Die Verteidiger argumentierten, ihre Mandanten seien von einer zulässigen Spätabtreibung im Mutterleib ausgegangen. Sie hätten "den maximal sicheren Weg für den gesunden Fötus" gehen wollen. Eine medizinische Indikation für einen späten Abbruch habe vorgelegen. Die Eltern der Zwillinge hätten sich für einen sogenannten selektiven Fetozid entschieden. "Wir waren der Meinung, dass ein Fötus ein Fötus ist, solange er in der Gebärmutter ist", so die Angeklagten. Ihre Anwälte plädierten auf Freispruch. Im Zivilrecht beginne die Rechtsfähigkeit des Menschen erst mit der Vollendung der Geburt. Eine normative Korrektur sei erforderlich.
Unglaubhaft seien die Einlassungen der Angeklagten, sagte nun Richter Schertz. Sie seien äußerst erfahren und hätten glänzende Karrieren gemacht. Sie hätten den Wunsch der Mutter der Zwillinge, nur das gesunde Kind zur Welt zu bringen, umsetzen wollen - "komme, was wolle". Die beiden Ärzte könnten sich auch nicht auf einen Notstand berufen. Als die Nabelschnur des kranken Zwillings abgeklemmt und Kaliumchlorid injiziert wurde, hätten "keinerlei Gefahren für den gesunden und schon entbundenen Zwilling gedroht".
Zulässig wäre ein "selektiver Fetozid" durch die Bauchdecke und vor dem Kaiserschnitt gewesen, hieß es weiter im Urteil. Dies sei zwar laut Gutachten "mit einem gewissen Risiko" für den gesunden Zwilling verbunden gewesen. "Aber so ist die derzeitige Rechtslage." Wenn man in einem solchen Fall jegliches Risiko ausschließen wolle, "bleibt nur die Geburt beider Kinder". So hatte es auch die Staatsanwältin gesehen. "Die Alternative waren zwei lebende Babys: eins gesund, das andere behindert", sagte sie im Plädoyer. Das behinderte Mädchen wäre nach einem Gutachten wohl ebenfalls lebensfähig gewesen. Wie die Anklägerin gingen die Richter von einem Totschlag in einem minderschweren Fall aus.
Die beiden Angeklagten verließen den Gerichtssaal schweigend. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, droht der noch in einer Klinik tätigen Oberärztin der Verlust der Approbation. Zu dem Verfahren um die Zwillingsgeburt war es nach einer anonymen Anzeige im Sommer 2013 gekommen. Der Verfasser schrieb, er sei Mitarbeiter einer Berliner Geburtsklinik und könne in seiner Klinik praktizierte Spätabtreibungen nicht mehr hinnehmen.