Trotz Corona-Lockerungen Spaziergänger protestieren in Coburg weiter

Die Gruppe setzt ihren Protest fort, bis alles so ist wie früher. Viele Coburger haben dafür kein Verständnis.

 
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Es ist schon zu einem Ritual geworden: Seit Monaten versammeln sich immer montags hunderte Menschen in der Innenstadt, um mit einem sogenannten Spaziergang quer durch die Innenstadt gegen aktuelle Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Inzwischen haben sich die meisten Forderungen der Demonstranten sogar erfüllt. Eine Maskenpflicht gilt nur noch in bestimmten Einrichtungen und auch eine Impfpflicht wurde von der Politik kürzlich abgelehnt.

Trotzdem versammelten sich in dieser Woche wieder 250 bis 300 Teilnehmer, um gegen Corona-Vorschriften zu protestieren. „Wir laufen so lange weiter, bis alles wieder so ist wie früher“, versprachen sich die Spaziergänger auf dem Schlossplatz gegenseitig. Welche Maßnahmen sie genau meinen, dazu wollten sie sich auf Nachfrage nicht äußern. „Wer diese Frage noch ernst meint, hat wirklich nichts verstanden“, hieß es nur. Auch ihre Namen wollten sie lieber nicht in der Zeitung lesen.

Hauptsache, ich darf alles

Ihren Protest können viele Coburger nicht nachvollziehen. „Das sind alles Egoisten. Hauptsache, ich darf alles. Es scheint die überhaupt nicht zu interessieren, dass wir freiwillig Maske tragen, um andere zu schützen“, schimpfte beispielsweise Ilse Angerer, die von einer Parkbank aus das Treiben beobachtete.

Das sehen die Spaziergänger jedoch anders. Ein besonderer Dorn im Auge ist ihnen noch immer eine mögliche allgemeine Impfpflicht. Die gescheiterten Versuche dazu schreiben sie sich als Erfolg auf ihre Fahnen. „Nur durch unsere Standhaftigkeit konnte die generelle Impfpflicht verhindert werden“, war aus den Reihen der Demonstranten zu hören. „Die nächste Pandemie kommt bestimmt. Wenn wir jetzt mit den Spaziergängen aufhören und in ein paar Wochen wieder neu beginnen, müssen wir uns fragen, warum wir sie nicht gleich fortgesetzt haben“, sagte ein Teilnehmer.

Solidarität mit Pflegepersonal

Im Fokus stand die Forderung nach einer freien Impfentscheidung und die Ablehnung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, die seit Mitte März für Beschäftigte im medizinischen Bereich gilt. Die Demonstranten forderten mehr Solidarität mit dem Pflegepersonal und das Recht auf Selbstbestimmung.

Im Unterschied zu früheren Montagsspaziergängen trafen sich die Teilnehmer nun nicht mehr unangemeldet auf dem Marktplatz, sondern vor dem Stadtschloss, mit vorheriger Anmeldung. „Bleibt auf unserem Spaziergang ruhig und lasst Euch nicht von außen provozieren. Vorfälle werden später von der Polizei übernommen“, wurden die Teilnehmer per Lautsprecherdurchsage ermahnt. Mit Plakaten und Trillerpfeifen machte sich die Gruppe auf ihren Weg quer durch die Gassen der Vestestadt. Angeführt wurden sie von zwei Demonstranten, die ein Banner mit der Aufschrift des Bündnisses „Coburg zeigt Gesicht“ trugen.

Auch Familien mit kleinen Kindern schlossen sich der Gruppe an. Immer wieder waren „Aufwachen, Aufwachen“-Sprechchöre zu hören. In den engen Straßen gab es für Touristen und Restaurantbesucher oft keine Möglichkeit, den Demonstranten auszuweichen, was besonders bei Eltern für Unmut sorgte.

Am Ende des Zuges wurde versucht, Unbeteiligte von den Anliegen der Demonstranten zu überzeugen – per Postkarten mit der Aufschrift „Protest gegen die Spaltung unserer Gesellschaft“. Allerdings lehnten die meisten Passanten das ab.

Kundgebung auf dem Marktplatz

In der Mohrenstraße platzte einem jungen Mann der Kragen: „Ich fasse es nicht. Ihr seid doch diejenigen, die versuchen, unsere Gesellschaft zu spalten“, schimpfte er wütend den Spaziergängern hinterher. „Wenn Ihr wenigstens einen vernünftigen Grund für Eure Aktion hättet, aber spätestens seit dem Wegfall der Corona-Beschränkungen gibt es den nicht mehr. Demonstriert Ihr, weil ich freiwillig eine Maske trage?“

Nach einer guten Stunde versammelten sich die Spaziergänger um das Alberts-Denkmal auf dem Marktplatz für eine abschließende Kundgebung. Im Unterschied zu früheren Spaziergängen kam es in der Innenstadt zu keiner Begegnung mit Gegendemonstranten. Aus der Menge trat plötzlich ein älterer Mann hervor und ergriff das Wort. Er sei „Facharzt für Hygiene“, im 80. Lebensjahr und „ungeimpft“, sagte er. Allein die Auskunft, dass er eine Impfung ablehne, löste beim Publikum Beifallsbekundungen aus. „Seit knapp zwei Jahren werde ich wegen meiner Haltung als unsolidarisch bezeichnet. Wer ist denn hier wirklich unsolidarisch?“, wandte er sich an seine Zuhörer und gab die Antwort gleich selbst: natürlich die Aktionäre, die mit Kliniken ihre Dividenden erwirtschafteten. „Lasst Euch nicht für dumm verkaufen“, warnte er.

Zum Schluss ergriff noch eine weitere Spaziergängerin das Mikrofon, die ihrem Ärger Luft machen wollte. Sie kritisierte die 3G-Regel, die noch immer im Coburger Rathaus und in Einrichtungen im Coburger Land Bestand hat. „ Solange nicht die letzte Maßnahme gefallen ist, kämpfen wir mit allen demokratischen Mitteln weiter“, kündigte sie an.

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