Mit dem Antrag nutzt 1&1 einen noch recht neuen Passus im Telekommunikationsgesetz. Demzufolge darf die Netzagentur "geeignete Maßnahmen" ergreifen und nationales oder regionales Roaming durchsetzen, "wenn die Umstände dies rechtfertigen". Ein Behördensprecher sagt, der Sachverhalt werde geprüft. Nun sitzt die Behörde an einer Marktanalyse, danach kommt die Entscheidung.
Ein Novum ist nationales Roaming nicht in Deutschland: Von 1999 bis 2007 ließ die Telekom den Neueinsteiger Viag Interkom beziehungsweise dessen Nachfolgefirma O2 auf ihr Netz. Damals war das aber nicht staatlich angeordnet, sondern frei ausverhandelt zwischen den Firmen.
Bei dem Hinweis auf dieses Roaming-Kapitel runzelt O2-Manager Markus Haas die Stirn. In vier Jahren habe man damals 6000 Mobilfunk-Standorte gebaut und eine Bevölkerungsabdeckung von 75 Prozent im Funkstandard 2G hinbekommen. Bei 1&1 sei das anders, die Firma habe nach vier Jahren noch keinen einzigen Standort für die Handynutzung aktiviert, sagt Haas kopfschüttelnd. "Wir haben damals einfach 6000 Standorte gebaut, wir haben nicht lange rumlamentiert."
Die 1&1-Sprecherin betont die Entschlossenheit zum Netzausbau und verweist darauf, dass für jedes transportierte Gigabyte Netzmiete gezahlt werde. Man habe schon viel Geld investiert und 20 000 Antennen gekauft, die man auf Lager habe. "Es hat für uns daher keinen Sinn, unnötig lange teure Roaming-Kapazitäten zu nutzen", so die Firmensprecherin. "Außerdem bleiben wir weiterhin an die Ausbauauflagen der Bundesnetzagentur gebunden." Verzögerungen im Netzausbau kämen die Firma damit "doppelt teuer zu stehen".
Torsten Gerpott von der Universität Duisburg-Essen hält den Antrag von 1&1 für "einen verzweifelten Versuch, doch noch irgendwie in den Markt zu kommen". Sollte der Antrag genehmigt werden, würde sich an der misslichen Lage der Firma, die noch immer ein Netzbetreiber ohne Netz sei, nichts ändern. "Irgendwann müssen sie zu Potte kommen, sie können nicht ewig nur auf National Roaming setzen", sagt der Telekommunikationsprofessor. Die Aussichten für 1&1 seien düster.
Was der Verbraucherschutz sagt
Der Antrag von 1&1 bezieht sich auf die ganze Branche – alle deutschen Netzbetreiber sollen sich gegenseitig Roaming gewähren. Wenn also beispielsweise ein Vodafone-Kunde in einem Dorf kein Netz hätte, würde er mit der Telekom oder mit O2 verbunden – je nachdem, was vor Ort verfügbar wäre. Jeder Netzbetreiber hätte also einen gewissen Extra-Nutzen. Klar ist aber auch, dass 1&1 den allergrößten Vorteil hätte und dass die etablierten Anbieter so ein Roaming eigentlich gar nicht bräuchten.
Und was sagen Verbraucherschützer zu dem Vorschlag? Felix Flosbach von der Verbraucherzentrale NRW ist skeptisch. "Es ist eine schöne Vorstellung, dass ein Verbraucher immer überall das beste Netz hat." Allerdings gebe es auch Kehrseiten: "Wer baut dann überhaupt noch aus und schließt die Lücken, wenn auch die Kunden des Konkurrenten verbunden werden?" Alles in allem sei das Roaming über alle Netze "im jetzigen Mobilfunkmarkt realitätsfern", sagt Flosbach.