar den nächsten Ortstermin in Erlabrück. Bei dem könnten dann weitere Schritte besprochen werden.

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