Tettau Beste Bedingungen vor der Haustür

Gerad Fleischmann
Das „Schneeloch“ Tettau war schon immer eine gute Adresse für Wintersportler. Foto:  

Bereits vor 70 Jahren sausten in Tettau die Skiläufer die Pisten hinunter. Legendär war auch die Wildbergschanze. Heute ist sie Geschichte.

 
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Tettau - Derzeit gleicht der Tettauer Winkel einem Winterparadies. Es gibt allerdings ein Riesenproblem: Die Corona-Pandemie sorgt seit Wochen für eine Zwangspause bei den drei Liftanlagen am Wildberg. Umso begehrter sind die gespurten Loipen. Laut Benjamin Baier – unter anderem zuständig für das gemeindliche Loipenspurgerät – findet dieses sportliche Winterangebot einen Riesenanklang.

Dass die Marktgemeinde einst Mekka der Skispringer war, gerät so langsam in Vergessenheit. Die legendäre Wildbergschanze ist 1999 endgültig abgebaut beziehungsweise verschrottet worden. In dem 2014 erschienenen Bildband „Tettau – das 20. Jahrhundert in Bildern“ hat Archivar und Ortshistoriker Helmut Heinz in 18 aussagestarken Fotos die winterlichen Aktivitäten festgehalten.

Deutsch-Deutscher Zwischenfall

Vor 70 Jahren erwachte das örtliche Skigebiet zu neuem Leben. Erstmals veranstaltete der Kreisjugendring Kronach in Tettau die Kreisskiwettkämpfe. Über 80 begeisterte Jugendliche nahmen am Langlauf sowie am Abfahrtslauf teil. Unter den zahlreichen Zuschauern befanden sich Landrat Dr. Gottfried Witzgall sowie Bürgermeister Christian Müller, MdL. Unterstützung fand die Sportgemeinschaft Tettau durch die US-Verwaltung. Zu den hoffnungsvollen Talenten zählten die Geschwister Dagmar und Christa Werner.

Bei den Kreisskiwettkämpfen kam es dann 1951 zu einem typisch deutsch-deutschen Zwischenfall. Drei Kronacher Teilnehmer waren zu nahe in den Bereich der Zonengrenze gekommen. Sie wurden von der übereifrigen thüringischen Grenzpolizei in den Osten mitgenommen. Der Tettauer Bürgermeister setzte sich für die Freilassung der Jugendlichen ein.

Mit der Einweihung der legendären Wildbergschanze am Sonntag, 15. Januar 1956, gelang den Tettauern der ganze große Wurf. Die Realisierung ist vor allem ermöglicht worden durch den Einsatz der Sportjugend, die 2800 unbezahlte Arbeitsstunden leistete. Voll des Lobes war der Vorsitzende des Skibezirks Frankenwald, Otto Birkelbach. „Dank der Initiative der Sportgemeinschaft Tettau wurde für den Ski-Sprunglauf eine Großanlage geschaffen, die hohen Anforderungen gerecht wird und den Ski-Bezirk Frankenwald in die Lage versetzt, auch Großveranstaltungen, wie Gau- oder Landesmeisterschaften, durchzuführen. Der Skisprung kommt der Verwirklichung eines alten Menschheitstraumes nahe, aus eigener Kraft zu fliegen“, betonte Birkelbach.

Weltberühmter Schanzenbauer

Und in der Tat: Unter der Beratung des weltberühmten Schanzenbauers Heini Klopfer aus Obersdorf entwarf der Kronacher Architekt Franz Hofmann die Pläne für eine stattliche Schanze am Wildberg. Fast zwei Jahre dauerte der Bau, weil damals das Abgraben des Aufsprunghangs von freiwilligen Helfern in Handarbeit bewerkstelligt werden musste. Der imposante Anlaufturm mit tragenden Metallteilen war jahrelang ein Wahrzeichen Tettaus. Ausnahmetalent Werner Knabner blieb es selbstverständlich vorbehalten, die Wildbergschanze mit einem „40-Meter-Jungfernsprung“ einzuweihen. Im Januar 1957 stellte dann der Weltklassespringer Max Bolkart am Wildberg einen Schanzenrekord mit 65 Metern für die Ewigkeit auf. Das Schneeloch Tettau blieb in den darauf folgenden Jahren eine gute Adresse für die Nordischen. Dazu trug Falk Wick maßgeblich bei. Von 1964 bis 2004 übernahm er als Abteilungsleiter die Wintersportabteilung des TSV. Zu seinen Vorzeigeathleten gehörten unter anderem die Brüder Thomas und Jürgen Grebner. Nach 1970 waren die großen Tage der Wildbergschanze vorbei. Insbesondere konnten Meisterschaften auf dem Wildberg nicht mehr ausgetragen werden, weil sie aufgrund neuer Richtlinien problematisch einzustufen war: als Schülerschanze war sie zu groß, für die Jugendklassen – und damit für die Senioren allemal – bereits zu klein.

Das Springen auf der Wildbergschanze wurde ab dem Jahr 1972 eingestellt. Um die Skisprungtradition in Tettau weiterhin aufrechterhalten zu können, wurde – übrigens unter Mithilfe der US-Armee aus Bamberg – die Werner-Knabner-Schanze als kleinere Naturschanze gebaut. Das einstige Schmuckstück der Region wurde 1999 dem Erdboden gleichgemacht. Geblieben sind die Erinnerungen an glanzvolle Ski-Erlebnisse am Wildberg.

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