Musik im Herzen Trauer um Knut Gramß

Sein Wirken und sein Foto: NP-Archiv / Peter Müller

Knut Gramß hat Generationen von Schülern für Musik begeistert, den Coburger Hofkomponisten Melchior Franck wiederentdeckt und „alte Musik“ neu belebt. Im Alter von 85 Jahren ist der leidenschaftliche Musiker, Komponist und Forscher gestorben.

 
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Ein Schultag ohne Musik? Das kam überhaupt nicht in Frage. 42 Jahre lang – von 1959 bis 2001 – sorgte Knut Gramß dafür, dass in der kleinen Heldritter Grundschule (an der schon sein Urgroßvater unterrichtet hatte) die Musen nicht zu kurz kamen. Vor den Stiften wurden die Blockflöten gezückt, denn singend lernt sich’s leichter. „Er hat alle seine Schüler intensiv mit Musik in Berührung gebracht – und viele dafür begeistert“, erzählt Nele Gramß, die selbst bei ihrem Vater die Schulbank gedrückt hat, und später den Gesang zum Beruf machte. Nicht nur in seinem Hauptberuf hat Knut Gramß Musik in die Herzen der Menschen gebracht und bis ins hohe Alter die Kulturszene der Region mitgeprägt. Am vergangenen Samstag ist der passionierte Musiker im Alter von 85 Jahren verstorben.

Das Talent lag Knut Gramß in den Genen, als er 1937 in Neustadt zur Welt kam – und am häuslichen Klavier konnte er es entwickeln. Schon als junger Dorfschullehrer begeisterte er Kinder und Erwachsene für Musik: Gemeinsam mit seiner Frau Adelheid gestaltete er im Spielkreis des Oberlehrers Wilhelm Kaiser („Kaiser Wilhelm“ genannt) Kulturabende im ganzen Landkreis Coburg, 1961 übernahm er die Leitung des Gesangvereins Heldritt, den ebenfalls sein Urgroßvater gegründet hatte.

Zu jener Zeit stieß Gramß auf die Spur eines vergessenen Komponisten, der im 17. Jahrhundert als Hofkapellmeister des Herzogs Johann Casimir in Coburg wirkte: Melchior Franck. Seine Wiederentdeckung ist Knut Gramß‘ Verdienst: Mit Hingabe erforschte und publizierte er das Werk des überaus produktiven Tonsetzers und brachte es auf die Bühne: Mit „seinem“ Melchior-Franck-Kreis pflegte er seit 1964 die Musik aus Renaissance und Frühbarock. „Es ist wunderbar, Musik auszugraben und diese Töne erstmals erklingen zu lassen“, erklärte Gramß seine musikarchäologische Leidenschaft. 2005 wurde das Liebhaberensemble, dem ambitionierte Laien aus ganz Franken angehören, mit dem Kulturpreis der Oberfrankenstiftung ausgezeichnet.

Gramß selbst erhielt bereits 1985 den Verdienstorden der Bundesrepublik für sein vielfältiges Engagement: Er komponierte und veröffentlichte etliche szenische Kinderkantaten, die allesamt in Heldritt aufgeführt wurden; er rief einen Interpretationslehrgang am Haus Marteau ins Leben, war Mitbegründer der Chor- und Orchesterwoche Hinterschmiding, gründete und leitete die Oster-Familiensingwochen in Sulzburg.

Im Vordergrund stand freilich stets der Melchior-Franck-Kreis, dem es mit Konzerten und CDs gelungen ist, den Coburger Komponisten auch über Insiderkreise hinaus bekannt zu machen. „Unser Club ist schon einmalig“, schmunzelte der Gründer an seinem 80. Geburtstag im Jahr 2017, bei dem in „Elsa47“, dem Kulturhof seiner Tochter Nele Gramß, auch seine zweite künstlerische Passion öffentlich gewürdigt wurde: die Malerei. In der Heimat und auf Reisen hatte der weltoffene Künstler stets seinen Aquarellblock zur Hand, um Land und Leute zu skizzieren. Naheliegend, dass er auch jenen „Kollegen“ porträtierte, den er wohl am besten kannte, ohne ihn je gesehen zu haben – denn es gibt kein Bildnis von Melchior Franck. So schuf Gramß ein fiktives Porträt des frühbarocken Meisters.

In den letzten Jahren war es stiller geworden um den allseits beliebten und geschätzten Künstler, nicht zuletzt wegen der Coronalage. Das letzte Konzert des Melchior-Franck-Kreises liegt drei Jahre zurück und der Tod seines Gründers bedeutet eine schmerzliche Zäsur für das Ensemble.

Doch die Fortführung seines Lebenswerks dürfte gesichert sein: 2014 – zum 50-jährigen Geburtstag des Melchior-Franck-Kreises – gründete sich in Coburg die Melchior-Franck-Gesellschaft e.V. „Zahlreiche musikalische Kostbarkeiten haben Knut Gramß und andere Forscher schon dem Vergessen entrissen und sie einem begeisterten Publikum zu Gehör gebracht. Viele Schätze sind aber noch zu heben“, erklärt sie auf ihrer Homepage.

Ihr Ehrenvorsitzender heißt – natürlich – Knut Gramß.

Der Trauergottesdienst findet am Freitag, 29. Juli,um 13 Uhr in der St.-Nikolaus-Kirche in Heldritt statt.

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